tag:blogger.com,1999:blog-69492503723154483472024-03-16T14:07:22.993+01:00EgoistenAnthroposophie on the rocks Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comBlogger290125tag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-70603989574651341352024-02-03T12:52:00.002+01:002024-02-04T09:20:32.340+01:00Wenn das Denken als Denken gewollt ist<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEgrPU0D-ZJTENHeAiCpRthpFE2_J5bmIGjlDGAFDFW_Bc9rQTkfTsomvUv0ENVZhIVGxmcFRzDYkJJ-TRmo-MP-h6bu34SwNW1nSllREdwXvbEce30GfosPWNp0bEUCeoSrD-H3feH-rTUH05ql-ODUDTjG4i4gNoj6uTRRD6HXKd6XaYqAoXAKQYbvUf7c" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img alt="" data-original-height="2144" data-original-width="1467" height="240" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEgrPU0D-ZJTENHeAiCpRthpFE2_J5bmIGjlDGAFDFW_Bc9rQTkfTsomvUv0ENVZhIVGxmcFRzDYkJJ-TRmo-MP-h6bu34SwNW1nSllREdwXvbEce30GfosPWNp0bEUCeoSrD-H3feH-rTUH05ql-ODUDTjG4i4gNoj6uTRRD6HXKd6XaYqAoXAKQYbvUf7c" width="164" /></a></div><br /><br /><p></p><p>Wie merkwürdig und verschroben sie sich geben, die Mystiker und Anti- Materialisten, die aus Buddha einen Aktivisten gegen das Zeitgenössische machen. Sie entfallen damit der Gegenwärtigkeit und verfallen ihrer Ideologie. Das Ideologische aber ist das Ende aller Spiritualität. </p><p>Glatteis allerorten. Und die sich anbietenden spirituellen Texte sind so schwierig zu lesen. Sie sind es schon deshalb, weil man sie symbolisch- allegorisch auffasst und im Nachgang einzuordnen und zu verstehen versucht. Das angenommene Metaphorische entgleitet aber der gewohnten Kontextualisierung, fällt ins Nebelhafte, Spekulative, was man sehr wohl bemerkt, wenn man ehrlich zu sich ist. Oft bauen spirituelle Texte mehr Rätsel auf als sie zu enthüllen. Sie sind Hinweise, gewiss, aber auch Aufforderungen zu praktischem Umgang, Realisation.</p><p>Nehmen wir ein Beispiel:</p><p>„<i>Der Wille, der in der Kontemplation lebt, ist reiner Wille, denn er vollführt die Bewegung, die seine eigenen Ursprungskräfte der reinen Substanz der Kristalle, der Pflanzen und der Wasser eingeprägt haben. Jedesmal, wenn das Denken als Denken gewollt ist, wird dieser dem Denken immanente Wille zur Kraft der Imagination, zur Kraft des Lebens.“</i> (1)</p><p>Der „immanente Wille“ des Denkens ist in diesem spirituellen Textfragment nicht metaphorisch aufzufassen. Aber um zu ergreifen, was damit über einen bildhaften Charakter hinaus ausgesagt sein mag, ist es eben nötig, sich den Schlüssel anzueignen- das, was Scaligero als Kontemplation bezeichnet, oder genauer: Leben in der Kontemplation. Denn dieses Leben drückt sich offenbar aus in einem Willen, der größer sein muss als das, was wir als Wollen zu beschreiben gewohnt sind. Der reine Wille, der eine strukturierte Bewegung vollführe, sei zugleich das, was sich in Formen der Dinge der Natur artikuliere. Scaligero nennt als Beispiel Kristalle, Pflanzen, Wasser. Es ist die Schaffenskraft schlechthin, auf die Scaligero zielt, die somit geistig existent sein muss, bevor die Natur überhaupt Form annimmt, Gestalt, Zeitlichkeit. Die „Prägung“ findet erst statt, nachdem der Ursprung dieser Kräfte sich selbst vollendet hat. Dieser Prozess hat einen worthaften Charakter: Es drückt sich etwas in der ihm eigenen Form aus.</p><p>Dann kommt der Schwenk auf sich selbst: Auf das Denken, den Denkenden, den Schreibenden, den Leser: „<i>Wenn das Denken als Denken gewollt ist..</i>“ Damit ist gemeint: Wenn das Denken seine eigenen Ursprungskräfte entdeckt, wenn die Aufmerksamkeit ihrer selbst gewahr wird, wenn die Gegenwärtigkeit sich als Ich erkennt. Dieses Wenn - ist es Bedingung oder ist es einfach eine Frage der Zeit? Was gibt einem den Anstoss, sich umdrehen zu wollen wie Maria Magdalena am Grabe? Es ist genau dieses Umwenden gemeint: Der Wille, anzuhalten, der Wille stehen zu bleiben, der Wille, sich umzudrehen, der Wille, dem Anblick stand zu halten. </p><p>Wenn das Denken als Denken gewollt ist, blickt es sich an. </p><p>Wenn das Denken als Denken gewollt ist, wird es seiner selbst gewahr.</p><p>Der „<i>immanente Wille zur Kraft“</i> wird allmählich ausgebildet- das wiederum ist ein anderes Kapitel. Mit einem einzelnen Einblick ist es nicht getan. Diesen Willen, der eine natürliche Gestaltungskraft darstellt, denkend nicht zu erfassen, aber in seiner ewigen Beweglichkeit aufgehen zu können, sowohl in Hingabe, als auch in selbstbewusster Transparenz, daran arbeitet man schon lange, wenn man nicht von jeher dafür begabt ist. Und wir, wir sind zu gar nichts begabt. Wir müssen es lernen wie ein musikalisches Instrument. Nur dass wir selbst dieses Instrument sind, wir selbst als das, was uns ausmacht, und wir müssen es tönend machen. Nein, wir machen die Töne nicht, wir lassen sie nur erklingen. Der Wille spricht sich in uns aus. Auch für uns, wie für die Naturdinge: "Dieser Prozess hat einen worthaften Charakter". </p><p>So verspricht Scaligero: In diesem Willen findet der Dualismus ein Ende. Wir sprechen uns aus, nicht nur als natürliches Wesen, sondern als geistiges Wesen, das seiner selbst gewahr wird und damit aus dem Schatten seiner selbst tritt. </p><p>Das meditative "Üben" hört auf Übung zu sein. Es wird zum Glück, unter dem Sternenhimmel zu liegen, auf einer belebten Wiese, im Duft eines von Pilzen durchsetzten Waldes: Es ist ein Atemholen geworden.</p><p>_______________</p><p>1 Massimo Scaligero, Das Licht, Ostfildern 1994, S. 85</p>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-56694247638068734002024-02-01T19:12:00.001+01:002024-02-01T19:13:25.417+01:00 Aletheia und die erkennende Armut<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEiUCYd8-KL5Q1waLgQok3H_cFcGZMcv1oSL0s7csWE_ZPi9Xk3k-1kBJhsGRQPYz6624df6caiL2ZzAz5Laj3U_kg7BF3FhNQjvjbUFmkLd_UoKAhyZqaXFMdpK4UMWVbB07uSuMF4yl0GrOc_3BHFG8sHvRe3vY0_prnRDf_RqqwGU8MGEVh3V1AWdPE7g" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img alt="" data-original-height="1086" data-original-width="724" height="240" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEiUCYd8-KL5Q1waLgQok3H_cFcGZMcv1oSL0s7csWE_ZPi9Xk3k-1kBJhsGRQPYz6624df6caiL2ZzAz5Laj3U_kg7BF3FhNQjvjbUFmkLd_UoKAhyZqaXFMdpK4UMWVbB07uSuMF4yl0GrOc_3BHFG8sHvRe3vY0_prnRDf_RqqwGU8MGEVh3V1AWdPE7g" width="160" /></a></div><br /></div><br /><br /><p></p><p>Zur Armut des Geistes gibt es natürlich viel zu sagen, worüber wir höflich schweigen. Wir wenden uns Georg Kühlewind zu (1), diesmal mit seiner zunächst merkwürdigen Beschreibung Rudolf Steiners als Revolutionär - nein, nicht der Ahnvater Ewigkeits- trunkener Spießer-, nein, der moderne Erkenntnistheoretiker, der Stirner-, Haeckel- Nietzsche- Nachfolger: „<i>Die radikale Säuberung des Wahrnehmungsbildes von Begrifflichkeiten - eine Gebärde, die auch ein so genialer Philosoph wie Husserl, aber lange nicht so durchgreifend wie Steiner, versucht hat - ist ein Teil des Fegefeuers, durch das die menschliche Seele gehen muss, bevor sie als Bewusstseinsseele den Neuanfang der Welt begründen kann. Daher auch Steiners Hochschätzung für Max Stirner, Nietzsche, Haeckel - sie alle haben am Abtragen der Reste der tradierten, nunmehr entleerten Werte mitgeholfen. Daher auch Steiners - manchmal vielleicht nicht ganz gerechter - Missmut gegenüber Mystikern. Die Richtung dieser reinigenden Geistbewegung ist Armut - das Erleben der Armut im Geiste, Ohnmacht heißt es manchmal, das Eingeständnis, dass der Reichtum verloren gegangen ist. Nur die Armut kann empfangender Kelch werden, sie zieht den Geist an; sie hat nichts, das dem Neuen, den wahren wirklichen Ideen der Natur und des Weltgeschehens, sich hindernd entgegenstellen könnte.</i>“</p><p>Diese erkennende Armut, die vollständige Akzeptanz des Nicht- Wissens, sei der einzige Weg, um das Tönen der Dinge und der Welt vernehmen zu können: „<i>Dass die Welt - der Wahrnehmungen und der inneren Quelle - Geschehen ist, kein statisches Sein, war für das archaische Bewusstsein Erfahrung, für das spätere religiöse ein Wissen. Es bedeutete, dass alles, auch ein Stein, ein Felsen nicht etwa «ist», sondern ein Vorgang ist, vorgeht, vor dem Menschen. Indem sich das Bewusstsein auf die Ebene des Lebens - der Geistesgegenwärtigkeit oder Imagination - begibt, kann das auch heute Erfahrung werden.</i></p><p><i>Die Dinge - auch die leblosen - geschehen, als seien sie lang gehaltene Töne. Das inspirierte Bewusstsein erlebt dieses Tönen. Die vergleichende Sprachwissenschaft stellt fest: Je archaischer eine Sprache ist, um so mehr Zeitwörter hat sie im Vergleich mit den Hauptwörtern. Und selbst diese haben in solchen Sprachen Verb-Charakter. Hinter dem Geschehen sind tätige Wesen: Götter oder ihre Stellvertreter, die Naturgeister.</i>“</p><p>Der Mensch, der die Armut durchlaufen, akzeptiert und situativ in ein Hören und Lauschen verwandelt hat, erkennt das Murmeln der Dinge, ihre Bewegtheit und Gestimmtheit. Er erkennt aber auch, dass er als Erkennender ein wesentlicher Teil der Welt ist; nur durch sein Erkennen wird die Welt <u>das</u>. Aber in der Armut vermag der Erkennende den Dingen Raum zu geben, sich tiefer auszusprechen, denn „<i>ohne ihn gäbe es „Welt“ oder Weltgeschehen nicht“</i>(1). Eine Welt ohne Mensch sei, so Kühlewind, auch nur eine Vorstellung des Menschen. </p><p>Der Dualismus entspringt der Absonderung des menschlichen Erkennens, des Auseinanderfallens von Wahrnehmen und Denken- was Rudolf Steiner in der Philosophie der Freiheit so ausdrückte: „<i>Wir sind es selber, die wir uns von dem Mutterboden der Natur loslösen, und uns als „Ich“ der „Welt“ gegenüberstellen.“</i> (2)</p><p>Das Erfassen des „<i>Weltgeschehens</i>“ als nicht- dualer, meditativer Zustand sei, so Kühlewind, weder durch Sentimentalität noch durch Mystik zurück zu gewinnen. Aber auch nicht durch Informationen, und seien sie mystischer Art. Das Wünschen hat noch nie geholfen, aber die Selbstgefühle der Auserwählten des Geistes auch nicht. Das partizipierende Denken der archaischen Kulturen kannte den Dualismus nicht, aber auch nicht die Autonomie der Moderne: „<i>Im archaischen Bewusstsein war, extrem ausgedrückt, kein Gegenüberstehen, kein Erfahren, kein Selbstbewusstsein, sondern ein Mitleben in geistiger Sympathie“</i> (1). Der erkennende Geist, der sich selbst nicht erfasst, wird doch im Augenblick des Erkennens eins mit dem Erkannten- er verpasst den Moment und damit sich selbst: </p><p>„<i>Man wird an Aristoteles erinnert: «Anima quod-dammodo omnia - Die Seele ist in bestimmtem Sinne alles Seiende» (De anima III, 8; 431 b) - ein Satz, der im großen Werk von Thomas von Aquin in vielen Variationen zu lesen ist. Denn die «Wahrheit der Dinge» sagt nicht nur aus, dass die Dinge Sinn, Bedeutung, Aussage sind, sondern dass die menschliche Seele zu diesem Sinn, dieser Bedeutung, dieser Aussage Zugang hat, sie erfahren kann und auch darüber weiß, das heißt auf dieses Verhältnis schauen kann. Indem sie erkennt, wird sie - mindestens für einen Augenblick - das, was sie erkennt. Und nur dieser Augenblick zählt; in ihm wird die Unterbrechung des Weltgeschehens geheilt, und die Welt lebt in und aus diesen seltenen Augenblicken, überlebt die Unterbrechungen - Aletheia heißt auch Ununterbrochenheit.</i>“ (1)</p><p>Die Heilung der zersprungenen Beziehungen - des Weltgeschehens- im meditativen Akt geschieht nur in den besonderen Augenblicken des weichen Willens, der sanften, Raum lassenden Fokussierung- doch der Moment des Gewahrwerdens im Erkennen bleibt. diese Intuition, in der das Erkennen transparent wird ist eine Fähigkeit, die ein Aspekt des Ich wird. Von diesem Augenblick an wird "Üben" zu etwas anderem- es wird zum Grundbedürfnis, zu etwas, was einen anhaltenden Durst stillt, zu einem Moment des Friedens mit der Welt. </p><p>_____________________</p><p><br /></p><p>1 GK Die Esoterik des Erkennens und Handelns in der Philosophie der Freiheit und der Geheimwissenschaft Rudolf Steiners, S 62f</p><p>2 RS PhdFr, 33</p>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-66223337380126809602024-01-20T15:44:00.003+01:002024-01-20T15:44:38.272+01:00Zur Esoterik des Denkens und Handelns nach Georg Kühlewind. Die spirituelle Ökonomie<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEj66_riQ4mdCx2T51mLzVJ0ICx_2aIuNYeh0JdKoNnt3zlbMPEzE5iBaJZRBwk4y7Jf8M2Cou7TBeH-17JMk0FODe0jedc2qxpI7HfeZ7Zpy0VqzcbXTSIR9lmLjiuZy6rOS_83Lw0CaAW2E2aAmN8MEDhxBu89wT5XXRvCPxVbc3DfXzrWeRw75Fc_qrUc" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img alt="" data-original-height="1344" data-original-width="768" height="240" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEj66_riQ4mdCx2T51mLzVJ0ICx_2aIuNYeh0JdKoNnt3zlbMPEzE5iBaJZRBwk4y7Jf8M2Cou7TBeH-17JMk0FODe0jedc2qxpI7HfeZ7Zpy0VqzcbXTSIR9lmLjiuZy6rOS_83Lw0CaAW2E2aAmN8MEDhxBu89wT5XXRvCPxVbc3DfXzrWeRw75Fc_qrUc" width="137" /></a></div><br /><br /><p></p><p>Wahrscheinlich fühlt es sich ungewohnt an, diese anthroposophische, intellektuell wirkende Art der Vorbereitung ernsthafter Meditation- vor allem, wenn sie sich einem Gedanken widmet wie hier bei Georg Kühlewind so formuliert:</p><p>„<i>Wenn man einen Gedanken «beobachtet» - das vergangene Denken, das, im Gegensatz zu den Gefühlen, in seiner Vergangenheit <u>bleiben*</u> kann -, wenn man das Gedachte beobachtet, gewinnt man erstens den Eindruck: Es ist da, unabhängig von seiner Erscheinungsform, von den Worten, vom Satzbau und so weiter, es ist eine Wirklichkeit.“</i> </p><p>Vielleicht ist die Erfahrung wesentlich, dass die Objektivierung eines Gedankens - das aufmerksame Gegenüberstellen und aktive Analysieren - sich immer auf ein vergangenes Denken bezieht- die Aktivität liegt in der Betrachtung, während das beobachtete Objekt - der Gedanke- zunächst fest umrissen, fertig, vergangen wirkt. Je mehr man sich im vor- meditativen Denken - über- das- Denken allerdings beschäftigt mit dem objekthaft scheinenden Gedanken, desto größer und weiter wird der Kontext, dem der Gedanke entsprang und - seiner Bedeutung nach- entspringt, desto umfassender und genereller wird sein Sinn, seine Abgrenzung, der kulturelle Hintergrund. Der Gedanke erscheint als Zuspitzung einer aus einem weiten Umfeld entsprungenen sinnstiftenden Intention, die in einer bestimmten Situation und in einem bestimmten Kontext diese Form angenommen hat. Manchmal kann man denn kulturellen Hintergrund, die Herkunft, die Widersprüchlichkeit, die Brüche eines Gedankens erkennen, wie viele Menschen er bewegt, zu welchen Revolutionen oder Umbrüchen er beigetragen hat. Dieser Gedanke, den ich betrachte, entspringt einem Feld von Bedeutungen, Sinngebung und Zweck, bewirkt Widerstände, war vielleicht einmal Symbol, Status, ja hatte einen Anteil an der Geistesgeschichte. Insofern ist der betrachtete Gedanke „eine Wirklichkeit“. </p><p>So kommt man an den Punkt, vorwärts und rückwärts, allgemeiner und spezifischer diesen Gedanken in seiner spezifischen Ausformung zu sehen, wobei der große Impuls, die Intuition, der Kontext und die Verbindung mit dem Menschen selbst zumindest aufleuchtet: Aber es gibt auch die Zuwendung zu sich selbst, zur beobachtenden Instanz, dem Denken des Denkenden, denn in der meditativen Betrachtung ist die Aktivität selbst, der Grad der Konzentration und Hingabe immer stärker geworden- eine Aktivität, die als reine Gegenwärtigkeit im Geist erfahrbar wird, sofern die Betrachtung ihrer selbst gewahr wird: „<i>Mit dieser Beobachtung beginnen die Schritte <u>rückwärts</u>, in Richtung des Entstehens des Gedachten; die beobachtende Instanz <u>ist</u> schon, wenigstens für Augenblicke in der Gegenwärtigkeit.</i>“</p><p>Mit diesem Umwenden auf die Aktivität selbst sinkt das meditative Erleben in eine körperlose Präsenz, die zugleich mit einer gewissen Selbstvergessenheit einhergeht: „<i>Wird die Bewegung rückwärts intensiv genug, so kommt man zum <u>Denken</u>, zum Prozess, das heißt in die Gegenwärtigkeit der Intuition.</i>“</p><p>Die Intensität, die einsetzt ist spürbar und typisch; sie besitzt eine gewisse Dichte, die später wiedererkennbar wird. Man kann dabei „die Zeit vergessen“, fühlt sich nicht über die Sinne angesprochen, ist in der Wirklichkeit reiner Aktivität. Intuitiv ist auch klar, dass diese Intensität keinen Anfang und kein Ende kennt, dass die Produktivität der Beginn des Eintauchens in eine schaffende Welt ist, die den Kernbereich menschlichen Seins ausmacht. </p><p>Glücklich, wer in dieser Hingabe die wie von außen einsetzenden Licht- Wellen erkennen kann, das Eintauchen in ein typisches Pulsieren, in dem sich die intuitive Lichtwelt zu erkennen gibt und nah und näher an das Ich heran kommt. Die wirkliche Meditation beginnt an diesem Punkt, an dem das Licht, das die atmende, lebendige Seite des Geistes darstellt, tatsächlich konstituierend in den eigenen Organismus eintritt: Manna, Nahrung, konstituierende Erkenntnis. Wenn es denn möglich sein sollte, setzt die Erfüllung an der Stirn ein, pflanzt sich durch die Chakren fort, als Teil der Kundalini- Erweckung, aber in der beschriebenen spezifischen Richtung. Auch dieses - wie der Umgang mit den Chakren- ein vorübergehendes Phänomen, dem der Übende nach einer gewissen Zeit keine Aufmerksamkeit mehr schenkt. Die spirituelle Ökonomie gebietet, nicht solchen Phänomen zu viel Platz zu gewähren.</p><p>Aber das Zurücklehnen, Anschauen, Erfülltwerden und die Hingabe können auch andere Ebenen berühren und in das Erfahrungsfeld hinein bringen,- immer im klaren Licht des Erkennens und in der Transparenz des Lichts- im - Licht: „<i>Setzt man die Bewegung fort, dann erlangt man das noch größere Licht des <u>Fühlens</u>, eine Wolke des erkennenden Fühlens, den Ursprung des Denkens, aus dem der Gedanke geworden ist. In diesem Produkt, in seinem blitzartigen Zustandekommen wirkte diese Gefühlswolke mit</i>.“</p><p>Nun sind an diesen Nahtstellen viele Möglichkeiten da. Es ist kein lineares Geschehen, und nicht einmal die Imaginationen bleiben die gleichen. Es bleibt ein Empfinden, nah an einem Geschehen zu sein, das sich wie Wolken ballt, ein Blütenmeer, ein sehr sinnlich erlebter Quell, ein süßer, verheißungsvoller Duft nach Frühling- kurz, das, was einst als Kore, die Frühlingsgöttin, Demeter Göttinnen- Gestalt hatte. Die Bilder, die diese Stelle begleiten können, können auch eine gewisse Zeit wie ein festes Signal oder Ritual Bestand haben- aber dann doch wieder verschwinden. Ich habe Jahre lang, wenn es überhaupt hierhin kam, inmitten einer in sich entspringenden Wolkenwand gestanden, was dann wieder vollständig verschwand. Es gibt auch eine spirituelle Ökonomie, nicht zu sehr an Imaginativem oder an Ritual und Gewohnheit zu hängen, denn dies sind halt doch nur Begleiterscheinungen. </p><p>Wichtiger ist das „<i>größere Licht des Fühlens</i>“ als solches zu erfahren- denn diese „großen“ Empfindungen liegen so nah am Kern des Wesens und der Erkenntnis, dass es sich um eine ganz andere Kategorie als das schattige Alltagsgefühl handelt- es sind auch keine Empfindungen, die ein Mensch "hat", sondern solche, in die er eintritt; das erkennende Fühlen ist ein substanzielle Macht, die durch die eigene Mitte verläuft- ja, diese Mitte ausmacht, aus dieser Mitte in weitem Umkreis ausstrahlt. Das Gewichten, Verstehen, Verdichten des Denkens entspringt diesem Empfinden. Ohne eine Verankerung des Wesens in dieses abwägende Fühlen ist das Ich auf hoher See jeder Ideologie ausgeliefert. Man kann sich nur immer wieder - in der absoluten Leere- der Nähe zu diesem inneren Strom vergewissern. Diese kann begraben, verschüttet, entstellt, korrumpiert sein. Es gibt keine Sicherheit. Es gibt keinen Besitz. Es gibt nur - vielleicht- die Sehnsucht, den Wunsch und Willen, sanft und wahrhaftig zu werden und in diesen Situationen zuzulassen, dass das helle Fühlen in meiner Mitte ein wenig vernehmbar wird.</p><p>Und dann der weite Blick, tief hinunter ins Tal- ein unverstelltes Schauen in das noch unaufgelöste Wesen, das Keimgebiet, die vollständige Ungeborenheit, die noch keine Gestalt angenommen hat: „<i>Schreitet man noch weiter rückwärts, gelangt man zu einem Willenskeim, der die fühlende und denkende Gestalt noch aufgelöst in sich trägt, zu einem Licht-Willen, in dem sich zu artikulieren, autonom sich zu bewegen und zu gestalten das menschliche Ich einen langen Weg der Fähigkeits- Entwicklung und der Stärkung zurücklegen muss</i>.“ </p><p>Und selbst diese Perspektiven, die Kühlewind aufzeigte, sind nur die Anfänge, die er mit Hilfe der Anthroposophie skizzierte: </p><p>„<i>Der Weg endet hier nicht, er erstreckt sich weiter nach oben. Der einzelne Gedanke ist immer ein <u>Teil</u> des nach oben hin sich fortwährend ausbreitenden universellen Lichtes. Je höher der menschliche Geist wahrnehmungsfähig wird, umso allgemeiner wird die Sinnesgestalt, bis zu dem obersten Punkt, wo alles in einem Augenblick «verständlich» wird, die ganze Welt in ihrer räumlichen und zeitlichen Mannigfaltigkeit, wo Gegliedertheit und Einheit zusammenfallen und ungestört nebeneinander bestehen.</i>“</p><p><br /></p><p><br /></p><p>_________</p><p>Alle Zitate aus Georg Kühlewind Die Esoterik des Erkennens und Handelns in der Philosophie der Freiheit und der Geheimwissenschaft Rudolf Steiners, S. 47f. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2009</p><p>*im Original nur kursiv gesetzt</p><p><br /></p>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-62720027271078733252024-01-05T13:34:00.003+01:002024-01-05T16:36:54.086+01:00 Ole Nydahls Bardo nach dem Tod - "Crazy Wisdom"<p><br /></p><p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEi-V4wpAn2NBuh6tijGW61VcGc8P8dFxJhmAr2Kwrc16eBq9WwUu5yaBixRb-LZ15YVUsmW5sc4eBN6Bd55lz4VIgRO09MnU2vrIygyRi2ai8JOsWIoXjI-rHcD3OkD1XW9UjKxKtwrXdX-yCRTVQjy7O3CcnIYwgR6ksfpnxmrRtvgSN2emAKdojF7r3C_" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img alt="" data-original-height="4864" data-original-width="3328" height="240" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEi-V4wpAn2NBuh6tijGW61VcGc8P8dFxJhmAr2Kwrc16eBq9WwUu5yaBixRb-LZ15YVUsmW5sc4eBN6Bd55lz4VIgRO09MnU2vrIygyRi2ai8JOsWIoXjI-rHcD3OkD1XW9UjKxKtwrXdX-yCRTVQjy7O3CcnIYwgR6ksfpnxmrRtvgSN2emAKdojF7r3C_" width="164" /></a></div><br />Ole Nydahls buddhistisch- lamaistischer Weg in ein befreites, zumindest angstfreies Sterben (1) zeichnet zugleich und notwendigerweise die Anleitungen eines sehr traditionellen tibetischen „Diamant“ - Weges der Meditation nach. Notwendigkeit dazu ist ein reales, tiefes Meditieren, ein Vertrauen in bestimmte Bilder oder sakrale Gegenstände -wie den schwarzen Hut des Karmapa-, eine sanfte, zurückhaltende, aber auch ehrliche und produktive Lebensführung, und -eventuell- die Begegnung mit und Segnung durch einen Lama. <p></p><p>Eine hingebungsvolle, umfassende Gefolgschaft gegenüber einem geistigen Lehrer wie Ole Nydahl würde den Sterbeprozess und das nachtodliche Leben in den verschiedenen Stufen zumindest deutlich erleichtern- so stellt er es da. Auf der anderen Seite ist der dänische Lama Nydahl selbst umstritten, seine Bewegung von Austritten ranghoher Mitglieder und Lehrer geprägt, die die radikale politische und offen rassistische Positionierung des Lama mit dessen fortschreitender Alzheimer- Erkrankung erklären: „A rather strange atmosphere of panic has risen everywhere among the followers of Ole Nydahl. Quite a lot of them deceive themselves in thinking, that he is not sick, but display ‘crazy wisdom’. This is in itself a tragedy within the tragedy. And a lot of people have become ridiculous in the eyes of the world.“ (2)</p><p>Wie so oft, liegt das Heikle aber auch in den okkulten Karma- Betrachtungen Nydahls, der einige kausale karmische Folgen mit rassistischen Untertönen aufzählt, die ich aber hier nicht ausführen möchte.</p><p>Insgesamt hat die Lehre, in deren Mittelpunkt das Sterben auch als Möglichkeit zur Vollendung steht, viele rationale und pragmatische Züge. Schließlich ist die Welt des Baldo, in der jedes Individuum nach seinem Tod eintritt, weder durch Götter, Engel oder Teufel geprägt, sondern stellt eine Ausstülpung, eine Blase des Denkens, Fühlens und Handelns des Individuums selbst dar, das dieses jetzt, ohne leibliche Sinne und Rückmeldungen eines Körpers, als seine „Welt“ wahrnimmt. Innen- wird zur Außenwelt, wenn die Sinneswelt entfallen ist. Je illusionärer, gieriger, verlorener das leibliche Leben geführt wurde, desto bedrückender oder verrückter die Blase. Chronische Lügner sind praktisch wie in einem Panzer gefangen. </p><p>Aber jede seelische Eigenheit erzeugt ihre eigene Hölle, und Nydahl kennt sie offenbar alle. Er beschreibt sie auch gern und breit, bis in die Winkel ihrer Eigenheiten. So schildert er die scheinbar himmlischen Freuden der Gutmenschen, die ihr Leben in Fürsorge für Andere geführt, aber dabei ihr Ego gefüttert und Eitelkeiten entwickelt haben: Diese Eitelkeit führt in ein leibfreies Bardo, in der sie unendlich gesteigert wird, um ein kitschiges Pseudo- Himmelreich zu schaffen, das scheinbar endlos und zeitlos der guten Seele jeden Wunsch erfüllt. Selbst in der Hölle des ewigen Bauchpinselns kommt aber der Moment, in dem sich der Gutmensch frage, ob es das nun gewesen sei. Dann wird ihm Einblick gewährt in ein kommendes Leben, das so gewöhnlich ist wie das von Milliarden anderer Menschen, und der glamouröse Palast der Eitelkeiten fällt in sich zusammen. Diese Art von Selbstbegegnung des Toten, die etwa zehn Tage nach dem tatsächlichen Versterben einsetzt, und die eine Phase des Kamaloka - der Selbsterkenntnis und Selbstablösung- darstellt, schildert Nydahl anschaulich und interessant. </p><p>Es gibt einen Berührungspunkt zwischen dem Bewusstsein im Körper und dem nach dem Verlassen des Körpers; das Selbst- Gewahrwerden in der meditativen Tiefe ist nach Nydahl eine Erfahrung der Präsenz, eines ewigen Bewusstseinskerns, der in der Aufmerksamkeit lebt und eigentlich nicht ich- bezogen, nicht körper- abhängig und frei von Bildern und Zuschreibungen des Ego ist. In dem Augenblick des Gewahrwerdens erscheint ein wie von außen kommendes Licht, in das der Meditierende hinein fließen kann- eine Todes- Erfahrung am meditativen Scheideweg, in der absoluten Stille. Nydahl schildert das so: „The best preparation for this moment is having confidence in the teaching and practicing the melting phase in daily meditation. If one succeeds in dwelling in the naked awareness of the experiencer and simply being “the perception itself,” undisturbed by mixed feelings, expectations, or sensory impressions, this is a first-class preparation for extending the arising Clear Light into the boundless, twenty to thirty minutes after the last breathing-out. Devotion and trust in enlightenment here give power, and whoever can stand for himself, because he thought, said, and also did the same thing and matured beyond-personally through love, has the opportunity in the intermediate state to realize the true nature of mind and ultimately to dwell in the so-called Truth State of mind.