Judith von Halle & der bluttropfende Gral

Bildquelle Wikimedia, San Juan de la Pena
Auf dem langen Weg zwischen "etwas verkorkst" bis "völlig von der Rolle" ist auch Judith von Halle mit dem Gral unter dem Arm, aber sonst nichts zum Essen in den letzten Jahren schon ein ganzes Stück voran gekommen- seit Monaten und bis auf Weiteres hat sie sich krank gemeldet und taucht nirgendwo öffentlich auf: "Im November und Dezember letzten Jahres bin ich aufgrund einer verschleppten Nieren- und Lungenentzündung durch eine erhebliche gesundheitliche Krise gegangen. Zwar habe ich jetzt nur noch an einigen Folgen zu tragen, aber um diese Krise wirklich ganz überwinden zu können, braucht es diesmal eine radikal einzuhaltende Rekonvaleszenz-Zeit."

Gudrun Gundersen erklärte in einem Rudolf Steiner Blog das Wunder des Lebens Judith von Halles: "Da Judith von Halle noch jung ist, stellen sich viele Anthroposophen die Frage, wie sie denn ihre Fähigkeiten in diesem Leben aus dem Ich erarbeitet habe. Wir haben es hier offenbar mit einer besonderen Situation innerhalb der Menschheit zu tun." Innerhalb der Menschheit, jawohl. Es handelt nicht um eine exterrestrische Spezies bei Frau von Halle. Das mit der Krankheit dieser Hungerkünstlerin kommt wohl öfter mal vor- hier eine Meldung aus dem Jahr 2007: "auf ärztl. Anordnung u. eigener Einsicht: striktes Verbot zu jeder Anstrengung, kein Internet, kein Telefon, keine Briefe, keine Gespräche, keine Besuche, keine Vorträge für die nächsten 6 Monate. Ich halte mich daran. Dies nur, damit Du informiert bist, warum ich mich nicht melden kann. Es ist etwas Ernstzunehmendes, das auskuriert werden muß, und ich werde einige Monate fortgehen müssen zur Kur."

Kein Problem. Wir beschäftigen uns in der Zwischenzeit mit den Îles de Lérins, einer winzigen Inselgruppe im Mittelmeer unmittelbar vor Cannes, zwischen den zur römischen Zeit wichtigen Häfen von Nizza und Theoule. Im römischen Telle wurde der in Rom sehr begehrte Porphyr (hier Bilder aus dem Esterel- Gebirge) verschifft: "Porphyr wurde bereits im Alten Ägyptischen Reich am Mons Porphyrites in Ägypten abgebaut, dem damals einzigen bekannten Abbaugebiet. Größere Abbauspuren stammen von dort auch aus römischer Zeit. Porphyr war zur Zeit der römischen Tetrarchie und dann auch in konstantinischer Zeit sehr beliebt. Aufgrund seiner purpurnen Farbe war es ausschließlich den Kaisern und ihren Bildnissen vorbehalten." (Quelle)

Nach Judith von Halle, "Die Templer I", die die reichlich vorhandenen Legenden um die Ankunft des Gral in Südfrankreich, wie sie etwa Gordon Napier referiert, so lange gegen den Strich bürstet, bis sie zu ihren eigenen obskuren Geschichten passend erscheinen, ist Joseph von Arimathia auf den "weißen Inseln" (damals waren sie noch weiß, heute sind sie stark mit Vegetation überzogen) der Îles de Lérins gelandet, um "Erdenweihen" mit dem Blut Christi in ganz Südfrankreich zu veranstalten, d.h. das originale Blut Christi quasi tröpfchenweise zu verteilen: "Diese punktuellen Erdenweihen bildeten tatsächlich die Grundlage für die Arbeit der zweiten Hierarchie, ...", um den Äther der "Erde Europas" so umzugestalten, dass "diejenigen Menschen, die sich während jener Epoche in Europa verkörperten, in ein ganz neues ätherisches Gefüge eintraten". Das Auferstehungsgeschehen in Palästina genügte den Sturköpfen in Europa also nicht; sie benötigten noch magische Extra- Handlungen, um sich nach von Halle anständig inkarnieren zu können. Da nach allen Legenden die Landung Arimathias (nicht zusammen mit Maria Magdalena, wie von Halle behauptet) um das Jahr 50 statt gefunden haben soll, bleibt es sowieso ein Wunder, dass das Blut Christi noch taufrisch, offenbar reichlich vorhanden, nicht eingetrocknet und nach langer, jahrelanger Schifffahrt unverschüttet, vorhanden gewesen sein soll. Der ganze Zauber macht aber natürlich, wenn man das Auferstehungsgeschehen ernst nimmt, keinerlei Sinn und soll bei von Halle nur auf magische Hintergründe des bei ihr okkult wirkenden Templerordens vorbereiten.