“ Nydahl spricht an dieser Stelle tatsächlich vom erfüllten, bewussten Sterben. Die Meditation muss aber im Körper über längere Zeit angelegt, geübt und vertieft worden sein, um das „Schmelzen“ des Ich und das Empfangen des Lichts in sich zu ermöglichen und zu pflegen. </p><p>Andere, spezifisch für den Sterbenden angelegte Meditationen wie der schwarze Hut des Karmapa führen über Symbole wie Sonne und Mond in den weiten schwarzen Raum des Kosmos hinein- eine Weite, die ein Mensch ohne Übung und Gewöhnung nicht ertragen kann. In diesem Sinne sind alle Meditationen notwendige Übungen hinein in das Unabwendbare- das, was die eigentliche körperlose menschliche Existenzform darstellt. </p><p>Der strenge, oft harsche Lama Nydahl verbindet mit den meditativen Übungen bestimmte seelische Haltungen wie Realismus, Engagement und strikte Ehrlichkeit- auch gegenüber sich selbst. Das Sich- Drücken vor unangenehmen Fakten und das Fliehen in Ausflüchte führt zu grundsätzlichen Hindernissen, selbst wenn jemand meditativ geschult in die Todeserfahrung ginge: Eine solche Person würde das Licht nur als destruktiven Blitz nach langer Dunkelheit erfassen können: „Whoever lived with little consciousness, then experiences only a terrifying flash of one's inherent wisdom after the darkness. Living without conviction and other kinds of cowardice are hereby fundamental obstacles for any realization, as is the tendency to hide from unpleasant facts or to leave the problems to the offspring.“</p><p>Für die völlig Ungeübten (oder die, die nur von geistigem Leben geredet, aber es nicht praktiziert haben), ist die Wahrnehmung des Lichts nach dem Tod eine Tragödie, eine nicht zu ertragende Erfahrung, da diese Unmittelbarkeit, Weite und Transparenz für ein nur in sich bespiegeltes Bewusstsein schlicht nicht auszuhalten ist: "In short, the experience of the timeless Clear Light is often so unfamiliar and powerful for non- meditators that they cannot stand it. If in death one backs off from the automatically enlightened vastness of space and its radiance, a deep unconsciousness, similar to a huge wave, crashes over one.“ Die ungeteilte Wahrhaftigkeit, das Bestehen- Können im non- dualen Strom des Bewusstseins, das Abschälen der Selbstbilder, die vollständige Nacktheit muss man ertragen lernen- ansonsten werden die Kräfte des illusionären Unterbewussten mit aller Dunkelheit über den Verstorbenen hinein brechen.</p><p>In der Praxis, Verbindung zu schaffen zwischen meditativer Übung und dem nachtodlichen Gehen durch das Bardo gibt es auch noch ein wichtiges Element, die Welt der (in diesem Fall buddhistischen) Symbolwelt so zu verinnerlichen, dass diese im leibfreien Zustand nach dem Tod auch ohne sinnliche Umwelt vor Augen stehen und als Begleiter und Orientierung dienen kann, und zwar im Bewusstseinslicht selbst: „It is more important that one meditates on a particular buddha form during life, repeats his mantra, and enjoys the building-up phase. In the intermediate state of suchness this buddha form will manifest as a self-arisen expression of mind. One doesn't have to imagine it anymore. It is the directly shining experience (the Clear Light of the Joy State). If one has recognized it, one melts with it and thus gains liberation.“ </p><p>Man möchte ergänzen, dass es nicht Mantren und Symbole sein müssen- es gibt auch ein meditatives Flair, ein Gefühl des Flows, eine Würze oder eine unbestimmbare, Glück verheißende Süße, die einfach tragend und typisch sind. Möglicherweise haben Menschen ganz unterschiedliche „Flairs“ - ein Wittern und Empfinden, dass der Wind eingesetzt hat und das Boot in die richtige Richtung treibt. Apropos Wind: Ole Nydahl betont auch an dieser Stelle, wie schädlich Wankelmütigkeit, Fähnchen nach dem Wind richten, Unaufrichtigkeit im realen Leben sich auf den Toten und seine geistige Blase auswirken. Auch das Loslassenkönnen von diversen schmerzhaften Erfahrungen und Gefühlen gehört dazu, denn man hängt dann nicht daran wie mit Ketten gefesselt, es ist unpersönlich geworden: „Now it depends on which impressions one has collected in the past life in one's store-consciousness and, above all, whether one has honestly stood by one's convictions. It is also important how well one has learned to let experiences pass by and to see them as beyond-personal.“</p><p>Insgesamt aber gilt, dass das emotionale Setting, mit dem man sich im Leben umgibt, einen nach diesen Lehren nach dem Tod nicht nur begleitet, sondern komplett umhüllt. Zudem hat die eigene geistige Unreife, dieselbe Note, was Geschmack und Geruch betrifft: Unreife und Verwirrung strömen den spezifischen Dunst aus, den sie auch zu Lebzeiten hatten: „The mental confusion has exactly the same emotional tone as in the last life.“ Die treibenden Kräfte hinter den persönlichen Dramen sind die, die Nydahl immer wieder nennt: Bequemlichkeit, Schuldverschiebung, Kopf-in-den-Sand-stecken: „The constant striving for happiness, wanting to avoid pain, clinging to what is pleasant, and having to endure what is unavoidable—all of this keeps the mind occupied.“ Das davon „besetzte Bewusstsein“ lässt es zu, dass die herrschenden emotionalen Muster das Individuum auch nach dem Tod gefangen halten. Diese sind breit gefächert, von der Wut bis zu Besserwisserei und Stolz: „pride and always knowing better, jealousy and resentment, desire and attachment, confusion and dullness, as well as the realms of stinginess and greed and the whole range of aversion, anger, and hatred.“</p><p>Lügner, Herdentiere und Menschen, die brav über jedes Stöckchen springen, sind in Lama Ole Nydahls Panoptikum Vertreter der ersten und größten Hölle: „Whoever consciously lied during the last life to harm others, always stayed calculating in his opinions, and followed the herding instinct, or only strived for the stupidest and roughest stimuli, without using the possibilities of mind, will after death not be able to cope with the vastness of space and its impressions, which appear as images.“ </p><p>Ansonsten gilt hier wie da drüben die einfache buddhistische Regel: „Confusion brings little joy after death.“</p><p>In diesem Sinne: Gute Reise! </p><p><br /></p><p>_____________________</p><p>1 Fearless Death - Buddhist Wisdom on the Art of Dying by Lama Ole Nydahl o.S. Leider liegen bei meiner Kindle- Buchausgabe keine Seitenangaben vor</p><p>2 Lama Ole Nydahl suffer from severe Alzheimer dementia in https://www.tilogaard.dk/english/html/Ole_Nydahl_suffer_from_severe_alzheimer.html</p><div><br /></div>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-88096948692220116952023-12-20T16:07:00.012+01:002023-12-20T17:00:36.377+01:00 Anthroposophie als spiritueller Kundendienst und der Umgang mit dem Irrtum<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEjpGKlQ_7w8tokkSggD3yAuWEMJimOSLgPVeen74XeEjpNfNYQCQ9_J-IU6sM6TQNiXTJ4uHBbHONZzAwZtB2UdNgGuhxmYq6F3mwa1SAzn6bUY772293Ns9GFSua4eKPjh-JKe-9J5h6MiQ-UIYHiabqdoYMR2lV2WoR3aGavkzNCM2iz_g-9GptSTv3ek" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img alt="" data-original-height="4864" data-original-width="3328" height="240" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEjpGKlQ_7w8tokkSggD3yAuWEMJimOSLgPVeen74XeEjpNfNYQCQ9_J-IU6sM6TQNiXTJ4uHBbHONZzAwZtB2UdNgGuhxmYq6F3mwa1SAzn6bUY772293Ns9GFSua4eKPjh-JKe-9J5h6MiQ-UIYHiabqdoYMR2lV2WoR3aGavkzNCM2iz_g-9GptSTv3ek" width="164" /></a></div><br />Am Ende des Jahres mag man ja mal räsonieren, zurück blicken, von sich abrücken und überlegen: Habe ich irgendwie falsch gelegen? Eventuell fundamental? Die Antwort wird, wie es Kathryn Schulz in <i>Being wrong (1) </i>artikulieren würde, wahrscheinlich eine eingeübte Strategie in Schuldverschiebung, Relativierung oder Leugnung sein. Selbst die Bereitschaft, solche Fragen zuzulassen, kann eine trickreiche Variante der Selbstüberrumpelung sein, ein lange trainiertes Modul in den Manövern des sich selbst erhaltenen menschlichen Systems, das sich Ich nennt. <p></p><p>Kathryn Schulz gehört übrigens zu der Redaktion des The New Yorker (2) (3) und hat gerade ein neues Buch- einen Erinnerungsband - Lost and Found (4) - veröffentlicht. </p><p>Es geht in dem Buch also um unseren schwierigen Umgang mit Irrtümern, um die Fähigkeit zur Selbstkorrektur und um große, bedeutende und alltägliche Geschichten unseres Scheitern darin. Es gibt - so Schulz- einen generellen humanen Normalzustand, in dem jeder von sich selbst annimmt, „that we are basically right, basically all the time, about basically everything: about our political and intellectual convictions, our religious and moral beliefs, our assessment of other people, our memories, our grasp of facts.“ (1, o S) Die Annahme, religiös, moralisch, in den Beurteilungen Anderer, in der Übersicht über unsere Erinnerungen generell richtig zu liegen, ist also nur eine Seite- im Hintergrund setzen wir auch voraus, dass unser „Erfassen der Fakten“ (our grasp of facts), also die Auswahl dessen, was wir verstehen und wie wir es einordnen und verstehen, korrekt und realitätsnah ist. Diese Grundannahmen haben aber auch eine psychologische Seite. Sie sind Teil einer Selbstvergewisserungs- Strategie. Im Gegensatz dazu sind Irrtümer das, was das System Ich aus seiner dauernden Selbstvergewisserung heraus zu bringen in der Lage ist- Irrtümer lassen Veränderung und Neuorientierung zu oder stoßen sie an: „And far from being a mark of indifference or intolerance, wrongness is a vital part of how we learn and change.“ (1 oS) </p><p>Die Erfahrung, zu irren oder sogar fundamental falsch gelegen zu haben, ist aber - ähnlich wie der Tod- nichts, was man sich in irgend einer Weise herbei wünschen würde: „As with dying, we recognize erring as something that happens to everyone, without feeling that it is either plausible or desirable that it will happen to us.“ (1)</p><p>Vor allem, wenn es um die ganz großen Irrwege geht, gibt es keine Ratgeber oder bekannte Strategien zur Bewältigung eines solchen Verlustes: „By contrast, if you commit an error—whether a minor one, such as realizing halfway through an argument that you are mistaken, or a major one, such as realizing halfway through a lifetime that you were wrong about your faith, your politics, yourself, your loved one, or your life’s work—you will not find any obvious, ready-to-hand resources to help you deal with it.“ (1) Die Verluste, um die es geht, sind so fundamental wie Partnerschaft, der Glaube, die politische Überzeugung oder der Beruf. </p><p>Diese Infragestellung dessen, was alltäglich oder fundamental ein Fehler sein könnte, vermeiden wir aber im allgemeinen nicht nur, sondern gefallen uns auch in einer rechthaberischen Selbstbestätigung im Konstatieren der Fehler anderer - „Ich habe es dir ja gesagt“ (5). Darin liegt der Triumph des Rechtgehabthabens, eine kurze, rauschhafte Selbstvergewisserung. </p><p>Es gibt auch einen Sonderfall, einen Saulus- Paulus- Effekt, in dem man zugestehen muss, einem Irrtum oder sogar Irrglauben angehangen zu haben, diesen nun überblickt und akzeptiert und sich dabei fühlt als der Aufklärer im eigenen Haus: Man ist nun nicht mehr im Irrglauben, da man diesen überblickt. Man hat die innere Seite gewechselt, ist aber, relativ zum ehemaligen Irrglauben, nun doch wieder im Recht. Das ist offensichtlich ein Fall für die eigene Selbstintegrität. Schulz beschreibt das mit „we can be wrong, or we can know it, but we can’t do both at the same time“ (6).</p><p>Das alles erklärt, warum sich Schulz in so vielen Facetten und Anekdoten - auch in fatalen Fehldiagnosen z.B. Freuds- um das Thema des Irrtums und des persönlichen und gesellschaftlichen Umgangs mit ihm herum bewegt: Das Rechthaben und das Nicht-Rechthaben ist für jeden Menschen ein existentielles Dilemma (7). Das gilt, nach Thomas von Aquin, sogar in spiritueller Hinsicht, da die Möglichkeit des Fehlens unsere existentielle Entfernung von Gott definiere (8). Auf jeden Fall liegt die Gewissheit absoluter Wahrheiten jenseits der Schwelle unserer Erkenntnis- Möglichkeit, solange wir als biologische Hybrid- Existenzen von dauernder Selbstvergewisserung abhängig sind: Irren ist menschlich, gewiss, aber doch immer das der anderen. „In sum: we love to know things, but ultimately we can’t know for sure that we know them; we are bad at recognizing when we don’t know something; and we are very, very good at making stuff up.“ (9)</p><p>Spricht man vom Fabulieren, denkt man unvermeidlich an die Mythen, Legenden und Geschichten, die Verschwörungstheoretiker jeder Couleur heraus senden, und die das Fortsetzen, Ausweiten, Aufblähen der individuellen Selbstvergewisserung des Ego darstellen: „And confabulation has another thing in common with literature as well: both are manifestations of our unstoppable drive to tell stories that make sense of our world.“ (9) Die Geschichte, die man über sich selbst erzählen möchte, soll der Schlüssel für das Erklären der Welt selbst sein. Der Drang, die nicht zu stoppende Manie, die Welterklärung laut, durch die Netzwerke hindurch, anderen zu vermitteln, ist die andere Seite, ein letztlich spirituell rechtschaffenes, zur Wahrheit und zu Gott begabtes Wesen darzustellen- eine Angelegenheit, die wieder und wieder verschleiern soll, wie unsicher unsere Verankerung selbst in den eigenen Erinnerungen ist: unsere Selbst- und Weltbilder sind auf dünnem Eis gebaut (10). Dies schon deshalb, weil wir die Kluft zwischen unseren Selbst- und Welt- Erklärung- Modellen und der anderer manchmal schwer ertragen.</p><p>Schulz unternimmt einen weiten Exkurs zu einer adventarisch - apokalyptischen Sekte des frühen 19. Jahrhunderts, die weit über die USA verbreitet war und an einem bestimmten Tag das Ende der Welt verkündete. Bestimmte Kleidervorschriften für den letzten Tag waren obligatorisch, viele Anhänger verkauften ihre Güter, verschenkten ihr Hab und Gut und erwarteten das Unvermeidliche - das dann nicht eintraf. Schulz interessieren vor allem die Reaktionen und Erklärungsmodelle, von denen viele auch deshalb überliefert sind, weil die Advents- Glaubensgemeinschaft bis heute besteht. Die Verdrängungs- Strategien waren vielfältig, von Schuldzuweisung bis hin zu Zeitverschiebungen- man versetzte das Datum für das Ende einfach immer weiter in die Zukunft. Für einige aber - darunter vielleicht auch die, die alles fortgegeben hatten, selbst den sie erfüllenden Glauben- war ihr Irrtum, einem solchen Kult anzugehören, sehr schwer zu verkraften. </p><p>Das ist der Punkt, wenn man seinen Glauben verliert, oder einen Kult verlässt, oder verstossen wird: Es ist eine sehr umkomfortable Situation: „This is the terrain of pure wrongness—the abyss we find ourselves in when a belief of ours has fallen apart and we have nothing on hand to replace it. This is not an easy or a comfortable place.“ (1) Denn, wenn ein ganzes Koordinatensystem an festen Vorstellungen zerbricht, muss sich eine Person tatsächlich und buchstäblich neu erfinden, da ihre Identität zerbrechlich geworden ist: „In the face of radical error, it isn’t just the world that suddenly seems uncertain, unknown, and new; it is also the self.“ (1) Nur wer diese Trauer kennt, buchstäblich um die eigene Identität, kann die Schwierigkeit einer solchen existentiellen Krise nachvollziehen:; „When we are stuck inside the space of error, then, we are lost twice over: once in the world, and again in ourselves.“ (1)</p><p>Und natürlich gibt es auch die mögliche positive Seite, frisch aus den Trümmern der eigenen Narrative und Selbstbilder aufzuerstehen: „This is the thing about fully experiencing wrongness. It strips us of all our theories, including our theories about ourselves.“ (1)</p><p>Außerdem sieht Schulz die Trauer um ein verlorenes Welt- und Selbstmodell ebenso wie Trauer um enttäuschte Liebe auch als essentielle emotionale Ausnahmesituationen, in denen man sich bewährt und die auch eine gewisse Reife der ganzen Person gewähren können: „If the ability to admit that we are wrong depends on the ability to tolerate emotion, it is because being wrong, like grieving or falling in love, is fundamentally an emotional experience. Such experiences can be agonizing, but the corny truism about them is true: if you haven’t experienced them, you haven’t fully lived.“ (1)</p><p>Für Randgruppen wie die anthroposophische Gemeinde sind es vor allem die von Rudolf Steiner zeitlich nicht immer ganz präzisen, aber annähernd beschriebenen Wendepunkte wie kurz vor der Jahrtausendwende, die als Prophezeiungen nicht eingetroffen sind. Im Kern ist das für ihn eine apokalyptische Zuspitzung spiritueller Art, in der der Antichrist auftreten sollte, eine Wiedererscheinung Christi im Geiste für viele Menschen sichtbar werde und die anthroposophische Gesellschaft selbst durch ein Reinkarnationswelle früher Mitglieder zu ungeahntem Glanz und Bedeutung kommen würde. Nach dem Ausblieben dieser Prophezeiung zeigten sich bei Mitgliedern typische, auch bei gescheiterten Adventisten übliche Abwehrreaktionen: Schuldzuweisungen an Vorstände, Abspaltungen, kultische Verehrung diverser anderer, alternativer Gurus, langwierige Exegesen, die erklären sollten, warum die Prophezeiungen doch eingetroffen wären, aber zu anderer Zeit oder in anderer Art, und für viele eine Verschiebung der spirituellen Sinnsuche ins politische Feld: Politische Gurus bei YouTube, „Friedensforscher“, alternative Parteien, Anti- Establishment Bewegungen, rechtspopulistische Fanatiker und Verschwörungstheoretiker bedienten das Bedürfnis nach allumfassender Welterklärung. Was früher der Gral, war jetzt die Verhinderung des „Great Reset“, der inneren Entkernung Mitteleuropas durch finstere Materialisten. Die umfassenden Welterklärungen sind nach vielen Seiten deckungsgleich- Rechte wie Linke können unter derselben Decke schmollen, und sie halten es jetzt sogar mit anti- materialistischen Anthroposophen aus. Ja, diese Decke ist so groß, dass womöglich selbst Osama bin Laden darunter gepasst hätte. Groß sind die Emotionen, vor- revolutionär die Stimmung. Von Massakern in den Kriegen lässt man sich nicht umstimmen. Sachliche Kritik festigt nur den Glauben. Hunderttausende von Anhängern folgen ihren Populisten im Internet- TV, fallen aber auch wieder ab und folgen einem anderen. </p><p>Zugleich geht die marginalisierte, eher säkulare Anthroposophische Gesellschaft ihren Weg, schüttelt und berappelt sich und macht weiter. Große Tagungen, große Perspektiven. Es geht weiter. Vielleicht eher als Lifestyle denn als Wagneroper, aber warum nicht? Anthroposophie ist schließlich eine Marke, ein Style, ein spiritueller Kundendienst. </p><p>________________</p><p><br /></p><p>1 Kathryn Schulz, Being Wrong. Adventures in the Margin of Error, o.J. Die Kindle- Ausgabe, die mir vorliegt, beinhaltet leider keine Seitenangaben</p><p>2 https://www.kathrynschulz.com/home#about-kathryn</p><p>3 „Kathryn Schulz is a staff writer at The New Yorker and the author of Being Wrong: Adventures in the Margin of Error. She won a National Magazine Award and a Pulitzer Prize in 2015 for “The Really Big One,” an article about seismic risk in the Pacific Northwest. Lost & Found grew out of “Losing Streak,” which was originally published in The New Yorker and later anthologized in The Best American Essays. Her other essays and reporting have appeared in The Best American Science and Nature Writing, The Best American Travel Writing, and The Best American Food Writing. A native of Ohio, she lives with her family on the Eastern Shore of Maryland.“ s.o.</p><p>4 https://www.kathrynschulz.com/home#lost-found-book</p><p>5 „Witness, for instance, the difficulty with which even the well-mannered among us stifle the urge to say “I told you so.” The brilliance of this phrase (or its odiousness, depending on whether you get to say it or must endure hearing it) derives from its admirably compact way of making the point that not only was I right, I was also right about being right. In the instant of uttering it, I become right squared, maybe even right factorial, logarithmically right—at any rate, really, extremely right, and really, extremely delighted about it.“ 1, oS</p><p>6 „As soon as we know that we are wrong, we aren’t wrong anymore, since to recognize a belief as false is to stop believing it. Thus we can only say “I was wrong.” Call it the Heisenberg Uncertainty Principle of Error: we can be wrong, or we can know it, but we can’t do both at the same time.“ 1 oS</p><p>7 „Error, in that moment, is less an intellectual problem than an existential one—a crisis not in what we know, but in who we are.“ 1 oS</p><p>8 „Thus Thomas Aquinas, the thirteenth-century scholastic, held that we make mistakes because, when we were banished from paradise, we were cut off forever from direct access to divine truth. To Aquinas and many of his fellow theologians, our errors arise from the gap between our own limited and blemished minds and God’s unlimited and perfect omniscience.“ 1 oS</p><p>9 KS oS</p><p>10 „The first is that your brain is generating representations of the world that are only lightly tethered to the real, or even to the possible.“ KS oS</p><p><br /></p><p><br /></p>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-43534837339433354602023-12-14T14:56:00.001+01:002023-12-20T16:07:58.896+01:00Warum sitzt der Maitreya- Buddha auf einem Stuhl?<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhoqsI9J526exr4lhfbvmfP3xLvh-1Twx_CDy0oUBPnVy6vuF3toGlCFLWqmVW5D3xSrD7s9dgyzyrZqIvGKcf7uVWJdRrGhkEl8qFP8gO61gnOMvepQiuseIW6lOPvH5aK-YWuIggzQc75/s1600/maitreya.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhoqsI9J526exr4lhfbvmfP3xLvh-1Twx_CDy0oUBPnVy6vuF3toGlCFLWqmVW5D3xSrD7s9dgyzyrZqIvGKcf7uVWJdRrGhkEl8qFP8gO61gnOMvepQiuseIW6lOPvH5aK-YWuIggzQc75/s400/maitreya.jpg" width="197" /></a></div>
Die Frage des Titels, in einem internationalen Facebook - Forum gestellt, hat schon Substanz, auch wenn sie in der entsprechenden anthroposophischen Gruppe auch wieder zu gruppendynamisch spezifischen Spekulationen geführt hat- Fragen, mit denen sich das vergriffene Buch Thomas Meyers „Die Bodhisattvafrage“* ausschließlich beschäftigt hat. Der Maitreya, der „kommende“ Buddha, berührt sowohl in buddhistischen als auch anthroposophischen Zusammenhängen eine Art Vollendung und Heilserwartung. Rudolf Steiner hat sich vor allem in Abgrenzung zu theosophischer Literatur vielfältig zu Bodhisattvas geäußert. So sei Jeschua ben Pandira um 100 bC eine Art Vorbereiter des Christentums gewesen: „<i>So war gewissermaßen Jesus, der Sohn des Pandira, Jeschua ben Pandira, dazu ausersehen, sich von dem Bodhisattva, der der Maitreya Buddha werden wird, und der hineinwirkte in die Essäer-Gemeinden, inspirieren zu lassen zu solchen Lehren, welche das Mysterium des Christus verständlich machen konnten.</i>“ (GA 123.98)<br />
<br />
Aber der Maitreya werde - so Steiners Prophezeiung - auch derjenige sein, der den auferstandenen und in geistig- lebendiger Form wirkenden Christus in der Zukunft repräsentieren werde: „<i>Es werden Menschen dazu kommen, den Christus zu schauen in seiner Äthergestalt; sie werden die ätherische Erde schauen, aus der die Pflanzenwelt entsprossen ist. Derjenige, der diese Wissenschaft im höchsten Maße besitzen wird, wird der Maitreya-Buddha sein, der in ungefähr 3000 Jahren kommen wird. Gelingt das nicht, dann würde die Erde in Materialismus versinken und die Menschheit müßte von neuem anfangen, entweder – nach einer großen Katastrophe – auf der Erde selber oder auf einem nächsten Planeten</i>.“ (GA 118.90f)<br />
<br />
Es ist deutlich, dass die Figur des Maitreya für Steiner zentral in der esoterisch- anthroposophischen Apokalyptik steht. Es wird in seinen Äußerungen zu diesem Thema auch deutlich, in welchen großen zeitlichen Dimensionen und in welcher Bedeutung er Anthroposophie selbst sieht. Denn so, wie Steiner den „Ätherischen Christus“ Anfang des 20. Jahrhunderts verkündet hat, wird sich in seiner Sicht das Verständnis dafür erst mit dem Erscheinen des Maitreya - also in drei Jahrtausenden - durchsetzen: „<i>So wird die Menschheit immer weiser werden und wird den Christus immer besser erkennen. Sie wird ihn aber erst dann ganz verstehen, wenn der letzte der Bodhisattvas seinen Dienst verrichtet und die Lehre gebracht haben wird, die notwendig ist, um uns zu befähigen, die tiefste Wesenheit des Erdendaseins, den Christus, zu erfassen."</i> (GA 117.145) In diesem Sinne wirke Anthroposophie - in Korrespondenz zum Essäer Jeschua ben Pandira- als „<i>Essäerlehre unserer Zeit</i>“; sie bereite den Maitreya analog zum Wirken Jesu an der Zeitenwende vor: „<i>Und wenn die Essäerlehre in unserer Zeit wieder erneuert werden soll, wenn wir leben wollen, nicht im Geiste einer Tradition von einem alten Bodhisattva, so müssen wir uns eben inspirieren lassen von dem Bodhisattva, der einst der Maitreya Buddha werden wird. Und dieser inspiriert uns so, daß er darauf aufmerksam macht: Die Zeit rückt heran, wo der Christus in neuer Form, in einem ätherischen Leibe, eine Gnade sein wird für diejenigen Menschen, welche durch eine neue Essäerweisheit die neuen Kräfte entwickeln in der Zeit, wo die Wiederkunft des Christus im ätherischen Gewande an die Menschen belebend herantreten wird</i>.“ (GA 123.207f) <br />
<br />
Allerdings fasst Steiner das Phänomen, das so okkult bis religiös- apokalyptisch daher kommt, auf eine Weise auf, die zumindest auch warnt vor den „Messiassen“ und der Vergötterung- also vor einer nur spiritualistischen Auffassung: „<i>Gerade so, wie unterschätzt werden die geistigen Individualitäten, so daß sie nicht anerkannt werden, so ist auf der anderen Seite wieder unter den Menschen das lebhafteste Bedürfnis vorhanden zu vergöttern. Sehen Sie sich überall heute die Gemeinden an, die ihre besondere Messiasse haben</i>.“ (GA 123.206) Der Maitreya werde dagegen - so Steiner- dazu fähig sein, unmittelbar so - in gewisser Weise magisch- auf Menschen zu wirken, dass er „<i>imstande sein wird, durch das Wort selbst Gemütsbewegung und Moral in die Seelen zu übertragen</i>.“ (GA 130.136)<br />
<br />
Es geht beim Maitreya also nicht mehr nur um Lehre, geschweige denn um Selbst- Vollendung. Er wird in gelungenen klassisch- buddhistischen (vor allem japanischen und koreanischen) Darstellungen nicht im Lotos-Sitz und nicht im Zusammenhang mit der Kundalini- Schlange dargestellt, sondern geradezu grazil sitzend; gelassen, rational auf einem Schemel oder Stuhl- etwa auch in <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Gilt-bronze_Maitreya_in_Meditation_(National_Treasure_No._78)" target="_blank">dieser koreanischen Darstellung</a>. Auch wenn er mit rechtem Bein und seinen Armen einen perfekten Kreis - sonnenhaft- bildet, berührt er mit dem linken Bein doch entschlossen die Erde. Seine Haltung mit dem leicht geneigten Kopf erscheint lauschend, aber mit dynamisch nach vorn geneigtem Oberkörper. Symbolisch durch sein Gewand dargestellt, strömt sein Wirken trotz seines leichten Sitzes auf einem ganz normalen Hocker in den Untergrund. Er drückt in diesen Darstellungen, obwohl sie aus dem ersten Jahrtausend stammen, eine sehr moderne Bewusstseinshaltung aus. Der Maitreya scheint dem heutigen Menschen sehr viel näher zu stehen als die klassischen, oft schwerfällig mit dem Lotos verbundenen, mondenhaften Buddha- Figuren. Er hat in seiner grazilen Souveränität auch eine innere Beziehung zur aufrechten Gestalt des Schlangen- Bezwingers Michael. Der Maitreya ist sowohl hingegeben wie souverän, sowohl innerlich wie dynamisch, sowohl erleuchtet wie intellektuell.<br />
<br />
Als ob das alles nicht genug wäre, werden im oben genannten Buch von Meyer allerlei Anekdoten von Bemerkungen Rudolf Steiner tradiert, die gewissen Anthroposophen nahe legten, anzunehmen, der Maitreya sei im 20.Jahrhundert als der katholische Anthroposoph Valentin Tomberg inkarniert gewesen. Wie bei Agatha Christi spekulierte man (Who done it?) über zeitliche Angaben Steiners wie „<i>Rittelmeyer said: In August 1921, Dr Steiner said concerning Jeshu ben Pandira: If we live another fifteen years, we shall be able to experience something thereof. Jeshu ben Pandira was born at the beginning of the century.</i>” (nach Walter J. Stein) Oder: „<i>..concerning a supposed statement of Rudolf Steiner. To a question as to how things are with regard to the coming Bodhisattva, Rudolf Steiner is said to have answered: The Bodhisattva was born at the beginning of the century and is looking with interest at the development of the Anthroposophical Society</i>.” (nach Adolf Arenson).<br />
<br />
Eifrige Spekulierende sind sogar, wie der Stenograf Steiners (Walter Vegelahn) Meyer persönlich berichtet habe, an Rudolf Steiner heran getreten, um zu fragen, ob er vielleicht selbst der Maitreya sei, was dieser schroff verneinte: „<i>The members were eager to know what Rudolf Steiner really meant as to who he is. They consulted with one another and sent a chosen representative, Günther Wagner, to ask Rudolf Steiner about this. And he received the answer: "I am not him." Following this, on the first evening in Berlin Rudolf Steiner summarized all that had taken place in the preceding months. And he also referred to the lectures in Bern. In so doing, he broke off his description and said with an undertone in his voice, "By the way, I would like to add in parentheses to all those who are ever ready to come up with incarnations in their fantasy, that I – in my individuality – have nothing to do with Jeshu ben Pandira.</i>”<br />
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Aber Meyer schürt die Spekulation nach dem Mysterium des Meisters des 20. Jahrhunderts zugleich auch, schon im Untertitel des Buchs und durch das etwas fiebrig behandelte ganze Thema. Vor allem Valentin Tomberg ist, obwohl er sich später doch eindeutig und umfassend von Anthroposophie losgesagt hat, nie das Gewicht solcher Zuschreibungen los beworden. In all dem Sensationellen, zu dem bis heute gewisse Autoren gerne ihr Quäntchen hinzufügen, das Rudolf Steiner durch die selbst erzeugte, aufgeladene Apokalyptik auch angeregt hat, ist die Beschäftigung mit dem Maitreya selbst etwas untergegangen. Im Internet behauptet auch ein selbst ernannter „Meister“ nach dem anderen, eben selbst derjenige zu sein. Die Stille und Eleganz, die subtile Intelligenz dessen, der durch das Wort selbst wirken wird, versinkt gegenüber diesem Lärm aber nur vordergründig. Die Schönheit des Maitreya bleibt davon vollkommen unberührt.<br />
<br />(repost)<br />
___________________ <br />
<br />
*Ich habe die englische Fassung vorliegen: Thomas H. Meyer - Elisabeth Vreede, The Bodhisattva question - Krishnamurti, Rudolf Steiner, Annie Besagt, Valentin Tomberg, and the Mystery of the Twentieth - Century Master, Temple Lodge, London 1993<br />
<br />Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-45012301530442034482023-12-12T10:13:00.000+01:002023-12-12T10:13:05.453+01:00War Rudolf Steiner schwul?<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjxdhzOZ5fk5ZYACJmUS8DG6ZVDN9HQEsbY8S98AlLQHt9R7Y3pwXpl-3UHlly6eoUJLNs16eMerD8punenajruYfCkpJ0AthD75IrmE3-Mc1rI5Jul5HPqqVFfimy-pTLJWOB-s5YInSNi/s1600/anthropotanten.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="448" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjxdhzOZ5fk5ZYACJmUS8DG6ZVDN9HQEsbY8S98AlLQHt9R7Y3pwXpl-3UHlly6eoUJLNs16eMerD8punenajruYfCkpJ0AthD75IrmE3-Mc1rI5Jul5HPqqVFfimy-pTLJWOB-s5YInSNi/s640/anthropotanten.jpg" width="640" /></a></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div>
Tom Mellett, unser Korrespondent aus Hollywood, hat sich mit einem Buch beschäftigt, das sich unter anderem auch mit Rudolf Steiners Liebesleben beschäftigt. Dabei geht es in William Irwin Thompsons "Coming into Being" zunächst generell um Fragen des Bewusstseins. <div><br /></div><div>Was den Autor in Bezug auf Steiner umtreibt, ist der Typus seiner Ehefrauen- neben der Generalin Marie von Sivers auch die fast unbekannte erste Ehefrau, Anna Eunike, von der wenig bekannt ist: "<i>Sie war verwitwet, als Steiner sie in Weimar kennenlernte und zu ihr zog. Dem Geisteswissenschaftler war sie eine liebevolle Partnerin und zuverlässige Hilfe. Erst nach dem gemeinsamen Umzug nach Berlin (Kaiserallee 95 (jetzt: Bundesallee) in Berlin-Friedenau) heiratete Steiner Anna Eunike am 30.10.1899</i>."</div><div><br />
Die hier zitierte Website - die Seite stella- anthroposophica.de existiert inzwischen nicht mehr- versuchte die kaum vorhandenen Informationen zu Rudolf Steiners erster Ehefrau durch astrologische Spekulationen wettzumachen, das dann aber als im Sinne spekulativer "Geistesforscher" noch weiter zu treiben durch "Erzengel- Analysen" und dergleichen. Dem mag ich nicht weiter folgen.<br />
<br />
Aber zurück zu Thompson. Für ihn ist Anna Eunike der mütterliceh Typ, von dem Steiner zu dieser Zeit angezogen ist- zumindest was die Wahl der Gattin betrifft. Welche Frau möchte sich denn definieren lassen als "<i>zuverlässige Hilfe</i>"? Steiners Wahl der Gattin war nach Thompsons Meinung weniger die eines asexuellen Mannes, sondern eher die eines unterdrückt schwulen:<br />
<br />
"<i>Steiner never discusses his marriages and sexual experiences, and he seems not to have thought very highly of the temptations of the flesh. </i><br />
<i>Some historians such as Richard Tarnas, feel that Steiner might not have been so much asexual as a repressed homosexual who had mothers instead of lovers for wives. </i><br />
<i><br /></i>
<i>Living in a time when homosexuality would have invalidated his whole religious movement and mission as nothing but ideological camouflage for perversion and heresy, he simply clamped down hard on sexuality. </i><br />
<i><br /></i>
<i>The jealousy and competition for the ownership of Steiner by the women around him, however, was evidently pretty intense. Frau Doktor Steiner, Marie von Sievers, was the leader of the movement's traveling eurythmy dance company, but Frau Steiner did not like Steiner's collaboration with Ita Wegman, the leader of the anthroposophical medical movement. </i><br />
<i><br /></i>
<i>All of which is to say that Steiner was human, all too human, and very much the product of his time.</i>”<br />
===================<br />
(pages 80-81)<br />
<br />
Die Quelle zu dem sprechenden Foto von Steiner inmitten seiner Damen entstammt einem Beitrag von Jeremy Smith im <a href="https://anthropopper.wordpress.com/2016/04/10/jeremy-paxman-and-rudolf-steiner-on-french-language-and-culture/" target="_blank">Anthropopper- Blog</a>, in dem es um Rudolf Steiners diskriminierende Äußerungen über Frankreich und die Franzosen geht, mit reinrassig rassistischen Zugaben in Bezug auf Schwarze wie "<i>That is a terrible thing the French people are doing to other people, the frightful cultural brutality of transplanting black people to Europe. It affects France itself worst of all. This has an incredibly strong effect on the blood, the race. This will substantially add to French decadence. The French nation will be weakened as a race</i>". (Übersetztes Steiner- Zitat aus genanntem Artikel)<br />
<br />
Smith sieht daher Rudolf Steiner teils als Produkt seiner Zeit, teils aber auch als jemand, der bei solchen Gelegenheiten seine populistischen und rassistischen persönlichen Ansichten als Nachwirkung des verlorenen Ersten Weltkriegs kundtut- keinesfalls auf dem Level und Niveau eines "Eingeweihten", sondern : "<i>In the passages above, we are not seeing anything of Steiner the initiate, but rather Steiner as a man of his time and nation. We should remember that he was speaking less than five years after the end of the First World War, a war which Germany had lost decisively. Could it be that behind his remarks there lies a kind of anger that the Central European culture of which he himself was such an ornament, had been so overthrown and shattered; whereas the French, on the coat-tails of the British and Americans, had found themselves on the winning side. This is surely Steiner speaking from the “normal” level of consciousness rather than the sublime.."</i></div><div><i><br /></i></div><div>Abgesehen von Spekulationen zu Rudolf Steiners Gattinnen- Wahl (der mütterliche Typ) und einem Foto inmitten enthusiastischer Anhängerinnen, kann man zu dem Thema kaum von verwertbaren Fakten sprechen. Interessanter vielleicht eher, was man von Richard Roman 2002 in der taz lesen konnte: "Während hunderttausende von Schwulen und Lesben alljährlich lautstark beim Christopher-Street-Day auftreten, um für ihre Rechte zu kämpfen, sich der Regierende Bürgermeister in Berlin mit seinem „Ich bin schwul, und das ist auch gut so“ in die Schlagzeilen katapultiert hat, fand das Thema Homosexualität in der Anthroposophie höchstens am Rande statt." (https://taz.de/Schwule-Anthroposophen/!1086651/) <br />
<br /></div><div>(redigiert)</div>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-50318049718748397362023-12-08T19:26:00.003+01:002023-12-09T11:28:17.589+01:00 Wie der Krieg uns (nicht) verändert<p>30 % der Deutschen können angeblich nicht selbständig rechnen, heißt es nach der neuen Mathematik- Challenge quer durch die deutschen und internationalen Schulzimmer, und vielleicht ist es damit nicht getan. 30 % sind womöglich auch der Partei eines Tino Chrupalla zugetan, was auf mehr als eine Rechenschwäche hindeuten könnte, hat Chrupalla doch schon 2017 eine Ende der Sanktionen gegen Russland gefordert und behauptet, Deutschland sei kein souveränes Land, solange US- Truppen stationiert seien. „Einige Wochen später kehrte Chrupalla zurück auf Einladung des russischen Verteidigungsministeriums nach Moskau, um auf einer Konferenz zu sprechen, wo er die Politik der Westalliierten nach 1945 mit der nationalsozialistischen Propaganda verglich und die Auswirkungen der alliierten „psychologischen Kriegsführung" auf die nationale Identität Deutschlands diskutierte.“ (1) Möglicherweise werden Leser des „Promiblogs“ und AfD- Wähler nicht besonders viel Interesse an einem Buch über die Ukraine entwickeln, in dem Augenzeugen berichten, „Wie der Krieg uns verändert“ (2), erschienen im kleinen, feinen Klingenberg- Verlag.</p><p>Man hätte es schon bei der Besetzung der Krim durch kleine, grüne Männchen ausrechnen können, wie dieser Test ausgehen würde, wenn man nur die Grundrechenarten beherrscht hätte- oder auch nur die Grundlagen schlussfolgernden Denkens.</p><p>Aber den Deutschen war das billige Gas näher als das mühselige Denken und Gewissen, auch wenn man schon zusehen musste, wie Syrien in Grund und Boden gebombt wurde. Man ließ lieber einen Chrupalla gewähren, wachsen und gedeihen, um der denkmüden Republik einen schönen neuen braunen Anstrich zu verpassen und vergaß die russischen Truppen, die sich um die Ukraine zusammen zogen. Auch heute, zwei Jahre nach der weiteren Invasion Russlands, werden die deutschen Augen wieder träge und neigen dazu, nach rechts zu rollen und nostalgische Gefühle für das wahre Russland und die schönen Geschäfte zu hegen. </p><p>Da ist ein realistisches Buch wie dieses willkommen, das von den Kriegsreportern bis zu den Überlebenden von Mariupol, den Ehefrauen ermordeter Polizisten, Nobelpreisträgerinnen und Enkelinnen berühmter ukrainischer Dichterinnen, die im Bombenhagel im Keller verhungert sind, eine große Bandbreite von Stimmen versammelt und einfühlsam befragt. </p><p>Es ist eben nicht nur eine Frage des Einmaleins und der einfachen Schlussfolgerungen, die uns die Wirklichkeit dieses Krieges verfehlen lassen, wie Oleksandra Matwijtschuk, Menschenrechtsaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin, im Buch sagt. Es ist nämlich einfach nicht zu glauben, was vor unserer Nase geschieht: „Ja, denn was wir gerade erleben, ist schwer zu glauben. Wir leben im 21. Jahrhundert, mit iPhone, iPad und all diesen modernen Technologien, reden davon, wie wir die Armut auf der Welt überwinden und den Klimawandel abwenden können, und sind zugleich zurückgeworfen auf Erfahrungen wie im Mittelalter. Und das ist wirklich schwer zu glauben. Die menschliche Psyche kommt damit nicht zurecht.“ (3)</p><p>Dabei ist das schiere Ausmaß russischer Verbrechen nur noch in Datenbanken erfassbar: „Mit Anfang Jänner 2023 sind in unserer Datenbank mehr als neunundzwanzigtausend Verbrechen dokumentiert. Und ihre Zahl wächst täglich. Nicht nur die Größenordnung lässt staunen, auch das Spektrum dieser Verbrechen: Entführungen und Folterungen, sexuelle Gewalt und Tötung von Zivilisten. Ich kenne kein Kriegsverbrechen, das Russland in der Ukraine nicht begangen hätte. Wir halten auch die Fälle der Zerstörung von Wohnhäusern, Kultstätten und Krankenhäusern fest, Angriffe auf medizinisches Personal im Einsatz, den Beschuss von Evakuierungskorridoren, über die eingekesselte Zivilisten sich und ihre Kinder in Sicherheit zu bringen versuchen. Da sind außerdem Zwangsdeportationen, wo Menschen nach Russland oder in die von Russland besetzten Gebiete gebracht werden; ein System von Filtrationslagern, wo Menschen eine Filtration (Überprüfung) durch russische Militärs zu durchlaufen haben, bei der Zivilpersonen absolut schutzlos sind und ohne Möglichkeit, ihr Leben und ihre Würde zu verteidigen.Da ist auch die so offensichtliche Methode der Instrumentalisierung von menschlichem Leid, nämlich die Anstrengungen der Russen, möglichst viel Leid über die Zivilbevölkerung zu bringen, damit sie aufhört, Widerstand zu leisten.“ (3)</p><p>Die „unverschämte und unverhohlene Aneignung“ der Krim und der Oblaste Donezk und Luhansk war Putins Test der Rechenkünste und politischen Verantwortung des Westens. Die Antwort Deutschlands war der Bau einer neuen Erdgas- Pipeline. </p><p>Politisch, militärisch, moralisch ist dieses Land sitzen geblieben, hadert zumindest zum Teil auch weiter mit der effektiven Unterstützung der Ukraine und wird bald ganze Bundesländer an die Russland ergebene AfD verlieren. Schade, dass meine Heimat den Verstand zu verlieren scheint..</p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEgeHx5ft_VdVSB-EGYEj6qJscdmQ3jcmdEDOsq4E4g4n_39AlCgX1ZIcFpM1j_R3h5SXFwCGS8BZU1D0gLvZiy3gMTXZ77Wol7YjAoubHG_KVxhCyBvVJs_Rp9hQEk1KhDLTK_fn6w0sBSOcklCoaFYvhY4fidX01uw5FkiGa99OtLEWWnOOov6G--_oQ7P" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img alt="" data-original-height="480" data-original-width="360" height="240" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEgeHx5ft_VdVSB-EGYEj6qJscdmQ3jcmdEDOsq4E4g4n_39AlCgX1ZIcFpM1j_R3h5SXFwCGS8BZU1D0gLvZiy3gMTXZ77Wol7YjAoubHG_KVxhCyBvVJs_Rp9hQEk1KhDLTK_fn6w0sBSOcklCoaFYvhY4fidX01uw5FkiGa99OtLEWWnOOov6G--_oQ7P" width="180" /></a></div><br />Wem eine ukrainische Menschenrechtsaktivistin wie Oleksandra Matwijtschuk weniger zugänglich erscheint, mag vielleicht lieber Alina Laptschuk hören, die man auch auf dem Titel des Buches in ihrem völlig zerbombten ehemaligen Wohnzimmer sieht. Sie sagt: „Ich hatte die ganze Zeit gehofft, dass mein Mann noch am Leben ist, und wusste, dass ich ihn retten musste, denn wäre mit mir etwas geschehen, er hätte mich ganz sicher gerettet. An seinem Blick erkannte ich immer, was er dachte, was er mochte. Die sechsundzwanzig Jahre unserer Ehe verflogen wie ein einziger Tag. Leider konnte ich ihn nicht retten, aber ich will, dass alle die Wahrheit erfahren, was die russische Armee mit meinem Mann angestellt hat.<p>Wenn wir schweigen, dann werden diese willkürlichen Gewalttaten sich immer weiter ausbreiten und wiederholen. Die russischen Soldaten wollen uns mit ihrem Terror brechen. Sie behaupten, dass wir niemand sind und sie eine große Nation; dass die Ukraine von der Weltkarte verschwinden muss. Ich habe ihnen ins Gesicht gesagt: Ihr seid Mörder, Sadisten. Meine Mutter ist Ukrainerin, mein Vater Jude. Die ganze väterliche Linie waren alle Juden. Ich kann von vornherein kein Nazi sein.“ (4) </p><p>Oder man hört die junge Hanna Propopenko, die sich an ihre 86jährige Großmutter aus Mariupol erinnert, die Schriftstellerin und Dichterin. Oder man hört vom bekannten Dokumentarfotografen Max Lewin, von dessen Mut und Ehrlichkeit bis zum Ende ein enger Freund in diesem Buch Zeugnis ablegt: „Er war stur, aber in einem positiven Sinn. Wenn er etwas machen wollte, dann machte er es. Bevor wir in das damals schon eingekesselte llowaisk fuhren, sagte ich zu ihm: Lass uns alles Für und Wider abwägen. Die Stadt ist eingekesselt. Rein können wir, aber möglicherweise nicht mehr raus. Dann bleibt uns womöglich nichts übrig, als auch zu kämpfen. Worauf er: Mach, wie du willst, ich fahre! Durch seine Sturheit erreichte er seine Ziele. Wenn er irgendetwas fotografieren wollte, dann ließ er nicht locker, klopfte so lange an alle Türen, bis sie auf-gingen. Und er war immer ehrlich. Wenn ihm etwas nicht gefiel, dann sagte er einem das direkt ins Gesicht, ohne irgendetwas zu beschönigen. Und auch wenn die Gefahr real war, sagte er immer: Wir müssen fahren. Die Jungs sind auch in Gefahr. Wir müssen fahren und zeigen, wie es ihnen dort geht.“ (5) </p><p>Diese Einstellung hat Max Lewin das Leben gekostet. Lesen wir noch einmal mit genau seinen Worten das Credo der Verantwortung, des Realismus und der Freundschaft: „Der Krieg hat mich ein paar einfache Dinge gelehrt: Menschen als Deinige oder als Fremde zu identifizieren. Die Dinge beim Namen zu nennen. Schwarzes als schwarz zu bezeichnen. Zu wissen, dass du einem Deinigen, unabhängig davon, seit wann du ihn kennst, auch um drei Uhr in der Nacht zu Hilfe eilst, ohne irgendwas zu fragen. Wie er auch dich im Unglück nicht zurücklassen wird.“ (5) </p><p>Ein Credo, das alles andere als bequem ist - vor allem, wenn man den liberalen Relativismus der Zeit nach dem Kalten Krieg im Westen genießen durfte- in einer Gesellschaft, die immer noch gern über Gendersternchen streitet, und keinesfalls die „Dinge beim Namen“ nennen möchte. </p><p>Das führt uns im Buch - neben vielen anderen- zur Kinderärztin Olha Svyst, die aus Butscha berichtet, wo die russischen Soldaten neben allen anderen Gräueln Kinderspielzeug und Kinderwägen verminten, „nichts war ihnen heilig“. (6)</p><p>Der Überfall mag für die Ukraine den paradoxen Effekt haben, dass die nationale Identität sich auf lange Sicht deutlich verstärkt, der Wiederaufbau des Landes Partnerschaften und wirtschaftlichen Aufschwung bringt und die EU- und NATO- Mitgliedschaft konkret greifbar wird- falls das Land nicht doch noch überrannt oder vom Westen im Stich gelassen wird. Der Krieg verändert die Ukraine, gewiss. Aber verändert er auch uns?</p><p>--------------</p><p><br /></p><p>1 https://promiblogs.de/tino-chrupalla-eltern-herkunft/ Der Link ist keine Empfehlung</p><p>2 Olha Volynska, Wie der Krieg uns verändert. Zwölf Interviews mit Augenzeugen von Russlands Krieg gegen die Ukraine, Klingenberg Verlag, Graz 2023</p><p>3 Olha Volynska, S 55</p><p>4 Olha Volynska, S. 47</p><p>5 Olha Volynska, S. 77</p><p>6 Olha Volynska, S. 147</p><div><br /></div>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-24634066355513243662023-12-05T21:34:00.003+01:002023-12-08T20:39:05.356+01:00Pankaj Mishra und das asiatische Zeitalter<div style="font-family: "Helvetica Neue"; font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; font-variation-settings: normal; line-height: normal; margin: 0px; text-align: left;"><span><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEiZK2G7cFRGZNPlNPkJ4qZAslveeksLux_Dp3n85Bnn-_4PbdoFSC_UxqKaf_VLxVq-cNqomfZ5-wJRa187o7BsUdbmFkelOOXB2Vw3FipBk5b82id3hFHayCoX_QT3EMlwuEOO54dLumzlRAhNzhYhdlZLxhCYz_-8SjVCTDWCPNl8Cd0Az0yaRLi5-awf" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img alt="" data-original-height="2144" data-original-width="1467" height="240" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEiZK2G7cFRGZNPlNPkJ4qZAslveeksLux_Dp3n85Bnn-_4PbdoFSC_UxqKaf_VLxVq-cNqomfZ5-wJRa187o7BsUdbmFkelOOXB2Vw3FipBk5b82id3hFHayCoX_QT3EMlwuEOO54dLumzlRAhNzhYhdlZLxhCYz_-8SjVCTDWCPNl8Cd0Az0yaRLi5-awf" width="164" /></a></div><br />Nicht nur in „Begegnungen mit China und seinen Nachbarn: Malaysia – Hongkong – Indonesien – Taiwan – Mongolei – Tibet – Japan – Indien“ (1) bekennt sich Mishra als gebürtiger Inder und politischer Beobachter zu einer Sichtweise, die das boomende Asien einerseits kritisch beleuchtet, aber andererseits und mit einigem Furor gegen den Eurozentrismus des Westens zu Felde zieht. Das neue Zeitalter, das man noch vor wenigen Jahrzehnten als Globalisierung unter westlich - liberal- demokratisches Fortschreiben dessen verstanden hat, was Europa und der Westen als Lebens-, Wirtschafts-, politische und geschlechtliche Ideale definiert haben, steht mit dem Aufstand des globalen Südens vor dem Scherbenhaufen. Selbst die aktuelle Definition dieses Begriffs durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung schreibt die Schwelle, die man unbedingt verbal vermeiden möchte, doch fort: „Die Begriffe „Globaler Süden“ und „Globaler Norden“ werden hauptsächlich in der Entwicklungspolitik und in den Sozial- und Geisteswissenschaften benutzt. Sie lösen zunehmend Bezeichnungen wie Entwicklungsländer (..), Schwellenländer (..) und den früher häufig verwendeten Begriff „Dritte Welt“ ab.</span><br />Die Bezeichnungen sollen die Situation von Ländern in der globalisierten Welt möglichst wert- und hierarchiefrei beschreiben. In diesem Sinne ist ein Land des Globalen Südens ein politisch, wirtschaftlich oder gesellschaftlich benachteiligter Staat. Die Länder des Globalen Nordens befinden sich dagegen in einer privilegierten Position, was Wohlstand, politische Freiheit und wirtschaftliche Entwicklung angeht. Damit sollen auch die Ungleichheit und die dadurch bedingten Abhängigkeitsverhältnisse herausgestellt werden.“ (3)</div><div style="font-family: "Helvetica Neue"; font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; font-variation-settings: normal; line-height: normal; margin: 0px; text-align: left;"><br />Diesen begrifflichen Streit und die offenen Konflikte, die sich auch durch den Angriffskrieg Russland und durch die Hamas verstärken und potenzieren, hat Mishra im vorliegenden Buch (2) noch nicht einfliessen lassen können. Aber auch schon in der Zeit vor dem offenen Zutage- Treten der Konflikte lagen die Gemeinsamkeiten der diversen asiatischen Regionen, um die es im vorliegenden Buch vorrangig geht, im Erleben der Paradoxien der Versprechungen der Moderne: denn die „Gemeinsamkeit liegt in der Erfahrung einer oft bitter paradoxen Moderne: des Versprechens der Selbstveränderung und des Wachstums, das häufig verwirklicht wird durch die Zerstörung vertrauter Orientierungspunkte; einer Atmosphäre der Erregung und des Widerspruchs, in der mit der Erneuerung unvermeidlich der Verrat an alten Bindungen und deren Zerfall einhergehen.“ (4) Mishra eigene Perspektive als jemand, der seine Erziehung im Westen erfahren hat, war auch entsprechend geprägt: „In einer anglophonen Kultur geboren zu sein hieß nicht nur, den Westen reflexhaft ins Zentrum zu stellen und den westlichen Literaturen und Philosophien die größte Aufmerksamkeit zu schenken. Es bedeutete auch die Unterstellung, dass die Institutionen (parlamentarische Demokratie, Nationalstaat), die philosophischen Prinzipien (Säkularismus, Liberalismus), die ökonomischen Ideologien (Sozialismus, gefolgt von Marktkapitalismus) und die ästhetischen Formen (der Roman), die in den langen Jahrzehnten der britischen Herrschaft eingeführt oder übernommen worden waren, zur natürlichen und außerdem auch überlegenen Ordnung der Dinge gehörten.“ (S. 16)</div><div style="font-family: "Helvetica Neue"; font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; font-variation-settings: normal; line-height: normal; margin: 0px; text-align: left;"><br />Die ursprünglich koloniale Ordnung, die überwunden scheint, der Impetus der „Geberländer“, der großzügige Austausch von Begriffen (von „Entwicklungsländer“ zu „Globaler Süden“) ändern nichts daran, dass die politische, soziale, geschlechts- spezifische, ökonomische Leitkultur von denjenigen, die in einer der westlichen Kulturen aufwuchsen, schwer revidiert werden kann, auch wenn die Versprechen von privater Freiheit, Deregulierung, schlanken stattlichen Strukturen, moralischer Superiorität längst einer Ernüchterung gewichen sind. An den „universellen Fortschritt“ glauben, so Mishra, noch nicht einmal mehr „die alten Herren der Welt“ (S. 14). Aber auch die Fixierung der - z.B.