Es ist auch ein Wunder, dass die Gesandtschaft des Herrn ausgerechnet auf den Îles de Lérins - in Sichtweite zweier funktionierender Häfen- gelandet sein soll: "..auf dem Gebiet entlang der südfranzösischen Küste, und zwar ausgehend von einer der heutigen Stadt Cannes vorgelagerten kleinen Inselgruppe, der Îles de Lérins, entwickelte sich während der ersten nachchristlichen Jahrhunderte die erste Geistesströmung des Grals- Christentums.." (von Halle, S. 35f). Eher nicht. Das heutige Kloster auf der Insel- alles, was dort sichtbar ist, einschließlich der Vegetation- geht auf den Heiligen Honorat zurück- ein Heiliger des 4. Jahrhunderts, der die praktische Gabe besaß, überall Wasserquellen zu entdecken. Dieser zog sich um 400 wegen der Verehrung ihm gegenüber, die ihm fremd war, auf die kahlen, wasserlosen, Schlangen- verseuchten Inseln zurück, da er sicher war, dass ihm hierher niemand folgen würde. Aber er entdeckte wiederum eine Quelle, ein Kloster siedelte sich an- eine Blütezeit, die durch viele verheerende Einfälle von Piraten und fremden Heeren auch wieder für lange Zeiten still stehen sollte. Allerdings waren die nackten Felsen zu Zeiten von Joseph von Arimathia als Landeplatz noch völlig ungeeignet. Den Handelsschiffen nach Nizza oder Theoule zu folgen, wäre dem Überleben dagegen dienlicher gewesen. Übrigens war die Route Arimathias, wie von Halle sehr wohl weiß, nach Norden ausgerichtet und endete in Glastonbury in England: "The first Christian mission to England came to be associated with no less a figure than Joseph of Arimathea. The yet-more ancient Tor was capped by a sacred shrine dedicated to the Archangel St Michael. Glastonbury also boasted what was supposedly the oldest chapel in Britain (until 1184 when the wattle structure was destroyed by fire). The chapel was said to have been built by Joseph of Arimathea, or else constructed by no human hands, and restored by Joseph on his arrival in Britain." (Napier o.S.)

Von einem Ausflug des fleissig Blut verschüttenden Arimathia in Richtung Pyrenäen, wie ihn von Halle dringend nahe legt, ist in den vielen Legenden außer bei ihr nirgends die Rede. Aber sie will unbedingt die Grundsteinlegung einer nur ihr allein bekannten Einweihungskirche der späteren Templer durch Arimathia ausführen, wobei doch auf dem alten Compostella- Weg durch die Pyrenäen Richtung Jaca bekannte Kirchen wie etwa San Juan de la Peña liegen, in denen man sowohl Grals- wie Templerzeichen findet. Dass die Templer im Verlauf der Reconquista eine zeitlich begrenzte Rolle spielten, ist ja ganz unbestritten, wird aber bei von Halle nirgends erwähnt- auch nicht, dass sie sich für so schnöde, aber entscheidende Dinge wie die ständige Wasserversorgung der Bevölkerung einsetzten: "Auch politisch besitzen die Templer im speziellen in Aragon eine wichtige Stellung. Als ein Beispiel für diese politische Macht ist zu deuten, das der Provinzmeister von Aragon/Kastilien Guillaume de Montredon, die Vormundschaft für Jakob I. von Aragon übertragen bekommen hat. Jakob I. ist als fünfjähriger zum König von Aragon gekrönt worden. Er erobert die Balearen (1229) und Valencia (1238)von den Mauren. Wieder mit bei ihm sind bei den Eroberungen die Templer. Jakob I. wird später auch Jakob der Eroberer genannt. In Spanien ist er heute als Jaime I. bekannt.
Die Templer haben als Ingenieure einen großen Beitag zur Bewässerung von Aragon geleistet. Sie sind an der Entwicklung des Bewässerungssystems maßgeblich beteiligt." (Quelle)

So ein Wundergral kommt bei den Eso- Konsumenten einfach besser an als Kanalisationsbau und Bewässerung der Felder. Man kann in dieser Weise Punkt für Punkt der Heilsgeschichten von Halles nachgehen und erkennt ihre Technik der systematischen Legendenbildung - nie ganz den Kontext des vorhandenen Materials verlassen, aber stets etwas darauf setzen, ins Konkrete setzen, aber mit Anderem verknüpfen, den Rest einfach frei fabulieren, fertig. Wir sind dann mal gespannt, was sie sich nach ihrer diesjährigen Kur thematisch vornehmen wird.