- indischen Eliten auf die westlichen Modelle ist längst zerbrochen, was zu bizarren Konstellationen, eskalierenden Konflikten und der offenkundigen Suche nach ethnischen und religiösen Identitäten führt. Schon vor 15 Jahren konnte Mishra auf seinen Reisen feststellen, dass Chinas Einfluss quer durch Asien hindurch nicht nur auf wirtschaftlichen Einfluss, sondern auch auf die religiösen Schnittmengen in der Verbreitung und Assimilation des Buddhismus zurück zu führen ist: „Auf diesem indirekten Weg begann ich langsam zu verstehen, dass China gleichsam das Griechenland Asiens gewesen war und seine konfuzianischen Kulturen an die koreanischen, japanischen und vietnamesischen Nachbarn weitergegeben hatte. Die chinesischen Reiche bildeten das Zentrum eines Handelsnetzes und eines diplomatischen Netzwerks, welche beide von Nepal bis Java, von der Amur-Region an der Grenze von Russland und China bis Burma reichten.“ (S. 16f). So oder so- an der hegemonialen Position Chinas besteht schon lange kein Zweifel mehr. Daher beginnen die Reisen Mishras hier und nehmen auch den größten Raum ein. Nach 20 Jahren lautet sein Resümee, dass zumindest die reflexhaften Dualismen, die kalte Krieger und liberale Internationalisten des Westens in ihren Arbeiten über China und dessen Verhältnis z.B. zu Indien verbreiten, westliche Stereotype bedienen, aber wenig zum Verständnis beitragen. Ein Beispiel für romantische Verklärung und Verdammung des imperialen chinesischen Riesen ist für Mishra Tibet, das er trotz allem heute als wachsendes, sich auch religiös öffnendes Land sieht, in dem auch politisch diverse Meinungen möglich sind- aber, zugleich, neue Armut, Sprachlosigkeit und ethnische Ungerechtigkeit furch den sich ausbreitenden Turbo- Kapitalismus chinesischer Prägung entsteht. Die anachronistischen Identitäten werden nicht nur in Tibet durch digitale Technik, Konsum, Kommunikation und transnationale Netzwerke in Frage gestellt. In diesen Spannungsfeldern verlaufen die Reise- Reportagen Mishra.<span class="Apple-converted-space"> </span></div><div style="font-family: "Helvetica Neue"; font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; font-variation-settings: normal; line-height: normal; margin: 0px; text-align: left;"><br />Man bemerkt jedoch, dass die Fragestellungen auch schon etwas veraltet sind- vor allem diese zentrale: „Doch die größte Herausforderung für den angloamerikanischen Glauben an die weitere Ausbreitung des Liberalismus und der Demokratie stellt China dar. Es hat ein spektakuläres Wachstum erzielt, ohne eine auf freien Wahlen basierende Demokratie einzuführen. Außerdem kontrolliert der Staat die Schaltstellen der globalisierten Wirtschaft.“ (S. 108) Ja, der Glaube an die globale Erfolgsgeschichten der kapitalistischen westlichen Demokratien ist erschüttert worden- eine Debatte, die rund zehn Jahre alt sein mag. Dahinter liegt die vielleicht noch grundsätzlichere Frage nach der Expansion und strategischen Machtfülle eines kommunistischen Landes: „Wie ist es China gelungen, an vielen Merkmalen des Mao-Regimes festzuhalten – an einer auf Zwang basierenden inneren Sicherheit, an der Kontrolle strategischer Industriezweige, an Zensur und staatlicher Propaganda – und dennoch den Übergang zu einer Marktwirtschaft zu vollziehen? Und wie lange kann eine dem Namen nach kommunistische Partei an dem Anspruch festhalten, ein weitgehend kapitalistisches Land zu regieren?“ (S. 58)</div><div style="font-family: "Helvetica Neue"; font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; font-variation-settings: normal; line-height: normal; margin: 0px; text-align: left;"><br />Inzwischen ist die militärische Weitsicht der chinesischen Führung deutlicher geworden, aber auch die Schwächen des Systems traten offen zutage: Die systematische Häuser-, Finanz- und Bankenkrise, die Deckelung der mächtig gewordenen Konzern- Chefs, die stärker gewordene Ideologie, interne Säuberungen, das Mundtotmachen von Medien- Sternchen, die elektronische Zensur, die totale Kontrolle ethnischer Minderheiten, das Koalieren mit totalitären und aggressiven Regimen, der Umgang mit dem eigenen Volk in Zeiten der Pandemie. Nicht nur politische und humanitäre Zweifel kommen gegenüber dieser neuen Weltmacht auf; die hemmungslose Wachstums- Ideologie vernichtet das eigene ökologische System in einem nie gekannten Ausmaß, ohne dass darüber berichtet und dagegen vorgegangen werden könnte- das Ausmaß der Korruption erscheint so maßlos und hemmungslos wie das Wirtschaftswachstum selber. Aber das chinesische System scheint getrieben von permanenten großen Wachtstumssprüngen. Statt einer demokratischen Entwicklung und Diversifizierung wird immer stärker die pathetische Einheit der Nation beschworen, der sich alles andere unterzuordnen hätte: „»Entwicklung ist die einzige harte Wahrheit«, erklärte er. »Wenn wir uns nicht entwickeln, wird man uns drangsalieren.« Wenn der neue chinesische Führer Xi Jinping vom »chinesischen Traum« spricht, stellt er dieselben Imperative nationaler Einheit und Stärke wie auch nationalen Stolzes gegen die Notwendigkeit demokratischer Reformen.“ (S. 109)</div><div style="font-family: "Helvetica Neue"; font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; font-variation-settings: normal; line-height: normal; margin: 0px; text-align: left;"><br />Neben dem imperialen Pathos<span class="Apple-converted-space"> </span>halten auch die großen bürgerlichen Freiheiten Chinas Bürger in der Spur: „Jedenfalls hat der Zuwachs an manchen privaten Freiheiten in China – vor allem zu konsumieren und zu reisen – den Drang nach politischen Veränderungen zumindest in gewissem Maße verringert.“ (S. 130).<span class="Apple-converted-space"> </span></div><div style="font-family: "Helvetica Neue"; font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; font-variation-settings: normal; line-height: normal; margin: 0px; text-align: left;"><br />Und das ist erst der Beginn der Reise Mishras durch den asiatischen Kontinent. Es geht mit der Bahn ins Hochland Tibets, nach Hongkong vor der Zerschlagung der demokratischen Bastionen durch die chinesischen Machthaber, ins bedrohte Taiwan. In der Mongolei erinnert man sich an den sowjetischen Terror, der sich damals- vor rund hundert Jahren-<span class="Apple-converted-space"> </span>gegen den Buddhismus richtete: „Das Museum zeigt zahlreiche Beweise für den Terror, den die Mongolei in den 1930er Jahren erlebte. Im Erdgeschoss sind Fotos einiger der vielen tausend Mongolen zu sehen, die in dieser Zeit ermordet wurden. Im ersten Stock stand ich plötzlich vor einer Vitrine, in der eine Reihe Schädel mit Schusslöchern aufgehäuft lagen. Ich zuckte zusammen, doch mein Gastgeber schien unbeeindruckt. Sodnom sagte mir später, er sei der Ansicht, die Besucher sollten mit dem ganzen Ausmaß der Tragödie konfrontiert werden, die die Sowjetunion und ihre mongolischen Verbündeten der buddhistischen Kultur und Identität der Mongolei zugefügt hätten. Todesschwadronen, die im ganzen Land wüteten, hätten mehr als 20000 Mönche ermordet und mehr als 700 Klöster zerstört. Sie hätten auch die gesamte gerade erst aufblühende Intelligenz des Landes ausgerottet, so dass, wie der britische Journalist Jasper Becker schrieb, »im ganzen Land nur fünf Leute mit mehr als Volksschulbildung übrig blieben«“. (S. 255) Heute wird die mongolische Autonomie vor allem durch die chinesische Expansion bedroht, die sich bald, nach der Abwendung Putins vom Westen, bis ins Herz des ehemals mächtigen russischen Imperiums erstrecken dürfte.<span class="Apple-converted-space"> </span></div><div style="font-family: "Helvetica Neue"; font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; font-variation-settings: normal; line-height: normal; margin: 0px; text-align: left;"><br />Auch wenn Mishras vorliegendes Buch etwas veraltet sein dürfte, erscheint es doch als ein Baustein, die eurozentrischen Maßstäbe und den Blick auf den eigenen Bauchnabel zu überwinden. Nebenbei kommt die Mischung von politischer Reflexion mit Reiseberichten, Anekdoten und Begegnungen leichtfüßig und unterhaltsam daher.<span class="Apple-converted-space"> </span></div><p class="p2" style="font-family: "Helvetica Neue"; font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-size: 13px; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; font-variation-settings: normal; line-height: normal; margin: 0px; min-height: 15px; text-align: left;"><br /></p><p class="p2" style="font-family: "Helvetica Neue"; font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-size: 13px; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; font-variation-settings: normal; line-height: normal; margin: 0px; min-height: 15px; text-align: left;"><span class="Apple-converted-space"> </span></p><p class="p2" style="font-family: "Helvetica Neue"; font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-size: 13px; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; font-variation-settings: normal; line-height: normal; margin: 0px; min-height: 15px; text-align: left;">---------------------</p><p class="p2" style="font-family: "Helvetica Neue"; font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-size: 13px; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; font-variation-settings: normal; line-height: normal; margin: 0px; min-height: 15px;"><span class="Apple-converted-space"> </span></p><p class="p3" style="font-family: "Helvetica Neue"; font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-size: 13px; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; font-variation-settings: normal; line-height: normal; margin: 0px;">1 Pankaj Mishra, Begegnungen mit China und seinen Nachbarn: Malaysia – Hongkong – Indonesien – Taiwan – Mongolei – Tibet – Japan – Indien oJ</p><p class="p3" style="font-family: "Helvetica Neue"; font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-size: 13px; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; font-variation-settings: normal; line-height: normal; margin: 0px;">2 Das Erscheinungsdatum fehlt leider in der digitalen Kindle- Version</p><p class="p3" style="font-family: "Helvetica Neue"; font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-size: 13px; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; font-variation-settings: normal; line-height: normal; margin: 0px;">3 <a href="https://www.bmz.de/de/service/lexikon/globaler-sueden-norden-147314">https://www.bmz.de/de/service/lexikon/globaler-sueden-norden-147314</a></p><p class="p3" style="font-family: "Helvetica Neue"; font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-size: 13px; font-stretch: normal; font-variant-alternates: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; font-variant-position: normal; font-variation-settings: normal; line-height: normal; margin: 0px;">4 s. 1, S. 12</p>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-22893788288914826892023-04-16T16:56:00.006+02:002023-12-08T21:25:00.873+01:00Abenddämmerungsstimmung des geistigen Lebens als anthroposophisches Seelen- Phänomen: Die Drei, Ralf Sonnenberg und Maos Enkel<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEj4Q9YSgTzZ8GtzaIR9FrJ6WpFJfUr-zuuoTDHW5a9W4mLMp-0mdzA14zXgBvfUIp-Sl26LwyVTcN2f0GxjtqJmTj4QMDGlYxR5Ll9HKWHiRlISjWogyORWJHKBza4bi51UlSnQx58LILPdKJvqI-Yc6y-2XIcxAVsAW91vpWg5GCnWWYoE5U7nLechB5D5" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img alt="" data-original-height="526" data-original-width="359" height="240" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/a/AVvXsEj4Q9YSgTzZ8GtzaIR9FrJ6WpFJfUr-zuuoTDHW5a9W4mLMp-0mdzA14zXgBvfUIp-Sl26LwyVTcN2f0GxjtqJmTj4QMDGlYxR5Ll9HKWHiRlISjWogyORWJHKBza4bi51UlSnQx58LILPdKJvqI-Yc6y-2XIcxAVsAW91vpWg5GCnWWYoE5U7nLechB5D5" width="164" /></a></div><br /><p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: justify;"><span style="text-align: left;">Selten hat Rudolf Steiner eine solche Stimmung beschrieben wie die, die er als „Abenddämmerungsstimmung des geistigen Lebens“ (1) in der Spät- Scholastik verortet hatte: Die Platoniker der scheidenden Schule von Chartre, die in sich noch Reste alter „All- Einheit, Epiphanie, Selbstanschauung des Göttlichen“ trugen und pflegten, stießen auf die kommende aristotelische Schule der Scholastiker, die aber zögerten, sich nicht einer vornehmen Entziehung vor den Niederungen simplen Philosophierens zu verweigern. So zumindest Rudolf Steiners Sichtweise, der in diesem Spannungsverhältnis zwischen Noch- Nicht- Ganz- Gegangensein und Noch- Nicht- Recht- Geborenwerden- Wollens hinter den Kulissen eine konstruktive geistige Kooperation sah:</span></div><p></p><p>„<i>Die letzten Großen der Schule von Chartres waren eben in der geistigen Welt angekommen. Diejenigen Individualitäten, die die Hochblüte der Scholastik einleiteten, waren noch in der geistigen Welt. Und einer der wichtigsten Ideen-Austausche hinter den Kulissen der menschlichen Entwickelung spielte sich ab im Beginne des dreizehnten Jahrhunderts zwischen denen, die noch den alten schauenden Platonismus hinauf getragen haben aus der Schule von Chartres in die übersinnliche Welt, und diejenigen, die sich dazu bereiteten, den Aristotelismus herunter zu tragen als den großen Übergang für die Herbeiführung einer neuen Spiritualität, die in der Zukunft herein fluten soll in die Entwickelung der Menschheit. Da kam man überein, indem gerade diese Individualitäten, die aus der Schule von Chartres herstammen, denen sagten, die sich eben anschickten, herunterzusteigen in die sinnlich-physische Welt und den Aristotelismus in der Scholastik als das richtige Element des Zeitalters zu pflegen: Für uns ist zunächst ein Erdenwirken nicht möglich, wir bleiben hier oben.“</i> (3)</p><p>Gewiss, so stimmt auch Peter Sloterdijk zu, machen es sich die aristotelischen Philosophen nicht leicht, die das nüchterne Element jedes Zeitalters zu repräsentieren pflegen, die nicht die ekstatisch- originellen und geistig trunkenen Intuitionen zu ergründen ergründen wünschen: „<i>Im allgemeinen sind Philosophen nicht dafür bekannt, daß sie zu Fragen des Rausches und der Droge viel zu sagen hätten. Ihre Reputation beruht auf ihrer Abstinenz von den süßen Giften des Lebens und auf ihrem methodischen Trotz, der alle schnellen Überzeugungen verwirft. Landläufig und richtig hält man Philosophen für Leute, die jede äußere Überwältigung des Verstandes für unzulässig erklären. Kennten sie so etwas wie eine Berufsehre, so entspränge diese daraus, daß sie es sich mit ihren Meinungen schwerer machen als andere Leute.“</i> (4)</p><p>Ein sich selbst recht verstehender Aristoteliker möchte stets, nach Sloterdijk, „<i>mit trockener Seele eine Brücke zur Anschauung letzter Gründe bauen“</i> (5), Ja er möchte „<i>das Land der Wahrheit ohne (..) illegale Transportmittel“</i> (5) durchqueren. Noch waren sie nicht da, die Scholastiker, die Rechthaber, die Arabisten, die Kreuzfahrer der trockenen Selbstbezüglichkeit. Wahrscheinlich gibt es eine steil abfallende Kurve von der Hochscholastik bis zu hypnotischen, formelhaften Selbstbeschwörungen platter geistiger Bürokraten und Gendersternchen- Fetischisten unserer Tage. </p><p>Die „<i>Titanenschlacht zwischen Rausch und Nüchternheit“</i> (6), die Sloterdijk wie Steiner beschwören, ist eine Konstante, die, mal konstruktiv in der geistigen Welt (die „Michaelsschule“ als geistiger Inspirations- Apparat im Spannungsfeld zwischen Aristotelikern und Platonikern), mal als antikes Spannungs- Motiv, mal als trockene gegenwärtige Strömung auftaucht, die sich gegen die rauschhaften und destruktiven politischen Exzesse des 20. Jahrhunderts auflehnt, aber auch zur rituellen Selbstbeschwörung neigt, zu einem bigotten, rigorosen Materialismus.</p><p>Opfer, so Rudolf Steiner, gab es auf beiden Seiten. Die in der werdenden Scholastik noch zögerlichen Aristoteliker stießen auf abgehende Platoniker, denen die Gegenwart nichts mehr gab, und die in der Folge auch nur schwer an den jeweiligen Zeitgeist andocken konnten, denn, so Steiner: „<i>Im großen und ganzen kann man sagen: Wiederverkörperungen der Geister von Chartres sind eigentlich nur in geringem Maße dagewesen.</i>“ (1)</p><p>Der Grund war eine durchgehende, manifeste Melancholie, eine „<i>Abenddämmerungsstimmung des geistigen Lebens“</i> (6), ja geradezu das Gefühl, „<i>gar nichts mit der Gegenwart zu tun“</i> (6) zu haben. Die Melancholie als Daseins- Gefühl, das Konstatieren einer vertrockneten kulturellen und spirituellen Gegenwart ist das Leiden des verspäteten, indisponierten und nicht ganz gegenwärtigen Platoniker unserer Tage. </p><p>So präsentiert sich auch seit längerem der so gebildete und sprachgewandte Ralf Sonnenberg in „Was ist Goetheanismus, was ist die Esoterik der Anthroposophie?“ - und spricht dieses Grundgefühl im Untertitel - „Neuere Studien zur ‚Philosophie der Freiheit’ Rudolf Steiners - und das Erwachen aus der kulturoptimistischen Illusion“- auch direkt an. </p><p>Wie schon von anderen Texten bekannt, beschwört Sonnenberg den heute eher verfemten, allenfalls gelittenen Joseph Beuys, dessen „<i>für ihn typischer(r) Duktus charismatischer Selbstinszenierung“</i> (7) mit seinen teils verzweifelten Aktionen und Zwischenrufen aus der Zeit gefallen scheint oder - wie Sonnenberg meint- „<i>wie Wortgeklingel“</i> (7) wirkt. Dass Beuys heute so wenig Resonanz erfährt, scheint Sonnenberg ein Problem der aktuellen Vermittlung „<i>in selbständiger Denkarbeit errungene(r) Evidenzen“ zu sein, da gegenwärtig wenig Bereitschaft vorhanden zu sein scheint, über das „flüchtige Informierteren hinaus tiefere Einblicke in das Fremdartige“ </i>(7) zu nehmen. Damit wäre es auch kaum möglich, auch nur Grundbegriffe der anthroposophischen Arbeit zu vermitteln, ohne durch darüber gelegte Gemeinplätze stigmatisiert zu werden. Geist- Denken- Seele- die Grundbegriffe des sich selbst bewusst werdenden Bewusstseins seien schon „<i>seit Jahrhunderten gründlich nominalistisch korrumpiert“</i> (7) und fallen somit aus jedem Diskurs heraus, weil das von Sloterdijk beschriebene materialistische Diktat der „<i>Abstinenz von den süßen Giften des Lebens“</i> (4) gilt. Allerdings gesteht Sonnenberg auch selbstkritisch ein, dass die alten „<i>platonischen“ Denkgewohnheiten, die Prägungen einer dualistischen Weltauffassung“</i> (7) keineswegs überwunden sind, oder sich nur in einem Ausnahmezustand (worunter eine meditative Vertiefung gemeint sein dürfte) überwinden ließen. Solche Ausnahmesituationen des Bewusstseins erscheinen aber in der trockenen Gegenwart, in der alle sich ausschließlich „<i>glaubwürdig als Anwälte eines hinreichend nüchternen Realitätsprinzips“</i> (8) verstehen und präsentieren, mehr als verdächtig. </p><p>Verdächtig sei - so Sonnenberg- seit der Covid- Infektionswelle ohnehin alles, was sich als anthroposophisch begründet versteht- ja, allen anthroposophischen Institutionen schlüge eine kritische mediale Welle, die scharf bis denunziatorisch daher komme, entgegen. Der Ideenkosmos hinter dm und Weleda sei insgesamt ins Fadenkreuz der Skeptiker geraten- eine Situation, die Sonnenberg vage mit dem Brandanschlag auf das Erste Goetheanum vor 100 Jahren vergleicht. Die Verdächtigungen notorischer kritischer Blogger gingen dahin, eine gesellschaftliche Unterwanderung durch anthroposophische Esoterik zu beschwören. Andererseits fiele es den Repräsentanten gegenwärtiger Anthroposophie auch schwer, „<i>die Grundlagen ihrer Erkenntnisbemühungen nach außen hin transparent“</i> (7) werden zu lassen. Es mangelt ohnehin an Perspektiven, eine klare anthroposophische Linie zwischen dem Anspruch an Wissenschaftlichkeit und dem Aufguss „<i>vormoderner spiritueller Glaubensinhalte“</i> in der Außenwirkung zu entdecken, was auch daran liege, dass der Verzicht auf „<i>vorausgesetzte Inhalte“</i> (7) nicht ausreichend praktiziert und beherzigt werde. Anthroposophie versteht Sonnenberg mehr als offene „<i>Methodologie des intuitiven Verstandes“</i> (9) denn als Kanon abgelegter Wissensfragmente. </p><p>So geht Sonnenberg vermehrt auf die eigenen Baustellen anthroposophischer Kultur und Hochschul- Impulse ein, vor allem auf den Vorwurf an die Aristoteliker, sie hätten die Wissenschaftlichkeit von Anthroposophie methodisch- substanziell nie begründen können und damit eines der zentralen Anliegen Rudolf Steiners verfehlt. Das Pflegen „<i>erbaulicher Vorträge und interessanter Ausstellungen“</i> (7) genüge einfach nicht. Der Goetheanismus Rudolf Steiners, der sich früh auf das Erkennen, Denken, Wahrnehmen selbst bezog, was die Grundlage für das „<i>Erkenntnispanorama höherer Welten“</i> (7) durch Steiner gewesen sei, habe in der Dornacher Hochschularbeit zu wenig Resonanz gefunden, da der Goetheanismus- Begriff einseitig naturalistisch aufgefasst worden sei, denn er bezöge sich vorwiegend auf biologische, medizinische und andere äußere Phänomene, nicht auf die Erkenntnis selbst. Sonnenberg erinnert an die aus der Mode gekommene seminaristische Erarbeitung „schwieriger“ Textpassagen im Sinne einer hermeneutischen Forschungspraxis- eine Kultur des langsamen, gründlichen, enträtselnden Denkens. Ziel sei das Erleben eines „Denkwillens“, der unabhängig von den Inhalten des Denkens zu entdecken sei. </p><p>In einer weiteren Wendung geht Sonnenberg auch auf den Vorwurf Helmut Zanders ein, Rudolf Steiner habe lediglich Versatzstücke esoterischer Literatur adaptiert und arrangiert, um diese zu einer „<i>Weltanschauung eigenen Gepräges“</i> (7) zu formen. Tatsächlich konstatiert auch Sonnenberg die Schwäche der organisierten Anthroposophenschaft, überhaupt noch eine gemeinsame Basis von Verständigung zu finden. Nicht zuletzt liege das auch daran, dass Teile der Mitglieder und Interessenten weniger an Methodik und Erkenntnistheorie interessiert seien als an „<i>authentischer spiritueller Selbsterfahrung“</i>. Das sei, so die Beobachtung Sonnenbergs, der dabei so große melancholische Übereinstimmung mit der „Abenddämmerungsstimmung“ der Platoniker zeigt, ein Phänomen, das sich nicht nur in anthroposophischen Zusammenhängen zeige. Auch ganz normale Vorlesungen über den deutschen Idealismus seien heute vor allem durch erkenntnishungrige ausländische Studierende besucht. Die „<i>Geistesschätze</i>“ würden von Anderen gesucht, nicht von den Erben der Idealisten und der Anthroposophen selbst. Und am Ende kann sich Sonnenberg dann den zu erwartenden Absturz in den Kulturpessimismus nicht verkneifen und keilt gegen den „<i>vorauseilenden Gehorsam“</i> (7) von „woken“ Debatten über Kolonialismus, kulturelle Aneignung und Genderismus. Der im Abendrot der untergehenden zweitausendjährigen Kulturgeschichte stehende Platoniker setzt sarkastisch alle diese Begriffe in die üblichen Gänsefüsschen. Irgendwie faselt er dann auch etwas von „Maos Urenkeln“, die gegen Rudolf Steiner agitierten, aber dann hat man in dem Getöse schon nichts mehr gehört. </p><p>__________</p><p><br /></p><p>1 Rudolf Steiner, GA 238, 76f</p><p>2 Peter Sloterdijk, Weltfremdheit, Frankfurt 1993, S. 126</p><p>3 Rudolf Steiner, GA 237.98f</p><p>4 PS, S. 121</p><p>5 PS, S. 119</p><p>5 PS, S. 120</p><p>6 RS, siehe 1): „Aber man fühlte in der Schule von Chartres, gerade wenn man ihr recht hingegeben war, etwas von Abenddämmerungsstimmung des geistigen Lebens. Und ein einzelner solcher Mönch wurde in unserer Zeit doch verkörpert in einer Weise, daß man geradezu in wunderbarer Art den Abglanz des vorigen Lebens bei der betreffenden Persönlichkeit finden konnte. Diese Persönlichkeit war eine mir bekannte, sogar befreundete Schriftstellerin, die eine in unserer Zeit ganz merkwürdige Seelenstimmung in sich trug. Da ist in einem vorigen Erdenleben etwas als Keim gelegt worden, was jetzt herauskommt, in der Empfindung, daß eigentlich diese Seele, die da verkörpert war, gar nichts mit der Gegenwart zu tun hatte.“</p><p>7 Ralf Sonnenberg, Was ist Goetheanismus, was ist die Esoterik der Anthroposophie? Neuere Studien zur ‚Philosophie der Freiheit‘ Rudolf Steiners- und das Erwachen aus einer kulturoptimistischen Illusion“ in die Drei 2/ 2023, S. 57ff</p><p>8 PS, S. 121</p><p>9 RS, die Drei, S. 60, ein Zitat von Eckhart Förster, das sich eigentlich auf Goethe bezieht</p>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-72270309091137792852023-04-12T09:38:00.002+02:002023-04-14T09:52:34.312+02:00Rudolf Steiner, die Mahatmas und die geheime Loge und: Gedenkfeier mit symbolisch-kultischem Charakter zu Rudolf Steiners Todestag<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: left; margin-right: 1em; text-align: left;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEitFygmzXrGWXkcJvFdRf02VMonTB6hdWWQN4mYB2icDpZNyQtGHDf_2Gh7a3ii2mdXP_WPX4Rnb0fMCW_Km6C-CI2zE0tjwEjTK4QsN1Htz_Mc6K5VTk9O6Q8c5RIaNg_PYMBl9ueh9Oa7/s1600/mahatmas.jpg" style="clear: left; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="288" data-original-width="444" height="207" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEitFygmzXrGWXkcJvFdRf02VMonTB6hdWWQN4mYB2icDpZNyQtGHDf_2Gh7a3ii2mdXP_WPX4Rnb0fMCW_Km6C-CI2zE0tjwEjTK4QsN1Htz_Mc6K5VTk9O6Q8c5RIaNg_PYMBl9ueh9Oa7/s320/mahatmas.jpg" width="320" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Quelle gechannelte <a href="http://channelings.tripod.com/id45.html" target="_blank">Mahatma- Mitteilungen</a></td></tr>
</tbody></table>
Natürlich existiert der Prototyp des zeremoniellen Anthroposophen nicht in der realen Welt. Er gehört in die Welt der Karikaturen. Vielleicht ist er auch ein Spiegelbild von abgelegten Zerrbildern, die sich wie transparente Häute an der Leine spannen- der Honigsauger, der sich selbst Altar, Sinnsucher, Gott und Zeremonienmeister ist:<br />
<br />
Natürlich hat man Verständnis für die Honigsauger, die seit jeher die anthroposophische Bewegung umschwärmen. Was wäre die schönste spirituelle Lehre ohne Sinnsucher, die sich mit ihr identifizieren, sich selbst aber damit auch in ein ewiges Licht stellen, das dem so vergänglichen und zerbrechlichen Ich ein seelisch- geistiges Fundament geben kann? <div><br /></div><div>Dazu gehört: <i>Zu glauben,</i> wieder geboren zu werden als derjenige welcher. </div><div>Zu glauben, einer geheimen NGO anzugehören, die seit Jahrtausenden die geheimen Mysterien der Hochkulturen durchwabert- mit geheimem Wissen gefüttert wie mit Gelee Royal und zur Königin mutiert, einem Wanderer zur endlichen Erlösung des Planeten, seiner Kreaturen und der Restmenschheit. </div><div><i>Zu glauben,</i> die geheime geistige Führung der Menschheit habe einen Plan mit mir, für den meine augenblickliche Existenz nur eine gewisse Vorbereitung darstellt. </div><div><i>Zu glauben,</i> ich hätte, da übersinnlich Botschaften aufzunehmen zu meiner geheimen Superkraft gehört, die zu meiner zweiten Natur geworden ist, via Inspiration zu jedem beliebigen Fachgebiet etwas zu sagen, auch wenn es niemand hören will und Andere es für plumpe Vorurteile halten. </div><div><i>Zu glauben,</i> dass es durchaus keinen Zufall darstellt, dass das Schicksal mich an die Spitze der menschlichen Kulturentwicklung im deutschsprachigen Raum gestellt hat, damit ich durchdrungen werden kann von den aktuellsten Transformations- Prozessen in der Weltentwicklung und mit dazu beitragen kann, die brüderliche Philadelphia- Zivilisation der Zukunft geistig vorzubereiten, indem ich auf noch vollkommenere Weise selbstlos werde. </div><div><i>Zu glauben</i>, dass es moralisch, geistig und selbst für die Natur existentiell notwendig ist, dass ich den Umgang mit Intellektuellen und anderen geistig wenig entwickelten Individuen möglichst einschränke, außer wenn es karmisch dienlich sein kann. Die meisten Individuen sind einfach in ihrer Entwicklung noch nicht zur Selbstlosigkeit durchgedrungen. </div><div><i>Zu glauben,</i> all diese mehrfachen Umstellungen des Sonnensystems und des planetarischen Körpers insgesamt, die auf- und untergegangenen Königreiche und Erdreiche, Tierleiber - Entwicklung und Engel- Einwirkungen haben schließlich in mir - <i>mir</i>- kulminiert, als esoterischer Vertreter des Meisters, seines Meisters- seiner Meisterkollegen, der geistigen inspirierenden Meister, und so weiter. In aller Bescheidenheit. </div><div>Aber immerhin- <i>zu glauben,</i> das in mir praktizierte Selbsterwachen des Planeten, seiner Geister und Meister, die sich nach Erlösung sehnen, das adelt mich schon ein bißchen, denn die gesamte planetarische Entwicklung verwirklicht sich in mir. Es hat auch, wie es in Werken von Seherinnen wie Judith von Halle ausgedrückt wird, direkte karmische Vorteile. So würden Anthroposophen z.B. nicht an Demenz erkranken, da das ein rein ahrimanisches Phänomen sei. Praktisch ist aber auch, dass der Meister der Meister mir auch nach meinem Tod - ebenso wie Christus und die Seinen, St. Michael und der Graf von Monte Christo- sofort Hallo sagen werden. Man ist eben als Anthroposoph auch in den widrigsten Situationen nie ganz allein.<br />
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Andererseits stellt für solche Karikaturen anthroposophischer Selbstvergottung jede kritische Auseinandersetzung mit Anthroposophie oder ihrem Meister einen Angriff auf ihr Selbstkonzept dar. Kritisches Denken wird daher einerseits dämonisiert, andererseits erstarrt das mögliche Potential der Bewegung in diesem unproduktiven Verteidigungsreflex. Das Selbstkonzept, sich auf geheimer Mission des Erzengels Michael zu befinden, verfängt allerdings nur bei Persönlichkeiten, die einer strukturellen, ideologisierten Persönlichkeit- Krücke bedürfen - sie sind die unproduktiven, aber fanatisierten Anhänger, die den Kult- Aspekt benötigen und ständig Futter und Bestätigung suchen. Unabhängige Geister gingen und gehen souverän mit den Ego- Fallen des anthroposophischen Systems um und praktizieren die unkonventionellen, produktiven und humanistischen Impulse, die sie aus derselben Grundlage heraus beziehen.<br />
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Ja, es war ein langer Weg Rudolf Steiners vom Goethe- Herausgeber, Philosophen, Mackay- Anhänger und Freiheits- Kämpfer bis hin zum Vorsitzenden einer zunehmend geschlossenen und bizarren sektierischen Esoterik- Vereinigung mit Logen- ähnlichem Zuschnitt. Auch Steiner ist allmählich zum Zeremonienmeister des eigenen Kults geworden. War das theosophische Ambiente ursprünglich vielleicht nur ein Publikum, das ihn überhaupt ernst nahm, wurde er allmählich darin eingesponnen- vor allem, nachdem er 1923 wieder die alleinige Leitung übernahm und sich mit seiner Frau Marie und dem getreuen Sprachrohr Albert Steffen, schon krank und zutiefst erschöpft, auf dem Dornacher Hügel einigelte. Die heutige Hybris mancher seiner Erben geht allerdings voll und ganz auf Rudolf Steiner selbst zurück- vor allem im Rahmen seiner esoterischen Unterweisungen für den engeren Kreis. So beantwortete er die berechtigterweise von ihm selbst gestellte Frage „<i>Bin ich nicht vielleicht ein spiritueller Genussmensch?</i>“ im Rahmen einer Instruktionsstunde (1) so: „<i>Hier, in unserer Loge, weil die Menschen mit ihren Gedanken dabei sind, geschieht mehr für das Heil der Welt als durch alle philanthropische Arbeit. (..) So ist es also kein unbefugtes Genießen, wenn die Mitglieder sich befleißigen, dasjenige in sich aufzunehmen, was hier geboten wird. Ohne dieses Entgegennehmen durch die Mitglieder könnte nichts für die weitere spirituelle Entwicklung der Menschen getan werden. Dann müssten die Menschen ganz dem Materialismus verfallen; die zukünftigen Generationen würden krank an Leib und Seele sein.</i>.“<br />
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Die Entgegennahme der Mitteilungen des Meisters wirkte danach wie eine Impfung in einem sklerotisierten Weltkorpus- auf die spirituellen Kompetenzen der Mitglieder kam es nicht an. Dennoch sorgte sich Steiner auch um die geistige Entwicklung seiner Anhänger- rührig, unermüdlich, umfassend-, aber offenbar vergeblich. Die „erkenntniskultischen“, Logen- ähnlichen Intensivmaßnahmen, die er seit 1906 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges durch einen Vertrag mit Theodor Reuß betrieben hatte und die Steiner zum einzigen legalen Leiter des Misraim Ritus in Deutschland machten, wurden am Ende seines Lebens wieder aktuell. Die Beziehung zu Reuß, dem Steiner mit guten Gründen misstraute und mit dem er den Kontakt so schnell wieder abbrach, hat Rudolf Steiner schwer geschadet. Reuß hat- auch durch gefälschte Dokumente- den Eindruck zu vermitteln versucht, Steiner sei Mitglied der durch Reuß und Aleister Crowley repräsentierten, seit 1912 aktiven Loge O.T.O gewesen- eine Unterstellung, die bis heute immer wieder kolportiert wird. Steiner hätte eigentlich gewarnt sein müssen, war doch die ganze Geschichte der Theosophischen Gesellschaft durchzogen von Scharlatanen, Betrügern, gefälschten „Meister- Briefen“ und einem Fake- Messias wie dem jungen Krishnamurti.<br />
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Der okkultistischen Schmuddelszene, die von unsichtbaren Meistern wimmelte, hat sich Rudolf Steiner zwar durch die eigenständige Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft entzogen - „<i>Es ist eben die Grenzscheide zwischen Wahrheit und Scharlatanerie im Okkultismus eine haarscharfe</i>“. (2)- aber strukturelle Probleme wie die Teleologie, die kultisch- zeremoniellen Klassen und Logen, die Führung durch „Meister“ wurde auch innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft nie ganz überwunden.<br />
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In Bezug auf seine esoterische Kernarbeit, die im Rahmen des Misraim- Kultus bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges mit bis zu 600 Mitgliedern durchgeführt wurde, hat Steiner nicht nur (3) den Bezug zur Artus- Tafelrunde, der Grals- und Rosenkreuzer- Bruderschaft (alles in einem Aufwasch) hergestellt, einen hierarchischen Aufbau in neun Grade angekündigt (4), sondern auch eine „<i>Versprechensformel</i>“ (5) im Sinne eines Treueschwurs formuliert:<br />
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„<i>Ich ________ geboren zu _______ wohnhaft in ______ gelobe und verspreche hiermit die Regeln des echten und wahren Misraim Dienstes getreulich zu halten und zu befolgen; das heilige Geheimnis streng zu wahren, nach Kräften für die Erhaltung des Sanktuariums zu sorgen und einzutreten und den Generalgroßmeister als oberste Entscheidungs-Instanz in allen Misraim- Angelegenheiten rückhaltlos anzuerkennen. Ich gelobe und verspreche ferner, daß ich mich nicht durch Hypnose, Suggestion usw. in einen unfreien Zustand versetzen lassen werde, so daß alles, was im Leben je auf mich wirken wird, mich in dem Zustande des Wachens antreffen werde, auf daß durch mich niemals die Geheimnisse des großen Dienstes an Außenstehende verraten werden können.</i><br />
<i>Sollte ich dieses mein feierliches Gelöbnis jemals brechen, so möge meine Seele ruhelos wandern ohne Ziel und Bestimmung im Raume, möge sie richtungslos sein in der unermeßlichen Zeit.</i><br />
<i>Dieses gelobe ich bei den weisen Meistern des Ostens, die ihr Auge heften mögen auf meine Taten.</i>“ (6)<br />
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Dass er eine derartig abgeschirmte Geheimgesellschaft innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft in Kriegszeiten nicht aufrecht erhalten konnte, da dies als Subversion und Konspiration hätte verstanden werden können, war Rudolf Steiner auch klar. Am Ende seines Lebens und Wirkens allerdings hat er sich nach der „<i>Liebeswärme</i>“ einer solchen geheimen Loge (7) gesehnt.<br />
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Hatte Steiner 1905 noch gemeint, das „<i>maurerische Leben aus den veräußerlichten Formen aufzufangen und neu zu gebären</i>“ (8) - mithin also das Freimaurertum zu reformieren- stellte er spätestens 1923 fest, dass der postulierte „umgekehrte Kultus“ (die Selbst- Einweihung der Anthroposophenschaft) durch das typische öffentliche anthroposophische Arbeiten offensichtlich nicht funktionierte und plante nach der organisatorisch- okkulten Neugestaltung der Anthroposophischen Gesellschaft durch die „Weihnachtstagung“ auch einen neuen Kultus: „<i>Gleichwohl hätte Rudolf Steiner, wenn er noch längere Zeit hätte wirken können, auch einen äußerlich zu vollziehenden Kultus (</i>begründet<i>), gewissermaßen als eine wirksame Hilfe auf dem schweren Weg zu dem im rein Geistigen zu suchenden kosmischen Kultus</i>.“ (9) Allerdings sind seine Äußerungen in Bezug auf die Gestalt kryptisch geblieben: „<i>Man könnte nun sagen: die Anthroposophische Gesellschaft könnte ja auch einen Kultus pflegen. Gewiss, das könnte sie auch; das gehört aber jetzt auf ein anderes Feld</i>.“ (10) Auch in einem Gespräch mit Rene Maikowski ist Steiner auf dieses Thema eingegangen: „<i>Zu meiner Überraschung ging er auf den Gedanken einer kultischen Arbeit für die Gesellschaft als durchaus positiv ein. Er erklärte, dass es ja vor dem Krieg auch ein Kultisches gegeben habe. In der Zukunft werde das aber eine andere Gestalt erhalten müssen..</i>“ (11)<br />
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Zu dieser Reform durch einen internen „maurerischen“ Kultus ist es durch den Tod Rudolf Steiners nicht mehr gekommen. Es ist nicht ganz frei von Ironie, dass Steiner 1905 die Freimaurer- Kulte durch Anthroposophie hatte reformieren wollen, und zwanzig Jahre später Anthroposophie durch einen noch zu gestaltenden eben solchen Kultus. Es ist auch nicht frei von Ironie, dass er während der Kriegsjahre das Freimaurertum der Weltverschwörung bezichtigte- was Wiesberger „<i>die damalige scharfe Verurteilung politischer Sondertendenzen gewisser westlicher Geheimgesellschaften</i>“ (12) nennt. Nach dem Ende des Krieges hat Rudolf Steiner einigen Mitgliedern der AG sogar den Rat gegeben, in Freimaurerlogen einzutreten. Es gab zwischen offiziellen Logen und Anthroposophen einen regulären Austausch und keinerlei Berührungsängste.<br />
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Letztlich hat sich Rudolf Steiner auch durch die Einsetzung seiner Ehefrau Marie Steiner- von Sivers als Erbin seines Werkes für die kultisch- symbolische Ausrichtung entschieden: <i>«An der Spitze, als Haupt der Schule und als Vermittler der geistigen Wirklichkeiten stand Rudolf Steiner; ihm zur Seite als Genosse und Mitarbeiter Marie von Sivers. ... Bei einer Handlung in einem höheren Grade, bei der nur eine geringe Anzahl von Teilnehmern zugegen sein durften, wurde uns durch Rudolf Steiner selbst kundgegeben, daß die Mitarbeit Marie von Sivers' in einem vollberechtigten Sinne zu nehmen sei - nicht symbolisch wie bei uns andern allen. Und zwar so, daß auf eine Wirklichkeit hingewiesen wurde, die über Geburt und Tod hinausgeht.»</i> (13) </div><div><br /></div><div>Die Entscheidung für die Ehefrau Steiner- von Sivers, die dem zeremoniell- Symbolistischen nahe stand - und nicht z.B. einer Pragmatikerin wie Ita Wegman- hatte wegweisenden Charakter und führte zu jahrzehntelangen Grabenkämpfen. Es ist auch eine Entscheidung Rudolf Steiners, die die Rhetorik der Aufbruchsstimmung um die „Weihnachtstagung“ Lügen straft- mit der organisatorischen Übernahme der Gesellschaft kehrte er zurück zur okkultistischen Theatralik, die er mit seiner Frau zwei Jahrzehnte zuvor gepflegt hatte. Die „<i>Ritualtexte</i>“ für die jeweilige Logeneröffnung und - Schließung liegen im Wortlaut für den 1.- 3. Grad komplett vor (14) und haben heute, im Zeitalter der Jedi- Ritter, auch schon mal etwas unfreiwillig komisches: „<i>Lerne schweigen und dir wird die Macht</i>“ (15) Es gibt auch magisch- lateinische und rosenkreuzerische Ritualtexte, die zum Teil auf Helena Blavatsky, die Kabbala und auf alchimistische Überlieferungen zurück gehen (16) - rätselhafte, schöne, symbolträchtige Texte.<br />
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Der pseudo- maurerische Einschlag zeigte sich z.B. bald nach Steiners Tod in Marie Steiners Inszenierung der Gedenkfeiern zu seinem einjährigen Todestag:<br />
„<i>Zur ersten Wiederkehr von Rudolf Steiners Todestag, am 30. März 1926, gestaltete Marie Steiner-von Sivers, die nicht nur als Mitbegründerin und Mitleiterin des erkenntniskultischen Arbeitskreises, sondern auch durch innere Kompetenz in demselben eine besondere Stellung eingenommen hatte, im Rahmen der ersten Klasse der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft eine Gedenkfeier mit symbolisch-kultischem Charakter. Auf der mit schwarzen Vorhängen verkleideten Bühne des Saales in der Schreinerei des Goetheanums, in der damals alle Dornacher Veranstaltungen stattfanden, ließ sie drei Altäre aufstellen, an deren Ostaltar sie stets an der Seite Rudolf Steiners gedient hatte. In den folgenden Entwürfen für ihre Ansprache kommt zum Ausdruck, was ihr die Lebenstat Rudolf Steiners bedeutete, nämlich: die Tempellegende dargelebt zu haben</i>.“<br />
<br />
So begann Marie Steiner denn auch die Zeremonie mit den schwer lastenden Worten: „<i>Wir haben uns hier versammelt zum Angedenken desjenigen, der vor einem Jahr von dieser Erde Abschied nahm, der hier an dieser Stätte für uns, unter uns gewirkt hat, der uns Richtlinien gegeben hat für unser Handeln, den Dienst an den Altären der Weisheit, Schönheit und Stärke, als Zeichen welcher wir diese Altäre hingestellt haben, die uns sein Wirken versinnbildlichen. Wir haben als Zeichen seines werktätigen Schaffens diese Werkzeuge auf die Altäre gelegt. Mit ihnen prägte er dem Holz die neuen Formen ein. Es sind sein Zirkel und sein Richtmaß, seine Kelle und sein Hammer. Sie sind noch durchseelt vom Feuer seiner Hände, sie sprechen zu uns und fordern Taten.</i>“<br />
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Das Pathos und die Intimität einer internen Geheimgesellschaft waren offenbar das Rezept, mit dem sowohl Rudolf Steiner wie seine Frau das in ihren Augen intime anthroposophische Element - in einer Bewegung, die sich in Schulen, Krankenhäusern, Heilpädagogik, Landwirtschaft erfolgreich realisierte- in die Zukunft retten wollten. Nach Steiners Tod inszenierte Marie von Sivers ihn als „<i>Führer</i>“ der „<i>Menschheitswende</i>“ und „<i>Großen</i>“, dem die Mitglieder an drei Altären nicht nur gedachten, sondern sich ritualisiert unterwarfen, auf dass „<i>unser Handeln diene seinem Geist</i>“ :<br />
<br />
„<i>Seiner gedenkend und dessen, was wir zu tun haben, entzünden wir diese Kerzen: Das Licht, das er in unsern Herzen entzündet hat, es leuchte hell auf und werde Weisheit. Es steige in Reinheit zu ihm empor, so rein, wie er es in unsere Seelen gesenkt hat. Es erkrafte an ihm im werktätigen Schaffen, auf daß unser Handeln diene seinem Geist, unser Geist erstarke in der Ich-Durchchristung.</i><br />
<i>Wir stehen in diesem Raume der Trauer, gedenkend des Großen, der uns verlassen hat. Die drei Altäre stehen als Zeichen und Siegel seines Wirkens vor uns. Der Führer, der dieser Menschheitswende vorstand, hat dauernd an diesen Altären gedient. Er durfte sie herausholen aus den Tiefen des Tempels, in denen sie gestanden haben, seitdem es Mysterien gegeben hat und durfte sie der Menschheit übergeben. Er gab sie uns im Bilde, in der Kunst, indem er sie hineinstellte in seine Mysteriendramen, an den Etappen des Fortschritts der Geistesschüler. Er gab sie uns in seinem Wort, indem er in den Mittelpunkt seines Wirkens stellte die Ideale der Weisheit, der Schönheit, der Stärke, sie in ihrer Einzelauswirkung und in ihrem Ineinanderwirken uns ständig vor Augen führte. … Wir haben den Bau erlebt, wir haben erlebt, wie Rudolf Steiner den Hammer hob zum Werk und wie seine Schüler herangeströmt sind, um dem Werk zu dienen; der Tempel hatte sich hehr und strahlend erhoben aus seines Geistes Kraft und seiner Hände Geschicklichkeit, und wir durften lernen und werken. Aber auch wir haben neben unsern Schwächen und Unvollkommenheiten unter uns die drei bösen Gesellen gehabt, die bis zum Verrat gegangen sind und bis zum Vernichtungswillen. Die Saat des Hasses trug ihre Früchte. Der Bau stand in Flammen, wie einst das Eherne Meer in Flammen gestanden hat. Rudolf Steiner lebte die Legende dar; er hat sie in der physischen Tat realisiert; er ist die Legende geworden. Er hat sie durch sein Leben der Menschheit kundgetan.</i><br />
<i>Und Rudolf Steiner stürzte sich selbst ins sengende Feuer des Mittelpunktes. Wir sind dies sengende Feuer für ihn gewesen, wir, die Kainskinder. Er nahm unser Karma auf sich, auf daß wir freier würden zum Dienen. Aber unser Karma war zu hart und zu schwer und zerbrach seine physische Kraft, fast unmittelbar nachdem er den Bund vollzogen hatte. Sein letztes Lebensjahr war ein mächtiger Aushauch seines Geistes ...</i><br />
<i>Wenn wir so zusammenkommen wie heute, so ist es, weil wir uns bewußt sind, einen Moment in der Weltgeschichte erlebt zu haben, der ein Angelpunkt, nicht nur ein Wendepunkt gewesen. Der Geist senkte sich hinunter in nie geahnten Strömen durch einen Menschen, der sich fähig dazu gemacht hatte, in Geist, Seele, Leib den Geist zu empfangen. … In seinem Geiste versammeln wir uns heute, bittend, daß er unsere Schwächen und unsere Unzulänglichkeiten mit dem Glanze seines Wesens überdecke. In seinem Namen rufen wir an den Erzengel, dessen Dienst er uns geweiht hat, trachtend, den Hüter zu erkennen, der vor dem Tore steht des Tempels zum jenseitigen Reiche</i>: (3 Hammerschläge: lang kurz kurz; lang kurz kurz; lang kurz kurz).“ (17)* (Im Anhang wird aus diesem formalen Text Marie Steiners ein Mantram für meditierende Anthroposophen gemacht)<br />
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Der Unterschied zu den originellen, sakralen Texten Steiners in den Freimaurer- Kulthandlungen ist der, dass seine Frau <i>ihn</i> nach seinem Tod als den alleinigen Meister inszeniert, der sich geopfert hätte, um „<i>unsere Schwächen und unsere Unzulänglichkeiten mit dem Glanze seines Wesens</i>“ zu überdecken. Nicht nur der pure Guruismus, sondern die Betonung der schwachen, sündigen Mitglieder, die sich bestenfalls durch gehorsame Devotion ein wenig am Glanz des Meisters laben dürfen, ergeben eine spezifische Note, zwischen Kult und Selbstkasteiung schwankend, aber geadelt durch den Glanz des Verblichenen, durch den seinerseits die Meister wirkten. So entsteht eine seltsame, selbst-referentielle Esoterik aus zweiter Hand, der der christliche Stempel aufgedrückt wird: „Nicht ich, sondern der Christus durch mich..“<br />
<br />
Das Prinzip klingt bei Rudolf Steiner selbst auch an, als er (1) das „<i>Entgegennehmen durch die Mitglieder</i>“ zum passiven spirituellen Prinzip erklärte, das meist eben leider erst in der nächsten Inkarnation wirke. Auch das Meister- Verhältnis hat er durchgehend beibehalten- wenn auch mit Hilfskonstruktionen. Helena Blavatsky, die bekiffte russische Ur- Theosophin, war nach Steiners Ansicht durch dieselben östlichen Meister KH und M in okkulte Gefangenschaft genommen worden wie später, 1907, der sterbende führende Theosoph Henry Steel Olcott, dem „<i>an seinem Krankenlager vor Zeugen die beiden Meister KH und M erschienen wären um ihm zu sagen, er solle A. Besant zu seinem Nachfolger bestimmen</i>“ (18)- was die Abspaltung Rudolf Steiners von der Theosophischen Gesellschaft einleitete. Dem waren eine Reihe von Skandalen vorangegangen wie die Coulomb- Affäre 1884/1885, in der Blavatsky selbst durch gefälschte Meisterbriefe korrumpiert wurde, was ihre endgültige Heimkehr von Indien nach Europa zur Folge hatte: „<i>Das Ehepaar Coulomb, das in Adyar Mme Blavatskys Haushalt besorgte, war mit seiner bescheidenen Stellung in der T.S. unzufrieden. Es fühlte sich zurückgesetzt und inszenierte einen Betrug, teils als Erpressungsversuch, teils als Racheaktion. Die beiden setzten sich in den alleinigen Besitz von HPB´s Wohnung und bauten dort geheime Durchreiche- Türen ein.</i>.“ (19), um ein Komplott zu schmieden, in dem Blavatsky als Fälscherin der „Meisterbriefe“ erschien.<br />
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Das sind nur einige Beispiele für die jahrzehntelangen Manipulationen, Betrügereien und Fälschungen in Bezug auf die „Meister“ bzw „Mahatmas“, die auch häufig in voller Öffentlichkeit diskutiert wurden. Es hielt Rudolf Steiner nicht davon ab, die Wirkung der Mahatmas auf Helena Blavatsky zu bestätigen: „<i>Und obwohl H.P. Blavatsky sehr gut wusste, was sie selber schauen konnte- sie war dadurch auch besonders bedeutsam, dass sie nicht bloß ein passives Medium war, sondern eine ungeheuer starke Erinnerung hatte für alles, was sich ihr aus den höheren Welten kundgab-, so mussten allerdings doch gewisse Persönlichkeiten auf sie einen Einfluss haben, wenn sie Kundgebungen aus der geistigen Welt hervorrufen wollte. Deshalb berief sie sich immer auf das, was eigentlich wegbleiben müsste, auf die Mahatmas. Die können ja dahinterstehen, darauf kommt es aber nicht an, wenn es gilt, die Menschheit zu fördern</i>.“ (20)<br />
<br />
Rudolf Steiner übernahm die Führung durch die „Meister“ trotz aller aufgedeckten Betrügereien und blieb ihr bis zum Ende treu: „<i>Sie wissen, dass hinter der ganzen theosophischen Bewegung hochentwickelte Wesen stehen, die wir „Meister“ oder „Mahatma“ nennen (..) Auf dem physischen Plane wirken sie durch die von ihnen beauftragten „Boten“, deren erster H.P. Blavatsky war, das heißt für die theosophische Bewegung erster..</i>“ (21) Nach seinem Tod wurde Rudolf Steiner dann folgerichtig selbst, wie die oben dargestellte Inszenierung von Marie Steiner- von Sivers andeutete, zum Meister gemacht- ein Eldorado für Scharlatane und Second- Hand- Okkultisten der Szene bis zum heutigen Tag. Momentan vertritt solche Spekulationen vor allem die angeblich stigmatisierte anthroposophische Hellseherin Judith von Halle (22).<br />
<br />
Man kann den Einfluss der Mahatmas z.B. auf Helena Blavatskys auch in ganz anderem Licht sehen- etwa aktuell wie der renommierte Esoterik- Forscher Wouter J. Hanegraaff (23), der nicht nur dem Haschisch- Konsum Blavatskys nachgeht, sondern auch einer minutiösen Auflistung der von ihr verwendeten Quellen, die heute völlig vergessen sind. Eine von ihnen, auf die sich Blavatsky am häufigsten bezieht, ist der Autor (24) Samuel Fales Dunlap (1825–1905), der seinerseits nichts als okkulte Quellen aneinander gereiht hatte. Blavatsky hat ihre umfangreichen, wirren Kompilationen aus solchen Kompilationen als Hörensagen von Hörensagen, gemixt mit ihren umfangreichen Kenntnissen okkulter Literatur, unter dem intensiven Einfluss des Konsums von Tabak und Haschisch aufgeschrieben und dem sehr weit reichenden Einfluss von wechselnden Lektoren überlassen: „<i>Blavatsky was an enthusiastic user of hashish. At the time, this was a perfectly legal substance that could be bought at pharmacies and was often advertised (..) as an “Eastern remedy, Used for Thousands of Years by the Ancient Hindoos, Persians, Jews, Greeks, Chinese, Japanese, Arabians, Egyptians, Chaldeans and the Assyrians.</i>”“ (23) Nichts - nicht einmal Opium- könne, so hat Blavatsky geäußert, ihre Inspiration so nachhaltig beeinflussen wie der Konsum von Haschisch. (25)<br />
Aber - ähnlich wie von Carlos Castaneda berichtet- wären Blavatskys Schriften, wie Hanegraaff aufzeigt, ohne den enormen Einfluss ihrer Lektoren wohl nie in lesbare Form gekommen. Die wechselnde Ausrichtung ihrer Schriften war nicht durch die Inspiration durch die von Rudolf Steiner angenommenen Mahatmas zustande gekommen, sondern durch ihre Co- Autoren, die eher als „Ghostwriter“ zu bezeichnen sind.<br />
<br />
Freilich, wer wie der am Anfang persiflierte stereotype Steiner- Anhänger, sein Selbstbild mit der geheimen geistigen Führung der Menschheit verquickt hat, wird von solchen Untersuchungen nicht zu beeindrucken sein. Hanegraaff selbst beendet seine Untersuchung mit dem theosophisch- anthroposophischen Totschlag- Argument „<i>Theosophists ended up with classic no-win logic: “if you had reached enlightenment, you would agree – therefore if you do not agree, clearly you have not yet reached enlightenment</i>” (23) oder- der kritische Betrachter sei eben noch nicht reif, noch im Materialismus gefangen oder gar ganz und gar in Ahrimans Hand.<br />
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____<br />
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1 Berlin, 28.10.1911<br />
2 Helsingfors, 11.4.1912 GA 158<br />
3 Köln 7.5.1912 in GA 265, S. 145<br />
4 GA 265, S.148: „<i>In den drei unteren Graden wird symbolisch all das erlebt, was an Erkenntnis der Welt der höheren Wesenheiten und Kräfte errungen werden kann. In den sechs höheren macht man dann intimere Bekanntschaft mit den okkulten Kräften selbst</i>.“<br />
5 handschriftliche Vorlagen aus Notizbuch Archivnummer 611<br />
7 „<i>In unserer okkulten Bruderschaft ist, wie in allen, eine Hierarchie statt der Demokratie, da nicht eine Volksabstimmung entscheiden kann, was Wahrheit ist, sondern hierüber nur solche befinden können, denen durch spirituelle Mächte die einzig richtige Erkenntnis geschenkt ist. Es wird eine Vergöttlichung der Arbeit und des Lebens, Weisheitslicht und Liebeswärme gewonnen und jeder erkennt im anderen als dem gleichstrebenden Bruder den göttlichen Wesenskern</i>.“<br />
8 Brief an Marie Steiner, 25.11.1905<br />
9 Hella Wiesberger, Rudolf Steiners esoterische Lehrtätigkeit, Dornach 1997, S. 226<br />
10 R. Steiner, Dornach 3.3.1923, GA 257<br />
11 Wiesberger, S. 228<br />
12 Wiesberger S. 181f<br />
13 Adolf Arenson in einem Rundbrief an die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft vom Oktober 1926 in: GA 265, Anhang<br />
14 GA 265, S. 151 ff „Ritualtexte“<br />
15 dito S. 160<br />
16 dito S. 161<br />
17 Anhang GA 265<br />
18 Hella Wiesberger, S. 145<br />
19 Hella Wiesberger, S. 139<br />
20 Hella Wiesberger, S. 136 R.St Dornach 11.10.1915<br />
21 GA 264, S. 86<br />
22 in: Judith von Halle, Rudolf Steiner – Meister der weißen Loge: Zur okkulten Biographie Gebundene Ausgabe – 10. Juni 2011<br />
23 <a href="http://correspondencesjournal.com/wp-content/uploads/2017/12/16401_20537158_hanegraaff.pdf">http://correspondencesjournal.com/wp-content/uploads/2017/12/16401_20537158_hanegraaff.pdf</a><br />
24 „<i>We learn from him that Dunlap was a wealthy Harvard-educated New York lawyer who had spent a period in Berlin where he studied ancient philology and delved into German Orientalist scholarship. His confused and unsystematic writings on ancient religion and mythology are largely grounded in German Orientalist scholarship, most of which was never translated into English. As already noted by Coleman, Dunlap’s books “consist almost wholly of quotations from and summaries of the writings of other authors, strung together by connecting remarks,” and Dunlap himself admitted that his works were “written by quotations</i>.” Quelle Hanegraaff 23<br />
25 „<i>[Blavatsky] was addicted to the use of haschish. She several times endeavoured to persuade me to try the effect upon myself. She said she had smoked opium, seen its visions and dreamed its dreams, but that the beatitudes enjoyed by the use of haschish were as heaven to its hell. She said she found nothing to compare with its effect in arousing and stimulating the imagination</i>.“ in Hanegraaff 23<br />
<br />*Mantram nach Marie Steiner</div><div><br /></div><div><div>Seiner Gedenkend, entzünden wir Kerzen,</div><div>In unseren Herzen brennt sein Licht,</div><div>Es leuchte hell, bringe Weisheit und Erkenntnis,</div><div>Rein wie er es in unsere Seelen senkt.</div><div><br /></div><div>Im werktätigen Schaffen erkrafte an ihm,</div><div>Unser Handeln dient seinem Geist,</div><div>Unser Geist erstarke in Ich-Durchchristung,</div><div>So wie er es uns vorgelebt hat.</div><div><br /></div><div>Wir stehen in Trauer und gedenken des Großen,</div><div>Der uns verlassen hat, doch dessen Werk bleibt bestehen,</div><div>Drei Altäre als Zeichen und Siegel seines Wirkens,</div><div>Vor uns stehen sie, strahlend und erhaben.</div><div><br /></div><div>Der Führer dieser Menschheitswende,</div><div>Diente dauernd an diesen Altären,</div><div>Holte sie aus den Tiefen des Tempels,</div><div>Und gab sie der Menschheit im Bilde, in der Kunst.</div><div><br /></div><div>In seinem Wort standen die Ideale im Mittelpunkt,</div><div>Weisheit, Schönheit und Stärke,</div><div>Er führte uns ihre Einzelauswirkungen und ihr Ineinanderwirken vor Augen,</div><div>Seine Worte bleiben in unseren Herzen bestehen.</div><div><br /></div><div>Doch auch wir haben Schwächen und Unvollkommenheiten,</div><div>Neben uns standen die drei bösen Gesellen,</div><div>Die bis zum Verrat und Vernichtungswillen gingen,</div><div>Die Saat des Hasses trug ihre Früchte.</div><div><br /></div><div>Der Bau stand in Flammen, wie einst das Eherne Meer,</div><div>Doch Rudolf Steiner lebte die Legende dar,</div><div>Durch sein Leben wurde die Menschheit kundgetan,</div><div>Er stürzte sich selbst ins sengende Feuer des Mittelpunktes.</div><div><br /></div><div>Wir sind das sengende Feuer für ihn gewesen,</div><div>Er nahm unser Karma auf sich,</div><div>Auf dass wir freier würden zum Dienen,</div><div>Doch sein letztes Lebensjahr war ein mächtiger Aushauch seines Geistes.</div><div><br /></div><div>Heute sind wir uns bewusst,</div><div>Einen Moment in der Weltgeschichte erlebt zu haben,</div><div>Der ein Angelpunkt, nicht nur ein Wendepunkt war,</div><div>Der Geist senkte sich hinunter in nie geahnten Strömen.</div><div><br /></div><div>In seinem Geiste versammeln wir uns heute,</div><div>Bittend, dass er unsere Schwächen und Unzulänglichkeiten überdeckt,</div><div>Mit dem Glanze seines Wesens und seiner Weisheit,</div><div>In seinem Namen rufen wir den Erzengel an</div><div><br /></div><div>den Hüter zu erkennen, der vor dem Tore steht </div><div>des Tempels zum jenseitigen Reiche.</div>
</div><div>(nach Marie Steiner, im Anhang GA 265, Ritualtext)</div>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-7420142909964583382023-04-12T09:29:00.001+02:002023-12-05T21:57:15.009+01:00Regne, mache fruchtbar: Von der antiken Kore zur Sophia<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: left; margin-right: 1em; text-align: left;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgAE1vLiTLNPLidLL22sQ0_D5sM5krZSInEn2TaZ85CtICt1C4EOgsd8e_gagNJqJBkcTfXCKyY7xJo0EzoxjiUfJbL-Eo6ouXgSmHy4w6X8wtgDUSddwy5TNTDyPklxh-iw1R4wIUgzSkN/s1600/agamben.jpg" style="clear: left; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="1181" data-original-width="771" height="400" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgAE1vLiTLNPLidLL22sQ0_D5sM5krZSInEn2TaZ85CtICt1C4EOgsd8e_gagNJqJBkcTfXCKyY7xJo0EzoxjiUfJbL-Eo6ouXgSmHy4w6X8wtgDUSddwy5TNTDyPklxh-iw1R4wIUgzSkN/s400/agamben.jpg" width="260" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><a href="https://www.fischerverlage.de/buch/giorgio_agamben_monica_ferrando_das_unsagbare_maedchen/9783100005328" target="_blank">Quelle S. Fischer Verlag</a></td></tr>
</tbody></table>
Auf denkbar zarte Art und Weise, die Raum läßt zur eigenen Beschäftigung und Meditation, geht <a href="https://www.fischerverlage.de/buch/giorgio_agamben_monica_ferrando_das_unsagbare_maedchen/9783100005328" target="_blank">Giorgio Agamben in „Das unsagbare Mädchen“</a> (1) dem Mysterium der <i>Kore</i> nach. Der eigentlichen Betrachtung folgen eine Reihe griechischer Textstellen, die sich um dieses Zentrum der eleusischen Mysterien bewegen. Die Kore stellt eine Art Nahtstelle dessen dar, das bis heute und für jeden von uns Zeitgenossen ein Rätsel bleibt: Denn wie soll man die Forderung einlösen, die Aristoteles (2) so benannte: „<i>Das Leben, da es eine Weihe und ein vollkommener Mysterienritus ist, soll erfüllt sein von Heiterkeit und Gemütsfrieden“</i>.<br />
<br />
Stecken wir den Rahmen der Vorstellungen über die Kore ab, so nähert sie sich als das „<i>unsagbare Mädchen“</i> nach Hermes Trismegistos (3), der sie „<i>Kore vom Kosmos“</i> nannte, dem Bild der Isis an: „<i>Mit dem Namen „Kore des Kosmos“ scheint sich die Figur der Kore mit derjenigen der Isis und dem Bild der Pupille zu verbinden, die im Griechischen kore heißt“</i> (4) - etwas, das das Schauen und den Blick ermöglicht.<br />
<br />
Zugleich ist die Kore mit Demeter verwandt: „<i>Demeter und Kore wurden „Herrinnen“ (Potniai) genannt; das verweist auf den kretischen Ursprung ihres Kultes, der dann nach Arkadien kam..“</i> (4) Diese Bildebene verweist auf die symbolisch- kultische Vereinigung von Göttern und Tieren. Daneben steht die Kore auch als kosmische Weberin in den Sternen: „<i>Und für die Seele ist der Körper, den sie um sich hat, eine Bekleidung.. so wird auch von Orpheus die Kore.. als Weberin überliefert, und die Alten sagen, dass auch der Himmel ein Umhang ist, als Bekleidung der himmlischen Götter</i>“ (5). Wenn wir die Textstellen betrachten (die übrigens jeweils im Buch auch im griechischen Original präsentiert werden) die die Kore thematisch umkreisen, stossen wir auf das Bild der Weberin des himmlischen und irdischen Logos: „..<i>da Kore und ihre ganze tanzende Schar in der Höhe bleibt, sagt man, dass sie die kosmische Ordnung des Lebens weben“</i> (6).<br />
<br />
Nach Plutarch soll das unsagbare Mädchen am <a href="https://www.skylinewebcams.com/de/webcam/italia/sicilia/catania/vulcano-etna-sud.html" target="_blank">Ätna in Sizilien</a> vom Gott der Unterwelt entführt worden sein (7): „<i>Deswegen geht in Sizilien, so sagen sie, niemand in der Nähe des Etna jagen, denn das ganze Jahr über wächst und blüht eine große Zahl von Bergveilchen auf den Wiesen, und der Duft, den der Ort stets hat, überlagert die Gerüche, die die Tiere ausstoßen. Aber es gibt auch die überlieferte Erzählung, wonach der Etna der Ort war, an dem Kore entführt wurde, während die Blumen sammelte (..), und aus diesem Grund ehren und respektieren die Menschen diesen Ort wie eine heilige Stätte und greifen die Tiere, die hier leben, nicht an.</i>“ Aber auch die Altstadt von Syrakus mit ihrer Süßwasser - Quelle unmittelbar am Meer gilt als ein solcher heiliger Ort. An anderen Stellen wird die Lieblingsblume der Kore, die Demeter entrissen wurde, als Narzisse bezeichnet - die „<i>antike Krone der großen Göttinnen</i>“. (8) In jedem Fall bleiben die Sinn- Bilder der „<i>Tochter mit hohen Knöcheln“</i> (Homer) einerseits, die die Blumen pflückt, und die der Mutter Demeter die „<i>mit Früchten Geschmückte“</i> ist, andererseits.<br />
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Schauen wir den Mythos dieses Raubes, in dem Demeter auch „als die Erde“ schlechthin angesehen wurde, während Kore „als die Samen“ verehrt wurden, jetzt einmal mit den Augen Rudolf Steiners an. Dieser sah die Kore auch als webende Gestalt der Natur an, die im Mittelalter als Natura oder Sophia verehrt wurde: „<i>Alte Eingeweihte beschrieben diese Frau, die lebendige, schaffende Natur als die Beraterin des Nus, des die Welt durchschaffenden Verstandes, der die Welt als Nus durchsetzenden, weisheitsvollen Vernunft, und sie nennen diese Frau eine Verwandte der Urania. Während Nus draußen im Kosmos beraten wird von Urania, wird er in unseren irdischen Gegenden beraten von der Natura. Wir finden in älteren Zeiten diese Frau wieder in Proserpina, in der Persephone, die der Mutter Demeter das Gewand webt. So verändern sich die Imaginationen im Verlaufe der Jahrhunderte, aber aus all diesen Imaginationen müssen wir entnehmen, daß das, was im fortlaufenden Strom der Menschheit gewirkt hat, eben die Geheimnisse der Initiation sind.</i>“ (9)<br />
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Den Mythos des Raubes - dem Herausfallen aus dem reinen, unzerteilten Reich, in dem es noch keine Unterscheidung zwischen Welt und Denken gibt - erläutert Steiner auf denkbar eindrückliche Weise, die in ihrer Bildsprache ("gleich dem Gesang der Lerche" den mythischen Schilderungen ähnelt: "und der Duft, den der Ort stets hat"): „<i>Demeter ist die Regentin der größten Naturwunder, eine Urgestalt des menschlichen Fühlens, Denkens und Wollens, deren wahrhaftiges Kind Persephone ist. Jene Urgestalt, die auf Zeiten hinweist, in denen das menschliche Gehirnleben noch nicht getrennt war von dem allgemeinen Leibesleben, in denen sozusagen Ernährung durch die äußeren Stoffe und Denken durch das Instrument des Gehirns nicht getrennte menschliche Verrichtungen waren. Da fühlte man noch, wie der Gedanke da draußen lebt, wenn die Saat auf den Feldern gedeiht, wie die Hoffnung wirklich da draußen sich ausbreitet über die Felder und durchdringt das Naturwunder- Wirken gleich dem Gesang der Lerche. Man fühlte noch, daß herein zieht mit dem materiellen das geistige Leben, untertaucht in den menschlichen Leib, sich läutert, zum Geist wird als die Urmutter, aus welcher elementar heraus geboren wird Persephone in der menschlichen Wesenheit selber.</i>“ (10)<br />
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Die „Entführung“ fand demnach im Menschen selbst statt, der der inspirierenden, moralischen Umwelt entrissen wurde und nur noch im Rahmen von Ausnahme- Situationen - den höheren Mysterien- in der Lage war, diese Inspiration zu vernehmen: „<i>Und so war es auch mit anderen Göttern. Indem sie den Menschen ernährten, ihn atmen ließen, die Impulse zum Gehen und Stehen anregten, gaben sie ihm zugleich die Impulse für Moral und alles äußere Verhalten. Demeter sah den Verlust ihres Kindes Persephone in der menschlichen Natur, den Raub durch die dichtere Körperlichkeit, so daß jetzt diese hellseherischen Kräfte nur mehr verwendet werden zur groben Ernährung der Körperlichkeit – indem Demeter sich sozusagen zurückzog von jener unmittelbaren moralischen Gesetzgebung der alten Zeit, was tat sie da? Sie stiftete ein Mysterium und gab von da aus in der neuen Gesetzgebung den Ersatz für die alte Gesetzgebung, die durch die Naturkräfte wirkte. So zogen sich die Götter von den Naturkräften zurück und in die Mysterien hinein und gaben den Menschen, die nicht mehr durch eine in ihnen wirkende Natur die Moral hatten, die moralischen Anweisungen"</i>. (11)<br />
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Der Raub der Kore, das Herausfallen aus der Ganzheit: Daraus ergibt sich die moderne, reflektierende Bewusstseinshaltung, die sich ihrer eigenen Quellen nicht bewusst wird, sondern gebannt ist von den Inhalten, den Objekten der Betrachtung, der umgebenden gegenständlichen "Welt". Von der Süße der Blumenfelder am Ätna aus betrachtet, ist das Reich der Erklärungen, der objektivierbaren Gewissheiten, der Individuation, von bedrückender Enge: Eine Verbannung, eine Einkerkerung in ein Schattenreich des Bewusstseins. Der antike Weg der Kore, der zum „ganzen“ Menschen führen soll, wird von Rudolf Steiner im modernen Sophien- Kult als <u>Erfahrung der Erkenntnis</u> wieder aufgegriffen: „<i>Nicht «Weisheit vom Menschen» ist die richtige Interpretation des Wortes Anthroposophie, sondern «Bewusstsein seines Menschentums»; das heißt, hinzielen sollen Willens- Umwendung, Erkenntnis- Erfahrung, Miterleben des Zeiten- Schicksals dahin, der Seele eine Bewusstseins- Richtung, eine Sophia zu geben.</i>“ (12) Freilich, damit kann keine Neuauflage der Eleusis gemeint sei, keine örtlich und zeitlich zu bestimmende Mysterien- Stätte, sondern nur ein innerer Ort der Zeitlosigkeit, den der individuelle Mensch in sich selbst zu erwecken in der Lage sein könnte. Anthroposophie mag und kann dazu ein Wegweiser sein.<br />
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Aber mit all dem haben wir noch gar nicht den Text Giorgio Agambens (1) berührt. Noch bewegen wir uns sozusagen im Nachklang der Originaltexte und im Feld der Deutungen und Neubegründungen Rudolf Steiners. Was ist das, was die Kore <i>unsagbar</i> macht? Gemeint ist doch: Das Mysterium besteht darin, dass es sich in der Verbalisierung auflöst oder vergiftet. Wie aber ist eine Berührung - und ein Berührtwerden - möglich ohne Sprache? Nicht einmal die Unterscheidung zwischen Mutter (Demeter) und Tochter (Kore) ist eindeutig: „<i>Kerenyi zitiert im Folgenden eine Inschrift aus Delos, in der die eleusinischen Gottheiten, Demeter (die Frau) und Kore (die Tochter) paradoxerweise miteinander identifiziert werden: </i>kai kores / kai gynaikos<i>, Mädchen und Frau zugleich</i>.“ (13) Das unsagbare Mädchen ist, geht man über banale Interpretationen hinaus, „eine dritte Figur“, ein Bewusstsein- im- Lebendigen. „<i>Kore</i>“ leitet sich sprachlich „<i>von einer Wurzel ab, die die Lebenskraft bezeichnet, den Antrieb, der wächst und der die Tiere und die Pflanzen wachsen lässt (koros bedeutet auch „Sprößling“)“</i> (14). Dennoch bleibt koros zu unterscheiden von den Demeter- Mysterien, die auch einen dionysischen Aspekt hatten, und deutlich älter waren als die griechische Kultur selbst.<br />
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Wie zahllose Figurinen beweisen, wurden die Natur- und Mutterkräfte bereits in einer Zeit verehrt und kultisch betrieben, die einer „Donauzivilisation“ (Danube civilization) vorangingen und ihre Wurzeln um 7500 bC in Anatolien (Çatalhöyük) hatte: „<i>Die Donauzivilisation, deren Anfänge im Neolithikum liegen und die ihre Blüte in der Kupferzeit erlebte, hat mit ihren Errungenschaften die Voraussetzungen für den rasanten Aufstieg der griechischen Kultur im ersten Jahrtausend v. Chr. geschaffen. (..) Die Anfänge des kulturellen Aufschwungs in Alteuropa liegen in einer Periode ökologischer Umwälzungen. Die Hypothese von einer Großen Flut, in der die Wassermassen des Mittelmeers die bis dahin bestehende Landbrücke am Bosporus durchbrachen, ist heute gut gefestigt. Es ist davon auszugehen, dass über diese Landverbindung Menschen aus Anatolien nach Westen migrierten, die bereits Ackerbau und Viehhaltung kannten. Als Folge der Flut entstand um 6700 v. Chr. das Schwarze Meer, die Küstenlandschaften verwandelten sich nachhaltig.</i>“ (15) In diesen frühen Zivilisationen, aus denen die griechische „Hochkultur“ hervorging, war die Demeter- Figur bis in jeden Haushalt hinein prägend: „<i>Marija Gimbutas hat als Erste darauf aufmerksam gemacht, dass an vielen Stellen der Haushalte Figurinen nicht nur wahllos herumlagen, sondern sorgfältig platziert waren, so auch neben den Öfen, in denen Brot gebacken wurde. Das Brotbacken war offensichtlich Teil eines System von häuslichen Ritualen: «Viele alltägliche Tätigkeiten des Haushalts wie Schlafen, Vorratswirtschaft, Mehl-Mahlen und das Zubereiten von Speisen waren eingebunden in häusliche Rituale, wie dies von den Figurinen ausgewiesen wird, die oft nahe von jeder Tätigkeit deponiert waren» (..). Die Figurinen dienten vermutlich als rituelle Utensilien (bzw. Attraktoren spiritueller Energie) zur Anrufung der Schutzpatronin des Ackerbaus, der Kornmutter.</i>“ (15) In den Figurinen war das Credo der gesamten Kultur des Sesshaftwerdens, des Ackerbaus, der Viehzucht und des Brotbackens, ebenso zum Bild geworden wie die Hoffnung auf gute Ernte und die Abgrenzung gegenüber den Nomaden.<br />
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Dem gegenüber ist die Kore ein Bild der Mysterien des Denkens und des Selbstbewusstseins - etwas, was kein Bildnis verträgt, ja nicht einmal sprachlich zu fassen ist: „<i>Kore ist das Leben, insofern es sich nicht „sagen“, also am Alter, an geschlechtlichen Identitäten und familiären oder sozialen Masken festmachen lässt“</i> (16) Deshalb blieb das eleusische Mysterium das <i>Drama mystikon</i> schlechthin, ein Mysterium des Schweigens: „<i>Myein, einweihen, steht etymologisch für „schließen“ - die Augen, vor allem aber den Mund. Am Anfang der heiligen Riten „befahl“ der Herold „die Stille“ (..)</i>“ (16). Allerdings sind dennoch Formeln überliefert, die im eleusischen Mysterium gesprochen wurden, verbunden mit dem Deuten auf eine aufgerichtete Ähre: „<i>hye, kye“</i>. Die Übersetzung - regne, mache fruchtbar - deutet nicht nur auf das banal offensichtliche (die Ebene der Demeter), sondern auf ein Erleben in der Vergegenwärtigung der Kore - im Sinne einer Inspiration und Intuition des Lebensspendenden auf der Bewusstseins- Ebene: Eine Initiation. <i>Regne, mache fruchtbar.</i><br />
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Die damit einher gehende Erfahrung lässt ganz wortwörtlich die Blumenwiesen an den Hängen des Ätna wieder erblühen. Die Süße der Kore ist für den mit ihr verbundenen Geist, der die Lebenskräfte schmeckt, mit Händen zu greifen, aber nicht in Worte zu fassen. Hier, an dem Quellpunkt allen Lebens, ist der Geist zu Hause. Hier hat er, der geraubt war, wieder zu sich gefunden. In diesem Sinne sind, aus seinen verlorenen esoterischen Dialogen, Anmerkungen von Aristoteles überliefert wie „<i>diejenigen, die direkt die reine Wahrheit berührt haben (..) behaupten, den letzten Begriff der Philosophie (..) erlangt zu haben, wie in einer Weihe (..)“</i> (17) Diejenigen aber, die diese Weihe empfangen, müssten nach Aristoteles „<i>nicht etwas lernen (..), sondern etwas durchleben und in einen bestimmten Zustand versetzt werden (..), natürlich wenn sie dazu bereit geworden sind (..)“</i> (18). Das alles sei nur möglich, „<i>wenn der Verstand selbst eine Erleuchtung erfährt (..)</i>“ (18)<br />
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Das reine Feld dieser Kore- Sophien- Kräfte, das die alten Demeter- Kulte auf die Ebene des bewussten Erlebens hebt, hat sich, wie im ganzen Werk Rudolf Steiners beleuchtet wird, bis heute wieder und wieder belebt und erneuert - es ist durchdrungen und tröstend beschützt durch die Auferstehungskräfte. Diese Ebene bedarf aber der aktiven Annäherung durch den Menschen, im Sinne einer geistigen Adäquatio, einer Kommunion in der Stille. Die Süße der Kore ist freilich nicht willentlich zu greifen- sie ergibt sich nicht dem groben Zugriff, sondern entspringt in einem Bereich, in dem das Individuum in die Zeitlosigkeit eingeht, aus der es hervor gegangen ist und in der es ständig unter der Oberfläche des Bewusstseins erhalten und regeneriert wird. Hier, im Bereich der Kore, zieht das Ich das Kleid an, das mit den Blumen des Etna bestickt ist.<br />
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Anmerkungen & Verweise </h3>
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1 Giorgio Agamben/ Monica Fernando, Das unsagbare Mädchen. Mythos und Mysterium der Kore, S. Fischer Wissenschaft, Frankfurt/ Main 2012<br />
2 Aristoteles De philosophia, fr. 14 in Agamben S. 40<br />
3 nach Johannes Stobaios in Agamben, S. 66<br />
4 Agamben, S. 67<br />
5 Porphyrius nach Agamben, S. 71<br />
6 Proklos nach Agamben, S. 73<br />
7 Plutarch nach Agamben, S. 77<br />
8 Agamben S. 92<br />
9 Rudolf Steiner, GA 161.58<br />
10 Rudolf Steiner, GA 129.21<br />
11 129.38f<br />
12 257.76<br />
13 Agamben, S. 9<br />
14 Agamben, S. 10<br />
15 Harald Haarmann, Das Rätsel der Donauzivilisation: Die Entdeckung der ältesten Hochkultur Europas<br />
O.A.<br />
16 Agamben, S. 11<br />
17 Aristoteles, Eudemos, nach Agamben, S. 13<br />
18 Aristoteles, De Philosophie, nach Agamben, S. 13Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-36594967141561172912023-02-16T13:32:00.003+01:002023-12-04T16:34:47.968+01:00Das Klagelied aus dem anthroposophischen Elfenbeinturm<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><br /></div>Gefühlte Verluste an der Substanz der ureigenen anthroposophischen Weltanschauung, die gesellschaftlich fortschreitende Säkularisierung und Kritik von allen Seiten an anthroposophischen Positionierungen während der Corona- Pandemie haben eine unschöne Stimmung innerhalb der Anthroposophenschaft hinterlassen, die den deutschen Generalsekretär Michael Schmock in seinem Ausblick auf das Jahr 2023 zu einem Resümee veranlasst hat:<p></p><p>„Die letzten Jahre waren mehr als herausfordernd – auch für viele Menschen in der Anthroposophische Bewegung und Gesellschaft. Wie lassen sich diese gegenwärtigen Veränderungen beschreiben und verstehen? Was ist in dramatischer Weise anders geworden? Was bleibt von dem Jahr 2022 und was haben wir 2023 zu erwarten? Dies ist der Versuch eines persönlichen Blicks auf die kulturverändernden Vorgänge.“ (1)</p><p>Schmock beklagt nach den Krisen während der Pandemie und nach Ausbruch der Krieges - die russische Invasion benennt Schmock als solche nicht- die „Art des öffentlichen Denkens, Sprechens und kommunikativen Handelns“, die „zu sozialen Spaltungen und Zerwürfnissen“ (1) führe. Auch an dieser Stelle wäre es für den Generalsekretär einer Erkenntnis- Gemeinschaft förderlich gewesen, zu der Fülle von anthroposophischen Publikationen, die von berechtigter Kritik an überzogenen Corona- Maßnahmen bis hin zu Leugnung und absurden politischen Verschwörungstheorien reichten, zumindest ein selbstkritisches Wort zu finden. Stattdessen beruft sich Schmock auf in Umfragen festgestellte Gefühle und das Erleben „vieler Menschen“, „die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung“ (1) eingeschränkt zu erfahren. Die „andersdenkenden Menschen“ fühlten sich diskriminiert und etikettiert. Offenbar beobachtet Schmock eine Eskalation der Narrative, die zu beklagenswerten öffentlichen Zuschreibungen wie „„Volksverräter“, „links-grün-versifft“, „rechts“, „Antisemit“, „Corona-Leugner“, „Schwurbler“, „Putin-Versteher“, „Esoteriker“, „wissenschaftsfeindlich““ (1) führten. So ginge insgesamt „das gemeinsame Ringen um Argumente und Verständnis verloren“ (1).</p><p>Von dieser Eskalation sei auch die Rezeption der Anthroposophie und Rudolf Steiners betroffen, wie eine Analyse der vielen kritischen Beiträge und Artikel gezeigt habe. Anthroposophen gegenüber werde „eine Reproduktion von Meinungen oder Vorurteilen“ (1) betrieben, die in Diffamierungen wie „„Schwurbler“, „Querdenker“, „Rassisten“, „Esoterik-Spinner“, „Corona-Leugner“, „Staatsfeinde“ oder „gefährliche Wissenschaftsleugner““ gipfeln würde. Das sei ein Signal „für ein Ende der Debatte und den Beginn einer sozialen, ethischen und weltanschaulichen Diffamierung“ (1) von Anthroposophen schlechthin. Damit sei die „diskursive Grundlage der Demokratie in Deutschland gefährdet?“ (1) Da hat Schmock nun die ganz große Keule heraus geholt. Die Schuldigen an der Eskalation der Diskurse liege bei den „Medienmachern“ (1), deren Wirken Schmock bei Bestseller- Autoren und Markus-Lanz-Couch-Philosophen wie Precht und Welzer studiert hat: „Harald Welzer und Richard David Precht analysieren in ihrem Buch „Die vierte Gewalt – Medien auf dem Prüfstand“, wie die Meinungsbildung als eine Art sozial-psychologisch motivierte „konzertierte Aktion“ zu einem stromlinienförmigen Produkt der Medienmacher geworden ist.“ (1)</p><p>Aber das weiß er noch weiter zuzuspitzen. Lusseyran (2), den Widerstandskämpfer und KZ- Insassen, zitiert er in dessen berechtigtem Aufschrei gegen Fanatismus und Autoritarismus, gegen die Manipulation der Massen und ihres Unbewussten. Daraus folgert Schmock: „Diese Zeilen stammen aus einer Zeit, in der die Manipulation der Massen, die Ausgrenzung und die Vernichtungsstrategien menschenverachtend und tödlich geworden waren. So weit sind wir heute nicht. Trotzdem scheint es mir sinnvoll, sich heute auf dieses Zeitzeugnis zu besinnen, um an den gegenwärtigen Symptomen und dem Umgang mit unseren gemeinsamen Sprachen aufzuwachen.“ (1)</p><p>Trotz der Relativierung scheint in den Augen Schmocks ein innerer Zusammenhang zwischen den Intentionen der Kritiker an anthroposophischen Weltanschauungen und den Zuständen zu bestehen, denen Lusseyran in Buchenwald ausgesetzt war. Diese Analogie erscheint mir nicht nur vollkommen überzogen, sondern auch geschmacklos zu sein. Zudem wirkt die Identifikation der „andersdenkenden“ Anthroposophen mit gefangenen Widerstandskämpfern genau als die Art von eskalierenden Narrativen, die Schmock gerade lauthals beklagt hat. Die Anthroposophen als Opfer einer medialen Meinungsdikatatur, die die freien Denker knechtet und verhöhnt. Es ist zum Mäusemelken. Die schlichten Weltbilder, die lähmenden Schwarz- Weiß- Narrative und Selbstgefühle, die Schmock beklagt: Er praktiziert eben das, was er den „Medienmachern“ unterstellt. </p><p>So bleibt leider wenig Hoffnung für seinen Schluss- Appell: „Für das Jahr 2023 wünsche und erhoffe ich mir diesen Aufwachprozess im gesamtgesellschaftlichen Diskurs.“</p><p><br /></p><p>------------</p><p>1 <a href="https://www.anthroposophische-gesellschaft.org/blog/aufwachen-am-gesamtgesellschaftlichen-diskurs">https://www.anthroposophische-gesellschaft.org/blog/aufwachen-am-gesamtgesellschaftlichen-diskurs</a></p><p>2 u.a. <a href="https://www.geistesleben.de/Wissenschaft-und-Lebenskunst/Falter-Fuer-den-Wandel-des-Menschen/Ein-neues-Sehen-der-Welt.html">https://www.geistesleben.de/Wissenschaft-und-Lebenskunst/Falter-Fuer-den-Wandel-des-Menschen/Ein-neues-Sehen-der-Welt.html</a></p><div><br /></div>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-79624450749288321662023-01-27T12:38:00.013+01:002023-12-05T21:59:21.094+01:00Karma- Deoroller, Kundalini und die sexuelle Revolution<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgq_JttE9Nv0JrDGP0-wr5qexEmHdAe79AkgnJudt3NEIsH1Z0axAsDdU3NBx619HiXpFGb-UDqzWaRMN_4EV4uKEcbCJh9_xrOLhI9AN2CUO441RrZvPFFAXCZY_Roo04GpF6FXIRbR3-t9cwnZJcYPvqZ1ng7N5BNcQCzETenrlBCtIv1Xd9XGSreVA/s1040/Bild%2019.01.23%20um%2011.33.jpeg" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1040" data-original-width="610" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgq_JttE9Nv0JrDGP0-wr5qexEmHdAe79AkgnJudt3NEIsH1Z0axAsDdU3NBx619HiXpFGb-UDqzWaRMN_4EV4uKEcbCJh9_xrOLhI9AN2CUO441RrZvPFFAXCZY_Roo04GpF6FXIRbR3-t9cwnZJcYPvqZ1ng7N5BNcQCzETenrlBCtIv1Xd9XGSreVA/s320/Bild%2019.01.23%20um%2011.33.jpeg" width="188" /></a></div><br />Ihr Gralssucher und anderweitig prekär Beschäftigten, natürlich habt Ihr Euch schon mit der zweiblättrigen Lotosblume und dem Geruchssinn beschäftigt- womöglich umfassend, wodurch jeder weitere Beitrag darüber obsolet werden würde, aber, wie der Weise sagt, Sei’ s drum. <div><br /></div><div>Kurt Leland großes Chakra- Buch jedenfalls (1), das wir hier zweimal angesprochen und noch immer nicht ausgeschöpft haben, endet mit ziemlich kryptischen Aussagen über den Geruchssinn in Bezug auf meditative Praxis. Es wird empfohlen, bestimmte Ebenen geistiger Erfahrung mit diversen Gerüchen zu markieren. Benötigt werden dazu nicht etwa Kräutern aus dem Garten, sondern die „aromatherapeutischen Chakra- Ausgleichs- Deoroller von Aura Cacis“ (2)(3), die je nach Level der Erleuchtung diverse Düfte assoziieren lassen, wodurch, wie Leland verspricht, später eine Rückkehr in diesen Zustand deutlich erleichtert werde, denn: „Man weiß schon lange, dass Düfte starke Auslöser von Erinnerungen sind.“ (2). Man muss ja auch bedenken, wie alle Morgenlandfahrer und Gralssucher wissen: Der „Pfad der Meisterung der Körper und Ebenen“ (2) ist auch deshalb so dornig, weil man in diesen Zonen so verdammt vergesslich ist. Es könnte durchaus sein, dass es der Adept sämtliche Körperhüllen bis hin zur Aura, dem Kasusalkörper, zum „voll funktionierenden Träger des Bewusstseins ..durch Aktivierung und Meisterung der Chakras in dem jeweiligen Körper und und zugeordneten Unterebenen“ (2) geschafft hat, sich aber danach nicht im geringsten daran erinnern kann. Darum, wenn man die wie auf einem Spruchband auf dem Kausalkörper herumlaufenden Folgen von vergangenen Inkarnationen sehen möchte, sollte man schnell das geeignete Karma- Deo heraus holen und sich mit dem Duft markieren, damit sich der sonst unwiederbringlich verlorene Augenblick (rauchig süß nicht nur als Geruch, sondern im Gedächtnis) verankern kann, denn denke daran: <p></p><p>„<span>Gleicht die Krone Chakra aus</span></p><p><span>• Befreit Energien der siebten Chakra</span></p><p><span>• Erregt Körper & Seele</span></p><p><span>• Kreiert ein rauchiges süsses Aroma</span></p><p><span> CHAKRA AUSGLEICHENDE AROMATHERAPIE DEOROLLER hilft den spirituellen und emotionalen Energiefluss der Krone Chakra auszugleichen. Eine der sieben Energie Mittelpunkte die den Körper und Seele verbinden, die Hals Chakra ist auch als das siebte Chakra bekannt. Es ist auf dem Kopf, es ist der Energie Mittelpunkt zur Aufmerksamkeit, spirituellen Verbindung und höheres Bewusstsein. CHAKRA AUSGLEICHENDE AROMATHERAPIE DEOROLLER enthält eine Mischung einer biologischen Aura von Cacia Öl wie Lavendel, Zitrus und Vanille um die freie Energie in diesem Chakra fliessen zu lassen um das Gefühl von Aufklärung, Zusammenhang und Optimismus zu steigern. Um die Krone Chakra zu pflegen, tragen Sie CHAKRA AUSGLEICHENDE AROMATHERAPIE DEOROLLER hinter Ihren Ohren auf.“</span> (3)</p><p>Nun mag es den einen oder anderen möglicherweise auch leicht deprimieren, zu sehen, wie über 100 Jahre Evolution der Chakra - System- Auffassungen in einem kommerziellen Produkt münden, das verspricht, Blockaden aufzulösen, um die freie Energie in einem Chakra fließen zu lassen. Der lange Weg von Leadbeater und Blavatsky, also den theosophischen Stammvätern und -müttern, die die Visionen von Shambala- inspirierten tibetischen Meistern empfingen, bis hin zum kalifornischen Esalen- Institut, Rolfing, Encounter- Gruppen, Oshos riesigen Sanyassin- Versammlungen endet in einem Lavendel- Öl- Duft- Deo- Roller?</p><p>Aber es wird in mancher Hinsicht noch ernüchternder. <a href="https://portal.findresearcher.sdu.dk/en/persons/ohammer" target="_blank">Olav Hammer, </a>einer der von Leland angeführten Religionsgeschichte und Esoterik- Forscher, hat ein bestimmtes Phänomen untersucht, das Leland selbst in seiner Beschäftigung im Studium von Chakra- Systemen aufgefallen ist: Olav Hammer nennt das Phänomen „in der Evolution von New- Age- Glaubensinhalten (..) <i>Quellen- Amnesie“</i> (4): „In der Psychologie bezieht sich dieser Begriff auf die nicht ungewöhnliche Tatsache, dass man sich an ein Stück Information erinnert, aber vergisst, wo man es erfahren hat.“ (5) Quellen- Amnesie könne auch so verstanden werden, dass ein allgemeiner Begriff, der in Verbindung mit einer älteren Tradition gebräuchlich ist, mit spezifischen modernen Neuinterpretationen assoziiert wird (5). Dadurch baut sich mit der Zeit eine „Kette von Übermittlungen auf, in welcher die letzten Sprecher vielleicht über einen Zeithorizont verfügen, der nicht weiter als zwanzig oder dreißig Jahre zurück reicht und vor dem alles, was älter ist, als Teil einer fernen, diffusen Vergangenheit empfunden wird.“ (5) </p><p>Nicht selten ist die Ungenauigkeit nicht einfach auf Nachlässigkeit oder Ungenauigkeit zurück zu führen, sondern wird absichtlich und wiederholt betrieben, da der „Autor wünscht, einen Eindruck von eigenständiger Kompetenz zu vermitteln, um Verleger und Lesern zu imponieren, oder ist besorgt, man könne ihm vorwerfen, dass er Material stehle, das von anderen geliehen ist und dass er nichts Neues zu sagen habe.“ (4) Und so ein offensichtliches Plagiat gehört nun gerade nicht in das Selbst- und Außenbild von Okkultisten, die angeblich Tag für Tag von durch Hellsichtigkeit bedingten unerschöpflichen Inspirationen zehren. Die Rechtfertigung für das Weglassen von Quellen und absichtliches Plagiieren ist in der Esoterik- Szene nicht selten, dass sowohl Quelle wie Plagiat angeblich in einer zeitlosen Weisheit wurzelten, die fortwährend „in alten und modernen spirituellen und religiösen Doktrinen und Praktiken Ausdruck“ (4) fände. Es beruhe alles auf Intuitionen „in Form von Einbrüchen aus einem kollektiven Unbewussten oder als Lehren aus einer ewigen Überlieferungslinie sterblicher oder unsterblicher, verkörperter oder entkörperter (d.h. gechanneltes Material) menschlicher oder außenplanetarischer spiritueller Meister“ (4), wodurch so etwas wie Herkunft, Quellen oder gar Urheberrechtsfragen praktisch irrelevant werden würden. </p><p>In der Esoterik- Literatur scheint die Quellen- Amnesie weit verbreitet zu sein. Gegen die Annahme, dies betreffe auch Rudolf Steiner, kämpfen wackere Anthroposophen bis heute an, indem sie - allen voran Lorenzo Ravagli- Forschungsarbeiten wie die von Helmut Zander zu „widerlegen“ versuchen, der das geistige Umfeld und die Quellen Steiners im Detail untersucht und analysiert. Die reaktionären Anthroposophen führen dabei die klassischen Argumente esoterischer Plagiatoren an, Rudolf Steiners Schauungen entstammten einer zeitlosen Weisheit, einer ewigen Überlieferungslinie: „All diese mythischen und mystischen Traditionen existierten bereits vor der Theosophie des 19. Jahrhunderts, hatten keinerlei Bezug zu indischen Quellen, sind aber deutliche Indizien dafür, dass die mystische Erkenntnis, die sowohl den Mythen als auch der historischen Gnosis und der jüdischen Überlieferung zugrunde liegt, immer schon die Anschauung von einer »geistigen Grundlage der Welt« besessen hat, in der die Geschichte des Vergänglichen wurzelt.</p><p>Es ist also nicht erforderlich, erklärt Lorenzo Ravagli, auf.. »okkultistische Memorationskonzepte« zurück zu greifen, um den Gedanken einer Akasha-Chronik, eines Weltgedächtnisses, aus diesen herzuleiten, wie Zander dies tut. (Zander I, S. 621 f.) Es ist auch nicht erforderlich, die Quelle für diese Vorstellung, die dann »auf nicht näher nachvollziehbaren Wegen« zu Steiner gekommen sein soll (Zander I, S. 622), bei Blavatsky zu vermuten. Orientiert man sich an Steiners eigenem Selbstverständnis, ist es ohnehin nicht erforderlich, irgendeine Quelle außerhalb seiner eigenen Forschungen zu postulieren.“ (6) Aber darum geht es ja: Orientiert man sich nur am Selbstverständnis des Esoterikers, wird man die Entwicklung einer Ideen- Gestalt selten nachvollziehen können, da die Quellen häufig nicht genannt werden. Da Rudolf Steiner in Form der „Akasha- Chronik“ selbst ein okkultistisches Memorationskonzept vorgelegt hat, liegt bei ihm die „ewige Überlieferungslinie“ argumentativ vor der Nase des geneigten Anthroposophie- Followers. Quellen sind für den Anhänger durchaus nachrangig. Wie originell und einzigartig Rudolf Steiner auf Konzepte wie die Chakras eingegangen ist, lässt sich durch eine weit genug gefasste Textsuche im Gesamtwerk ohnehin jederzeit nachweisen. </p><p>Ein weiteres Kennzeichen der Evolution esoterischer Erklärungsmodelle - neben der selektiven Amnesie- scheint die <i>eskalierende Assoziationskette </i>oder Synthese zu sein. Dem schönen 7er- System der Chakras hat sich, Autor für Autor, Jahr um Jahr, Hellseher um Hellseher, stets ein Jahresring weiterer synthetischer Zuordnungen hinzugesellt, so dass am Ende ganze Tabellen von Bezügen entstanden. Waren es zuerst die Farben, gehörten später Edelsteine, Drüsen des Körpers, meditative Symbole, diverse Grade der Erleuchtung, Planeten, Triebe und Begierden bzw. deren Auflösung, Massage- Griffe und Grals- Bilder zu jeweils einem Chakra. Häufig handelt es sich keineswegs nur um eine Theorie, sondern um ein Lebenswerk, dem sich ein hellsichtiger Meister widmet, Buch um Buch schreibt, Schulen gründet, eine Schar von Adepten um sich schart, eine Weile publizistisch Verbreitung findet, um dann ganz und gar vergessen zu werden- oder um in einem neuen Werk eines späteren Meisters aufzugehen, manchmal ohne jemals namentlich erwähnt zu werden. Handbücher zum höheren Bewusstsein bringt jedes Zeitalter und jede Generation hervor, aber die Protagonisten werden meist vergessen. Bei einigen, die in jüngster Vergangenheit doch noch in Standardwerken (7) Erwähnung fanden, erzielen antiquarische Ausgaben bei Amazon absolute Höchstpreise.</p><p><i>Reziproke Bedeutungs- Aufladung (</i>der Begriff ist erfunden)<i> </i>erscheint mir ein weiteres Phänomen der eskalierenden Esoterik- Chakra- Systeme zu sein. Es ist eine Sache, Assoziationsringe zu bilden- Farben werden Chakras zugeordnet, den Farben wiederum Edelsteine, den Edelsteinen Planeten, usw. Zugleich wird aber ein Art Umkehrschluss gezogen, dass die Farben oder Edelsteine, die gerade erst assoziiert worden sind, auch auf das Chakra heilend, besänftigend, Blockaden abbauend wirken sollen. Damit kommt in die Kette erst richtig Schwung, und es wird eben auch wirtschaftlich interessant. Ein ganzes Buch- Genre, Heiler- Dynastien und Industrien können solchen reziproken Zuordnungen entspringen, ja sogar psychologische Richtungen, die in der Ausprägung von Chakras Persönlichkeit- Typen entdecken. So entstehen bizarr wirkende kombinierte Diagnosen wie „Der Kristall von Grün ist eine Modifikation des Quadrates, fast sechseckig“. Selbst Blumen, Monate, spezifische Bedürfnisse, musikalische Noten und chemische Substanzen finden ihre Entsprechungen, wobei der eine oder andere Bezug auch mal wieder für Jahrzehnte vergessen werden kann. </p><p>Die Hierarchie innerhalb des Chakra- Systems - ein weiteres Charakteristikum der Chakra- System- Entwicklung-, wird durch die aufsteigende Kundalini- Energie beschrieben und ist heute in jedem Yoga- Seminar als energetischer Flow, Überwindung von Blockaden im allgemeinen Sprachgebrauch. Schon Helena Blavatsky hatte ihre Schüler im engen Kreis ihrer Schüler über Kundalini unterrichtet- erstmals populär wurde die Schlangenkraft ab 1893 durch den Königlichen Yoga des Swami Vivekananda, der regelrechte Tourneen damit durch England und Amerika unternahm. Sein System bezeichnete er auch als Raja- Yoga. Die Befreiung der durch die Chakren aufsteigenden und befreiten Energie geschah von unten nach oben und wurde durch Atem- Techniken angeregt. In den theosophischen Schriften und Übungen gab es Varianten beim Wecken der Kundalini durch Meditation - beispielsweise auch Einbeziehung von Nebenströmungen oder Bezugnahme auf die Apokalypse: „Das Öffnen der sieben Siegel“ (8). Dazu kam später die westliche Inbeziehung- Setzung zu inneren Organen und Drüsen, was vor allem durch Alice Bailey um 1930 (9) als feste Korrelation formuliert und in Tabellen visualisiert wurde. Sexualität- Liebe- Macht - Kreativität- Selbstausdruck- Imagination wurden in einer Hierarchisiserung der Chakras zu vulnerablen seelischen, sozialen und spirituellen Ebenen, in denen sich das Individuum als blockiert erleben konnte. Der spirituelle Lehrer wurde so in der Folge ersetzt durch diverse Heiler, da die Blockierung des Chakras wegen der Verbindung zu den assoziierten inneren Organen auch zu körperlicher Erkrankung führen konnte. Das so assoziierte und hierarchische Chakra- System wurde so zur Grundlage esoterischen Heilens. </p><p>Ein besonderes Beispiel für die Verquickung eines solchen Kundalini- Systems mit Anthroposophie ist das, was Max Heindel und die von ihm begründete <i>Rosicrucian Fellowship </i>vertrat. Besonders auch deshalb, weil der als so moderat geltende Rudolf Steiner gerade über Heindel in Rage geriet und diesen beschimpfte (10). Der chronisch klamme Heindel war auf Einladung einer Schülerin Steiners nach Dornach gekommen und dort sehr bald in die engsten esoterischen Zirkel um den Meister gelangt. Er hatte sich, wie es Rudolf Steiner öfter passierte, dessen Vertrauen offenbar erschlichen. Als es zum Zerwürfnis kam, musste Heindel, von seiner Dornacher Gönnerin entfremdet, in die USA zurück kehren (11) und schrieb im Rahmen seiner Version von Rosenkreuzertum Bücher, in denen er sich der anthroposophischen Nomenklatur bediente, aber doch so weit distanzierte, dass der Vorwurf des Plagiats, den Rudolf Steiner vertrat (oder des Mysterien- Verrats, wie geneigte Anthroposophen gerne munkelten) übertrieben erscheint. Heindel behauptete ja, erst nach seinem Fortgang aus Dornach durch einen Meister eingeweiht worden zu sein. Im Kern vertrat Heindel in seinem Rosenkreuzer- Buch (12) ein 7er- System im Sinne von Helena Blavatsky mit den Zeilen des Vaterunser, wobei bei Heindel z.B. „Erlöse uns von dem Übel“ als „Gebet für den Intellekt“ (13) in der Mitte steht, in der „siebenfachen Zusammensetzung des Menschen“ (13). </p><p>Das alles sind aber beim Übergang der Verschmelzung östlicher Kundalini- und Chakra- Strömungen mit dem, was der Westen daraus machte, nur exotische Nebenkriegs- Schauplätze. Denn was als die nächste <i>Merger</i>- Eskalationsstufe von Kundalini, Chakren- Systemen auf der einen und der boomenden Selbst- Vervollkommnungs- und -Verwirklichungs -Industrie auf der anderen Seite zusammenfließen sollte, war psychedelischer und sexueller Natur. Ja, die sexuelle Revolution nahte. Vielleicht war es C.G. Jung, der nach einem Studium von <i>The Serpent Power </i>im Gespräch mit einer Patientin Bilder von Kundalini und Chakras erfolgreich ins Spiel brachte: „Die Vorstellungen von Kundalini und den Ebenen des Bewusstseins, die mit den Chakras assoziiert werden, boten Jung einen Weg, mit der Bildersprache in den Träumen und Mandalas seiner Patienten zu arbeiten, was zu einem Rückgang ihrer Symptome führte. (14) Von nun an beschäftigte sich Jung mit Indologen, Mythologen, spirituellen Fachleuten, hielt aber auch selbst Vorträge über sein Verständnis von Kundalini. Diese „Grenzüberschreitung“ C.G. Jungs von Psychiatrie zu östlichem Okkultismus und Symbolik inspirierte sofort weitere Fachleute wie den deutschen Indologen Spiegelberg, der später den Begründer des kalifornischen Esalen- Instituts beriet. Jungs Vorträge selbst wurden allerdings erst eine Generation später, in den 70ern, publiziert. Für Jung war die Basis der „Ort, wo der Menschen Opfer von Impulsen, Instinkten, Unbewusstheit“ sind, das Genital „Irrtum und Begehren“, der Nabel ein „Zentrum der Emotionen“, das Herz der Anfang der Individuation, die Kehle das „Aufgeben der Bilderwelt, eine Bewusstwerdung der ewigen Dinge“, die Stirn die Uni mystica mit der Gottesmacht und schließlich der Scheitel: „da ist kein Objekt.. da ist Gott nicht mehr, sondern nur noch Brahman..“ (15)</p><p>Brahman hin oder her, worum es bei dem Esalen- Institut, im New- Age und der psychedelischen Erfahrung ab der 60ern ging, waren die subtilen Energien. Darunter wurde alles gefasst, was bislang als Chakras, Kundalini und Aura durch die Esoterik- Literatur, durch Communities, Sekten und Seminare waberte: „Im New- Age- Kontext wird das Wort Energie häufig als grundsätzliche Gegebenheit vorausgesetzt und absichtlich vage und unerklärt gelassen- oder von pseudowissenschaftlichen Grafiken und Spekulationen umgeben, die es mit Quantenphysik in Verbindung bringen.“ (16) In Esalen versuchte man, das menschliche Potential auszuschöpfen und bediente sich dabei der vorhandenen Energien, sei es von Individuen oder Gruppen, um eine „gesteigerte Vitalität“ (16) zu entfachen. Das war faktisch die materialistische Umdeutung von Knadalini und Einweihung. In Esalen ging es um Erfüllung- sei es „körperlich, sexuell, emotional, gesellschaftlich (oder) spirituell“ (16), ja Esalen verstand die „Wirklichkeit und Macht der Energie“ im Sinne einer „mystischen und erotischen Kraft“ (16). Die ursprüngliche Quelle der verwestlichten Kundalini- Chakra- Interpretationen, die theosophische Bewegung Ende des 19. Jahrhunderte, war aber nicht mehr Teil dieser esoterischen Umdeutungen- wohl auch, da der moralisierende, ja warnende Ton bei Leadbeater und seiner Generation nicht mehr ins Weltbild passte. Leadbeater hatte noch gewarnt, das vorzeitige Wecken der Kundalini werde „Satyrn in Ungeheuer (sexueller) Verderbtheit“ (16) verwandeln. Erst in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts hatten sich diese Befürchtungen verstreut, und stattdessen wurde, etwa bei Sydney Arundale, Sexualität und Kundalini als weibliche, kreative Elemente, als Ausdruck von Vitalität verstanden. Dennoch entstand mit den aufkommenden Yogis ein schmaler Grad zwischen esoterischer Beeinflussbarkeit und hedonistischer Promiskuität. Indirekt war auch Esalen durch tantrische Yogis beeinflusst. Vor allem aber natürlich auch durch ein Schwergewicht, nämlich Wilhelm Reich. </p><p>Reichs „Orgon“- Begriff ging über Sigmund Freuds Libido- Vorstellung weit hinaus, denn der zunächst instinkthafte Sexualtrieb, der sublimiert in intellektuellen, schöpferischen und geistigen Aktivitäten sichtbar werden konnte, wurde für Wilhelm Reich zu einer kosmischen und universellen Kraft. Das hatte, von der Psychoanalyse kommend, große Ähnlichkeit mit den Kundalini- Chakra- Interpretationen. Auch die „Blockaden“ oder „Panzerungen“ - seien sie sexuell, von den Chakren her, spirituell, emotional oder körperlich aufgefasst (und die Notwendigkeit ihrer Er- Lösung, um den Anschluss des Individuums ans orgastische oder kosmische Ganze zu bewerkstelligen), wurden zum Anstoss für immer neue Therapie- Ansätze wie die Bioenergetik. Dass Wilhelm Reich tatsächlich sieben Zonen körperlicher Panzerung identifizierte führte dazu- „dass die Leute in Esalen (Reichs Vorstellungen) als eine unabhängige, westliche, wissenschaftliche Validieren der Existenz des östlichen Chakrasystems betrachteten.“ (17) Neo- Tantrische Bewegungen wie die von Osho folgten später und hoben Bhagwan Shree Rajneesh eine Zeitlang, bis zu seinem tiefen Sturz, auf den goldenen Thron des King of Gurus. </p><p>Seit der Jahrtausendwende tauchen immer wieder messianische Gestalten auf, die eine Zeitlang die Vorzüge modernen Gurutums und die damit verbundene Neu- Ausrichtung der Follower in Richtung Erleuchtung predigen- teilweise, angeschoben auch durch YouTube und Social Media insgesamt, mit riesigem Gefolge und weltweiten Organisationen. Meist evozieren bestimmte Übungen, Meditationen und Massen- Suggestionen bestimmte spirituell beeindruckende Erfahrungen in den Anhängern, die den eigentlich schlichten hierarchischen Strukturen der klassisch- theosophischen und neo- tantrischen Kundalini- Chakra- Muster folgen. Meist zerbrechen die Guru- Schüler- Beziehungen meist aufgrund innerer Widersprüche und Spannungen innerhalb des Systems. </p><p>Anders sieht es mit der Säkularisierung der Kundalini aus, die heute z.B. in der Health- App von Apple und bei YouTube in unzähligen Yoga- Kursen, in Fitness- Studios und Selfcare- Ratgebern. Vor einem Millionen- Publikum raten die Online- Yoga- Lehrer, das Licht durch ihren Scheitel einzuatmen, die Energien fließen zu lassen und sich in der Herzmitte zu sammeln. Das Vokabular, die esoterische Symbolik, die alte energetische Vorstellung fließen ein in die Lebenswirklichkeit der Allgemeinheit. Das Fremdeln, Schaudern, narzisstische Empfinden von Auserwähltheit, das den Nimbus der Esoterik ausmacht, ist in eine pragmatische, völlig säkulare Gesundheit- Vorsorge übergegangen. Auf Instagram beweisen Jung und Alt, Frauen, Männer, Kinder, Hausfrauen und gestählte Muskelmänner in exotischen Umgebungen, in freier Natur oder im heimischen Wohnzimmer vor der Klangschale, wie gut und gesund die ausgewogene, gekonnte Bewegung, die dem Weg der Kundalini folgt, tatsächlich aussieht. Tatsächlich wirken Meister der Balance in ihrer ganz eigenen Ästhetik von Ruhe, Bewegung, Balance und Stille wie eine eigene Kunstform. Dass die Übungen in körperlicher Balance, die ein Multi- Millionen - Publikum erreichen, das seine Chakras energetisch auslotet, von Apple nicht nur auf jedes Smartphone gestreamt wird, sondern selbst auf die Uhren, bringt die stets anschließenden meditativen Phasen in jedermanns Alltag hinein. Fokussierung, Stille, das Erwachen des inneren Bewusstseins, wird aus den Nischen der esoterischen Zirkel mit ihrem Muff und ihren autoritären Strukturen ins technologische und demokratische Allgemein- Wissen überführt. </p><p>Tragen wir den Karma- Deo- Roller- Duft und befreien das Herz- Chakra! Feiern wir die Erleuchtung auf der Apple- Watch! Freiheit für Helena- Blavatsky und ihre theosophische Kundalini- Schlange! Raus aus dem Muff der esoterischen Kopf- Geburten und der verdrucksten Orgon- Spezialisten! </p><p><br /></p><p>—————————</p><p>Verweise, Zitate und Links</p><p><br /></p><p>1 Kurt Leland, Das Chakra System. Die feinstoffliche Struktur des Menschen, Grafing 2016</p><p>2 KL S. 430ff</p><p>3 <a href="https://www.biovea.com/de/product/detail/6062/chakra-ausgleichende-aromatherapie-deoroller-biologisch-enlightening-crown">https://www.biovea.com/de/product/detail/6062/chakra-ausgleichende-aromatherapie-deoroller-biologisch-enlightening-crown</a></p><p>4 KL, S. 83 ff</p><p>5 Olav Hammer nach KL, S. 83f</p><p>6 Ravagli in <a href="https://www.zander-zitiert.de/publikationen/anthroposophie-in-deutschland/dubiose-quellen/?tx_bbzitate_zitate%5B%40widget_0%5D%5BcurrentPage%5D=2&cHash=3a218cf8e4d3073fc7ca9e54793eb53f">https://www.zander-zitiert.de/publikationen/anthroposophie-in-deutschland/dubiose-quellen/?tx_bbzitate_zitate%5B%40widget_0%5D%5BcurrentPage%5D=2&cHash=3a218cf8e4d3073fc7ca9e54793eb53f</a></p><p>7 Etwa in Barbara Brennans „Lichtarbeit“, dem komplexesten Chakra- Werk, in dem die Assoziationskette sich selbst übertrifft, da zusätzlich Neben- Chakras, chinesische Medizin und Akupunktur- Punkte ins Chakra- System eingeführt werden https://de.wikipedia.org/wiki/Barbara_Brennan</p><p>8 KL, S. 184</p><p>9 in The Soul and its Mechanism (1930)</p><p>10 Rudolf Steiner über Max Heindel: „Sehen Sie, wir haben heute schon gründlich genug Feinde, und die Art, wie sie vorgehen, ist ja eine ganz eigentümliche. Ich will über diesen Punkt nicht sprechen, Sie kennen ihn vielleicht aus den «Mitteilungen». Sie kennen ja auch die merkwürdige Tatsache, daß es seit längerer Zeit Menschen gibt, die davon sprechen, wie infiziert von allem möglichen engherzigen Christentum, ja sogar von Jesuitismus die Lehre ist, die von mir verkündet wird. Insbesondere sind es gewisse Anhänger der sogenannten Adyar-Theosophie, welche in der schlimmsten Weise eben diesen Jesuitismus verkünden und lauter gehässiges, gewissenloses Zeug reden. Aber dabei tritt auch noch das zutage, daß von einer Stelle aus, wo man recht sehr gewütet hat gegen das Engherzige, Verkehrte, Verwerfliche, unsere Lehre bodenlos gefälscht worden ist. Es hat unsere Lehre ein Mann, der aus Amerika kam, durch viele Wochen und Monate kennengelernt, aufgeschrieben und dann in verwässerter Gestalt nach Amerika getragen und dort eine Rosenkreuzer- Theosophie herausgegeben, die er von uns übernommen hat. Er sagt zwar, daß er von uns hier manches gelernt habe, daß er aber dann erst zu den Meistern gerufen wurde und von ihnen mehr gelernt habe. Das Tiefere aber, was er aus den damals unveröffentlichten Zyklen gelernt hatte, verschwieg er als von uns gelernt. Daß so etwas in Amerika geschah - man könnte ja, wie der alte Hillel, in Sanftmut bleiben; man brauchte sich diese auch nicht nehmen lassen, wenn das auch nach Europa herüber spielt. Es wurde an der Stelle, wo man am meisten gegen, uns gewütet hat, eine Übersetzung gemacht dessen, was über uns nach Amerika geliefert worden ist, und diese Übersetzung wurde eingeleitet damit, daß man sagte: Zwar träte eine rosenkreuzerische Weltanschauung auch in Europa zutage, aber in engherziger, jesuitischer Weise. Und erst in der reinen Luft Kaliforniens konnte sie weiter gedeihen. - Nun, ich mache Punkte . . . ! Das ist die Methode unserer Gegner. Wir können nicht nur mit Milde, sondern sogar mit Mitleid diese Dinge ansehen, aber wir dürfen den Blick nicht davor verschließen.“ R. Steiner, GA 148, S. 97</p><p>11 „In der Adyar-TG hatte er Alma von Brandis kennengelernt, die eine esoterische „Geheimschülerin“ Rudolf Steiners war. Diese lud ihn 1907 ein, auf ihre Kosten mit nach Deutschland zu Rudolf Steiner zu fahren. Steiner war zu jener Zeit Generalsekretär der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft. Auf Brandis Empfehlung und wegen seines früheren Vizepräsidentenpostens bei den Theosophen in Los Angeles, akzeptierte Steiner ihn als «Geheimschüler» in seiner rosenkreuzerisch ausgerichteten Esoterischen Sektion, deren Gründer und autokratischer Leiter er war. Dort nahm Heindel fünf Monate lang, von November 1907 bis März 1908, an dessen Geheimschulungen und esoterischen Vorträgen teil. Auch in der noch geheimeren steinerschen „Freimaurerei“ des sogenannten Misraim-Dienstes wurde er aufgenommen. Steiner sprach in dieser Zeit unter anderem über die Rosenkreuzer, die Referate waren unter Verwendung der theosophischen Terminologie ausschließlich von Steiners eigenen Gedanken geprägt. Heindel war von den Ausführungen Steiners sehr enttäuscht. Das führte im April 1908 zur Abkühlung des Verhältnisses zu Brandis. Da damit auch seine Geldquelle ausfiel, musste er im Sommer 1908 in die USA zurückkehren.“ https://anthrowiki.at/Max_Heindel</p><p>12 Die Weltanschauung der Rosenkreuzer oder Mystisches Christentum, 1909</p><p>13 KL, S. 264, Grafik</p><p>14 KL, S. 317</p><p>15 KL, S. 319f</p><p>16 KL, S. 336ff</p><p>17 KL, S. 339</p><p><br /></p><p> </p></div>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-23613581680817524802023-01-12T16:48:00.011+01:002023-12-05T21:59:53.940+01:00 Der Duft, die Lotusblumen und die synästhetische Geisterfahrung<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><br /></div>In einer meditativen Phase, in der in den Worten der Theosophin Annie Besant (1) die „<i>Einsgerichtetheit</i>“ des ganzen menschlichen Wesens erreicht ist, Leib, Seele und Geist in vollständiger Harmonie vereint und zu einem strahlenden Mittelpunkt gekommen sind, bis hin zu einem Punkt, an dem bemerkbar wird, dass der entwickelte, geistig sich selbst ergreifende Mensch sich in einem „Umkreis“ (2) von Strömungen, die von ihm ausgehen, neu erkennt, wird einer der archaischen Sinne, das Riechen und Schmecken, auf der Ebene des Samadhi wieder zum essentiellen Organ der Orientierung- bis hin zu dem Punkt, an dem das Wunder der geistigen Berührung und Wahrnehmung geschehen kann, in Form des zauberhaften Duftes: „<i>Du hast deinen Wohlgeruch verströmt, ich habe den Hauch eingesogen und seufze atemlos nach dir.“</i>, so Augustinus. <p></p><p>Auch Leland deutet diesen Samadhi- Umkehrpunkt an, an dem das Unterste, Archaische, Materielle zur Ebene des Eintauchens in die Welt der geistigen Düfte wird. James Morgan Pryse hatte sich mit den „<i>Chakras der Apokalypse“</i> (4) beschäftigt; er hatte die Apokalypse des Johannes und die darin ausgeprägten Bilder in eine Beziehung gestellt zu Phasen der Einweihung -die „<i>höchste spirituelle Wahrheit des Yoga</i>“ (4), die mit der Entwicklung der Chakras zusammen hängt. Der heute weitgehend vergessene Pryse war Theosoph der zweiten Generation, verstand sich als Blavatsky- Schüler und beschäftigte sich vor allem mit der Schlangenkraft, der Kundalini (5). Sein Buch, das er als Erläuterung von Blavatskys esoterischer Schulung auf der Grundlage der Apokalypse des Johannes verstand, hat mehrere Auflagen erlebt und war rund zwanzig Jahre im Handel. Pryse hat seine Synthese verschiedenster Quellen- zwischen griechischen Mysterien bis hin zur Astrologie- immer weiter ausgebaut, und so vielleicht eine „All you can eat“ - Esoterik etabliert, die Häppchen für jedermann bereit hielt und sich wie in einem Baukasten aus nahezu allen esoterischen Traditionen bediente. Pryse war aber im Verlauf ihres letzten Lebensjahres tatsächlich täglich in Kontakt mit Helena Blavatsky gewesen, da er mit der Herausgabe ihrer esoterischen Instruktionen „<i>zur Verteilung unter den amerikanischen Mitgliedern der Esoterischen Schule“</i> (6) beschäftigt war. Man darf also davon ausgehen, dass seine Angaben, so sehr er sie auch aufbereitet und in diverse Traditionen eingegliedert haben mag, doch aus erster Hand waren und dass er tatsächlich intensiv mit Helena Blavatsky zusammen gearbeitet hat.</p><p>Pryse hat in „Die Apokalypse entschleiert“ auch die „<i>sieben Zeichen des Tierkreises mit Blavatsky sieben Tattvas und den Chakras </i>(verknüpft). <i>Die übrigen Zeichen ordnet er den fünf Prana - Vayus zu - Lebenskraft- Strömen, die durch den Körper zirkulieren und verschiedene lebenswichtige Funktionen erfüllen. Er präsentiert auch eine Kreiszeichnung des Zodiaks, in deren inneres Rund eine menschliche Gestalt gezeichnet ist- den Kopf bei Widder, den Fuß bei Fische, die Vorderseite nach außen-, um zu zeigen, wie die Chakras aufgereiht sind, von oben nach unten, von Krebs bis Steinbock.</i>“ (6) Vor allem beschäftigte Pryse die von Blavatsky gelehrte Kundalini- Kraft, die die „<i>sieben Siegel am Buch des Lebens“</i> (Offenbarungen 5,1) erwecke und die Siegel erbreche- so „<i>wie die Chakras von der Kundalini durchdrungen werden müssen, und zwar in einer bestimmten Reihenfolge.</i>."(6). </p><p>Bei Rudolf Steiner ist dieser Moment der Erweckung des inneren Wahrnehmungs- und Kundalini- Lichtes stets mit dem Herz- Chakra verbunden dargestellt worden: „<i>Hat es der Geheimschüler zu einem solchen Leben in seinem höheren Ich gebracht, dann – oder vielmehr schon während der Aneignung des höheren Bewusstseins – wird ihm klar, wie er die geistige Wahrnehmungskraft in dem in der Herzgegend erzeugten Organ zum Dasein erwecken kann und die Strömungen leiten kann. Die Wahrnehmungskraft ist ein Element von höherer Stofflichkeit, das von dem genannten Organ ausgeht und in leuchtender Schönheit durch die sich bewegenden Lotusblumen und auch durch die anderen Kanäle des ausgebildeten Ätherleibes strömt. Es strahlt von da nach außen in die umgebende geistige Welt und macht sie geistig sichtbar (denn, um etwas wahrnehmen zu können, muß man es beleuchten können), wie das von außen auf die Gegenstände fallende Sonnenlicht diese physisch sichtbar macht. Wie diese Wahrnehmungskraft im Herzorgane erzeugt wird, das kann nur allmählich im Ausbilden selbst verstanden werden.</i>“ (7)</p><p>Pryse dagegen sieht das Aufsteigen der Kundalini- Kraft in den Zentren des Gehirns wirken, wo das mystische dritte Auge des Sehers „<i>nun zum Fenster in den Raum“</i> wird: „<i>Die Gehirn- Zentren werden nach und nach durch die Schlangenkraft „von den Toten erweckt““ </i>(6). Rudolf Steiner bestreitet nicht, dass das Kundalini- Licht an diversen signifikanten Stellen der Leiblichkeit entzündet werden könnte- die Herzregion ist aber für ihn der Zugang, der eine gesunde Verbindung zur rationalen Umgebung, zur physischen Wahrnehmung gewährleisten kann: „<i>Das Herzorgan ist nur der Ort, wo der Mensch von außen her dieses geistige Lichtorgan entfacht. Würde er es nicht hier, sondern an einem anderen Orte entzünden, so hätten die durch dasselbe zustande gebrachten geistigen Wahrnehmungen keinen Zusammenhang mit der physischen Welt. Das Herzorgan ist gerade dasjenige, durch welches das höhere Ich das sinnliche Selbst zu seinem Werkzeuge macht und von dem aus dies letztere gehandhabt wird.“</i> (7) Er bevorzugte ohnehin eine eigene Methode, in der die tiefen Kundalini- Kräfte von oben, durch die Nasenwurzel, durch das Gehirn und durch die gesamte Wirbelsäule hinunter geleitet wurden, um die darauf hin aufsteigenden Kräfte durch das Herz- Chakra hindurch strahlen zu lassen - eine Praxis, die er gelegentlich und verstreut während der frühen theosophischen Jahre lehrte, die aber später ebenso wie das ganze Lotosblumen- Thema bei Rudolf Steiner in Vergessenheit geriet- im Gegensatz zu den theosophischen Freunden, die nach Blavatsky und Leadbeater die „<i>gewissen Kraftzentren“</i> und „<i>das heilige Schlangenfeuer“</i> (8) nicht nur am Köcheln hielten, sondern über Generationen von mehr oder weniger bekannten Autoren beharrlich weiter verbanden mit allem, was der Kosmos und der Leib des Menschen so hergaben- von Regenbogen- Farbsystemen über Edelstein- Therapien bis hin zu organischen Bezügen. Alice Bailey baute ein schon vielfach angedeutetes System aus, indem sie die feste Korrelation der endokrinen Drüsen zu den Chakras herstellte. Im Gegensatz zu ihren sonstigen Büchern, von denen sie behauptete, sie seien von ihrem übersinnlichen tibetischen Meister diktiert, war sie auf diese Beziehung offenbar von selbst gekommen (9).</p><p>So sah die Korrelation dann aus: </p><h4 style="text-align: left;">Basis der Wirbelsäule- Nebennieren<br />Kreuzbeinzentrum- Keimdrüsen<br />Sonnengeflechtszentrum- Bauchspeicheldrüse<br />Herzzentrum- Thymusdrüse<br />Kehlzentrum- Schilddrüse<br />Zentrum zwischen den Augenbrauen- Hypophyse<br />Kopfzentrum-Zirbeldrüse.</h4><p>Damit war die Grundlage für das geschaffen, was in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als „spirituelles Heilen“ entstand und ungemein populär wurde: „<i>So werden zum Beispiel die Vorstellungen von blockierten Chakras im Ätherkörper als eine Komponente oder Ursache von körperlicher Krankheit und vom Chakra- „Ausgleichen“ als einer Methode zur Förderung von Heilung und wohlregulierter Selbstentfaltung </i>(..)“ (10) nicht nur thematisiert, sondern zur Grundlage immer neuer Thema umgedeutet- darunter esoterische Therapieansätze seit den 1970ern wie „<i>Polarity, Reiki und Pranaheilen“</i> (10). Vor der schier endlosen Fülle von Yoginis, Hellsehern, Heilern und Betrügern kapitulierte der Rest der Welt; die Chakra- Systeme wurden zum esoterischen Schmuddelkind, aber auch zum Allgemeingut. Jedermann versteht allegorische Andeutungen, ob in Literatur, Kitsch- Bildern oder Werbung, dass man „mit dem Herzen“ besser sehen könne oder dass jemand verspreche, das „dritte Auge“ zu öffnen. So zu einem Hintergrund- Rauschen verkommen, wird man in populären Yoga- Praktiken heute vielleicht von energetischem Fließen, aber nicht mehr von Chakras sprechen. </p><p>Davon war man vor 100 Jahren noch weit entfernt. Bei Pryse dagegen, als Vertreter der zweiten theosophischen Generation nach der von Blavatsky, beginnt - vielleicht aufgrund eines Ausbleibens esoterischer Erfüllung- zunehmend die Suche nach Querverbindungen, assoziativen Verknüpfungen und praktikablen meditativen Vorlagen. Aber bei Pryse kam am Punkt des Samadhi, an dem die „Schlangenkraft“ die „Gehirn- Zentren“ erweckt, auch die typische esoterische Synästhesie zur Sprache, bei der in der „Einsrichtetheit“ (1) des Erlebens auch sensorisch Überschneidungen auftauchen- so tiefgreifend, dass das Bewusstsein sich als tastend- schmeckend- riechendes Organ in einer gleichwohl nicht mehr sinnlichen Welt neu entdeckt; ein Bewusstsein, das sich jenseits des Ego wie eine fühlende Membran empfindet. Pryse beschrieb dieses Szenario so: „<i>Gesicht und Gehör werden zu einem einzigen Sinn verschmolzen, so dass Farben gehört und Töne gesehen werden- oder, um es anders auszudrücken, Farbe und Ton werden Eins und können von einem Sinn wahrgenommen werden, der weder Gesicht noch Gehör, sondern beides ist. Die psychischen Sinne Geschmack und Geruch werden vereinigt. Diese beiden aus den vier reduzierten Sinne werde zu dem inneren, intimen Sinn der Berührung. Dieser geht im Erkenntnisvermögen (Mamas) auf, der gnostischen Kraft des Sehers- erhöht über alle Sinneswahrnehmung- um ewige Wirklichkeiten aufzunehmen.“</i> (11) Insgesamt führe dieser synthetische Prozess bis hin zu einer Initiation, die eine „<i>Wiedergeburt in dem unvergänglichen Sonnenkörper“</i> (11) darstelle. </p><p>Allerdings ist diese Synästhesie jenseits der geistigen Schwelle nach Pryse weitgehend vergessen und von diversen Heil- und Wellness- Versprechungen ersetzt worden. Insbesondere das „höhere Riechorgan“ ist in meinen Augen praktisch nie literarisch zum Ausdruck gekommen- außer vielleicht als Allegorie oder Metapher-, auch wenn es bei Rudolf Steiner auch noch eine Rolle gespielt hat als Beschreibung der aktivierten „zweiblättrigen Lotosblume“, Ajna, oder als Stirn- Chakra (12) bekannt. Steiner sagte darüber u.a.: „<i>Dieses Organ ist ein ins Astrallicht hinaufgehobenes Geruchsorgan. Damit lernt der Geistesschüler die wahre Stofflichkeit aller Dinge erkennen, die wahre Materie.</i>“ (13) Den Prozess der Umwandlung habe angeblich Michelangelo visualisiert (14). Mit der Aktivierung dieses höheren Geruchssinns im Stirn- Chakra sei, so Steiner, eine typische Erfahrung jedes Schülers verbunden, nämlich eines signifikanten Farben- und Lichtflutens- ganz im Sinne der synästhetischen Grenz- Erfahrung (15).</p><p>Allerdings ist dieses freie Schweben in einer geistigen, synästhetischen Umgebung nur auf den ersten Blick eine bewusst gewählte Entwicklung: „<i>An Stelle dieser physischen Welt tritt eine Welt auf- und abwogender Bilder auf, auf- und abwogender Eindrücke tonartiger, geruchsartiger, geschmacksartiger, lichtartiger Natur. Das dringt und wirbelt in unseren okkulten Gesichtskreis hinein, und wir machen die Erfahrungen der imaginativen Visionen, die uns von allen Seiten dann umgeben, die unsere Welt sind, in der wir mit unserer Seele leben und weben.“</i> (16) Das Riechen stellt auf der anderen Seite auch eine Art Hintergrundrauschen für das Denken schlechthin dar, auch wenn uns das nicht bewusst wird: „<i>Wir Menschen möchten eigentlich fortwährend fliegen durch unseren Geruch(</i>ssinn, Anm). <i>Aber wir können nicht fliegen. Unsere Gedanken sind eigentlich die umgewandelten Flugkräfte. Und so sind alle unsere Gedanken eigentlich im Grunde genommen umgewandelte Gerüche. Und der Mensch ist deshalb ein so vollkommener Denker, weil er all das, was der Hund in der Nase erlebt, im Gehirn erlebt mit dem, was ich da vorstelle. Wir verdanken als Menschen eigentlich unserer Nase außerordentlich viel.</i>“ (17) Also ist der Denkvorgang schlechthin im Sinne Rudolf Steiners ein synästhetisches Erschnüffeln, ein geistiges Ergreifen und Kontextualisieren wie im freien Flug- zumindest dann, wenn man tatsächlich aktiv denkt, etwa im Versuch einer Lösungsfindung. Man erschnuppert gedanklich einen Weg, folgt einer Spur und improvisiert zugleich, balanciert, wägt und wertet. Das alles vor aller geistigen Erfahrung, mit dem Kopf in den auf- und abwägenden Wellen „<i>tonartiger, geruchsartiger, geschmacksartiger, lichtartiger Natur“</i>. (16)</p><p>Samadhi, die Initiation, ist in diesem Sinn lediglich das <i>bewusste</i> Erfahren dieser Welt des Duftes, der Schönheit und der wogenden Helle der Natur.</p><p><br /></p><p>——————Anmerkungen & Verweise</p><p>1 in Annie Besant, The Ancient Wisdom, 1898, zitiert in Kurt Leland, Das Chakra- System. Die feinstoffliche Struktur des Menschen, 2016</p><p>2 nach Rudolf Steiner, Initation and its Results, p 42</p><p>3 Augustinus, Confessiones, X, 27</p><p>4 Leland, 2016, S. 179</p><p>5 in James Morgan Pryse, Die Apokalypse entschleiert (1910)</p><p>6 Leland, 2016, S. 180ff</p><p>7 Rudolf Steiner, GA 10, S. 163ff</p><p>8 Clairvoyance von Leadbeater, nach Leland, S. 196</p><p>9 Alice Bailey, The Soul and its Mechanism, 1930, nach Leland, S. 236</p><p>10 Leland, S. 239</p><p>11 Leland, S. 183 (vereinfacht)</p><p>12 https://anthrowiki.at/Zweibl%C3%A4ttrige_Lotosblume</p><p>13 Rudolf Steiner, GA 233a.S. 80</p><p>14 „Michelangelo hat an seinem Moses die zweiblättrige Lotusblume als zwei Hörner wiedergegeben. Zunächst werden da zwei Lichtstrahlen bemerkbar, die immer breiter werden und dann anfangen, sich zu bewegen. Sie befähigt uns den Willen auszubilden.“ R.St. GA 94, S. 175f</p><p>15 „Könnte man miterleben mit der Farbe, daß Rot und Blau lebendig und beweglich wird, so würde man tatsächlich auch innerlich mit dem lebendig sich bewegenden Farbenflutigen mitgehen, man würde die wie im Wirbel übereinander sich lagernden Attacken und Sehnsuchten, gleichzeitig in seiner Seele nachempfinden. All das, was der Mensch empfangen soll an Sehnsuchtsgewalten, ist etwas, was sich etwa in dem Blauen ausleben könnte. Das muß der Mensch auf der einen Seite so in seinem Haupte tragen, daß es gestaltend ist, und alles das, was in der roten Hälfte ausgedrückt ist, das muß der Mensch so haben, daß es aus seinem Organismus hinauf flutet bis zum Gehirn. Und diese zwei Strömungen sind tätig im menschlichen Gehirnbau. Äußerlich die Welt – das, nach dem der Mensch Sehnsucht hat, und das immer überflutet wird durch das, was aus dem eigenen Leibe aufwärts flutet. Bei Tage ist es so, daß dasjenige, was in der blauen Hälfte ist, stärker flutet als dasjenige, was in der rot-gelben Hälfte ist. Bei Nacht ist es umgekehrt mit dem physischen Organismus. Und ein getreues Abbild von dem ist die 2-blättrige Lotusblume, die ebensolche Beweglichkeit und ebensolche Farbigkeit zeigt für den Betrachter. Und niemand wird je das, was in der Gestaltenwelt als das Produktive lebt, als der obere Teil des menschlichen Hauptes, richtig durchschauen können, wenn er nicht imstande ist, dieses verborgene Farbenfluten wiederum zu verfolgen.“ R.St. GA 286, S.104</p><p>16 R. St., GA 155, S. 37ff</p><p>17 R.St GA 348.134ff</p><p>Grafik erstellt mit Open AI</p><p><br /></p><p><br /></p>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-58212868418934538272023-01-03T17:03:00.007+01:002023-12-04T16:36:10.395+01:00Chakra und Samadhi- bei Rudolf Steiner und Annie Besant<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><br /></div><p>Es ist ja immer wieder schwierig, festzustellen, wir rudimentär und vernachlässigt das Thema dieser inneren Kraftpunkte - Lotosblumen- im Werk Rudolf Steiners ist, wie er es anreisst, aber nicht zu Ende führt, bestimmte Bereiche kaum berührt, dafür aber umso ausführlicher vor Gefahren und Abwegen warnt. Darauf weist auch ein Standardwerk zum Thema (1) hin, das einen breiten Überblick über Traditionen, Schulen und Lehren bringt, den spezifisch anthroposophischen aber nur ein schmales Kapitel widmet: „<i>Die Lotosblumenblätter von Rudolf Steiner“</i>, (2) Ernüchternd resümiert Kurt Leland darin: „<i>Obwohl Steiner ein Innovator und Validator war, hatten seine Lehren über die Chakren nur wenig Einfluss auf die Entwicklung des westlichen Chakrasystems.</i>“ (3) Lesenswert ist auch dieses Kapitel aber sehr wohl.</p><p>Dabei war Steiner der „<i>erste theosophische Autor“</i> gewesen, der „<i>hellsichtige Visionen von den Chakren im Detail beschrieb“</i> und nach Helena Blavatsky der zweite, der „<i>ein System für ihre Entwicklung veröffentlichte“</i> (4)- wobei Steiner sich allerdings, abweichend von der Tradition, auf fünf Chakren beschränkte und diesen eine früher unübliche Ziffernfolge verpasste: Steiner zählte von oben nach unten, ausgehend vom Nasenwurzel- Chakra. Seine Benennung variiert im Frühwerk, aber im allgemeinen nennt er die Chakren „Räder, Lotosblumen, Mittelpunkte und Sinnesorgane der Seele“ (4). Bei den oberen Energiepunkten ging Steiner von einer latenten- wahrscheinlich vegetativen- Tätigkeit aus, die sich bei entsprechender meditativer Praxis entfalte, verstärke und zu geistigen Fähigkeiten führen könne: „<i>Wenn nun ein (Schüler) mit seinen Übungen beginnt, so ist das erste, dass sich die Lotosblumen aufhellen; später beginnen sie sich zu drehen. Wenn dies letztere eintritt, so beginnt die Fähigkeit des Hellsehens.</i>“ (5) </p><p>Die Grundlage für die Entwicklung des Hals- und Herz- Chakras sind nach Steiner die Realisation der klassischen buddhistischen Tugenden durch den Schüler, die Steiner teilweise auch als „Nebenübungen“ bezeichnete- es handelt sich um eine anthroposophische Interpretation des achtgliedrigen Pfades, die auf den spirituellen Lehrer Sankara im 9. Jahrhundert zurück gehen. Rudolf Steiner hat diese Verbindung von Annie Besant übernommen, deren Buch „The Ancient Wisdom“ bereits 1889 in deutscher Übersetzung erschienen war. Besant nannte die „Tugenden“ allerdings „<i>mentale Attribute“</i> (6). Auch die Beschreibungen Steiners zu den zehn Blütenblättern des Solarplexus- Chakras ähneln als „<i>Anweisungen für die Meditation</i>“ ebenfalls denen, die Annie Besant in einem anderen Band beschreibt, nämlich in „Thought Power“ (1901, deutsche Übersetzung 1902). Steiner gibt als eigenen Beitrag der Entwicklung des Solarplexus einen hohen Schwierigkeitsgrad an, da „<i>die vollkommene Beherrschung des ganzen Menschen durch das Selbstbewusstsein angestrebt werden“</i> müsse, so dass sich „<i>Leib, Seele und Geist in einer vollkommenen Harmonie“</i> (7) befänden- dies sei ein Stadium der Läuterung, kommentiert Kurt Leland. </p><p>Auch Besant schreibt 1902 von einer notwendigen „<i>Läuterung von Handlungen, Gefühlen und Gedanken“</i> (8), allerdings in Bezug auf die Entwicklung der Chakren insgesamt. Diese Entwicklung, Entfaltung und Beherrschung ist in ihren Texten identisch mit den höheren Stufen zur Entwicklung des Denkvermögens wie Konzentration, Meditation und Samadhi. Während Meditation noch über die Fokussierung auf „<i>einen beliebigen Gegenstand“</i> den inneren Schleier durchdringen will, um „<i>das Leben“</i> (essenzielle Seinsheit“) zu erreichen und „<i>jenes Leben in die Vereinigung mit dem Leben zu ziehen, zu welchem der Geist gehört“</i> (9), lässt die Bemühung im Samadhi vollständig nach, im Sinne einer Absorption in ein leeres Bewusstsein, in eine, wie es Besant so treffend und berührend nennt, „<i>Einsgerichtetheit</i>“ des ganzen Wesens. Der Geist sei dabei, so Besant, in einer „<i>ausgerichteten Aufmerksamkeit (..), ohne dass die Aufmerksamkeit auf irgendetwas gerichtet ist.“</i> (10). </p><p>Der Zustand der Einsgerichtetheit müsse aber eben auch - so Besant- für eine “<i>kleine Weile“</i> aufrecht erhalten werden können. Es geht bei Besant ebenso wenig wie bei Steiner um ein situatives Erleuchtetsein, sondern nur eine geistig- seelisch- leibliche Verfassung: „Leib, Seele und Geist in einer vollkommenen Harmonie“ (7). Die Hingabe und Selbstvergessenheit ist zugleich der Punkt der vollständigen Aufmerksamkeit im Sinne eines weichen Willens. Diesem scheinbar leeren Bewusstsein kommt eine Sensitivität, ein Empfindungs- Vermögen zu, das im Alltagsleben verdeckt und verschüttet ist; und eben in dieser Empfindsamkeit besteht ja die Aktivität der Chakren. Das Einsgerichtetsein ist ein Zustand höchster Aktivität, in dem das Bewusstsein sich selbst transparent wird- es ist eine Erfahrung des unzersplitterten Ich ohne jeden Mystizismus. Es ist aber auch ein Zustand, in dem die Chakren als ein einziges Organ zusammen fallen, in einer Art energetischer Synthese. Weiter unten folgen Ausführungen Rudolf Steiners, wie dieser Synthese eine Art innerer leuchtender Strukturierung und geistiger Organbildung folgen könne. </p><p>Vielleicht sollte man vorher noch anmerken, dass der in diesem Zusammenhang von Rudolf Steiner genannte Begriff „Hellsichtigkeit“ mit großer Vorsicht aufgefasst werden sollte, da die in diesem Punkt der Eingerichtetheit gemachten Wahrnehmungen und Erfahrungen, sofern sie wie von außen an den Meditierenden heran treten, immer zeichenhafter Natur sind, also interpretiert werden müssen. Eine wirkliche Kontextualisierung ist aber in der nicht- sinnlichen Umgebung nicht möglich, ein eigenes entwickeltes Verstehen nur schrittweise, in mühsamem Nachgehen von Spuren und in Studien und Abwägungen aufbaubar. Was sich allzu leicht entschlüsselt, kann sehr wohl eine Täuschung darstellen. Anderes bleibt ein Rätsel, selbst wenn es sich immer neu aufrollt, entpuppt und anbietet. </p><p>Aber zurück zu Leland. In den vorliegenden Kapitel des Buches werden noch die Besonderheiten des anthroposophischen Chakra- Verständnisses aufgeführt, womit vor allem gemeint ist: „<i>Die Nummerierung von oben nach unten zeigt nicht nur eine bevorzugte Richtung der Übung/Praxis an, sondern auch eine zunehmende Schwierigkeit der Entwicklung.</i>“ (11) Dabei ist nochmals zu betonen, dass - wenn man die kryptischen Bemerkungen Steiners so deuten darf- das untere Chakra, das an sich vage und undifferenziert bleibt, eigentlich die Harmonisierung aller oberen mit sich bringt. Der Zusammenklang aller energetischen Felder zu einem in sich transparenten Ganzen, das Geist, Seele und Leib harmonisiert, ist für Steiner offenbar das Betreten einer neuen Ebene des in sich transparenten Bewusstseins. </p><p>Da die Entwicklung jedes einzelnen Chakra bei Steiner in signifikanten Phasen (träge, glühend, rotierend) geschildert werde, habe, so vermerkt Kurt Leland, ein spiritueller Lehrer tiefe Einsicht in den individuellen Entwicklungsstand eines Adepten. Er könne damit auch feststellen, ob ganz spezifische Aspekte dieses Pfades beim Schüler noch der Hilfestellung bedürfen würden- so sei der Mangel an Toleranz am dunklen Blütenblatt des Herz- Chakra erkennbar. Wohl dem, der einen einsichtigen Lehrer gefunden hat. Steiner sehe in der Entwicklung in der spezifischen Abfolge der Chakra auch ein Fortschreiten in der spirituellen Entfaltung selbst. So gesehen könnte sich daraus ein regelrechtes anthroposophisches Programm zur Schulung entwickeln, insbesondere wenn man die hier nicht aufgeführten spezifischen Gefährdungen und Abwege, die Steiner vielfach darlegt, noch einbezieht. Leider hat sich das skizzierte strukturierte Schulung- Programm, das Leland hier angelegt sieht, nicht oder kaum entwickelt. Das Festhalten an ritualisierten Zweig- und Klassenstunden, die grassierende Second- Hand- Esoterik und die assoziative Fortspinnen von Steiner- Zitaten haben sicherlich nicht zu einer lebendigen esoterischen Kultur geführt. </p><p>Aber auch esoterisch führen einige Anmerkungen Rudolf Steiners zum spezifischen Verhältnis von Astral- zu Ätherleib und der Etablierung eines „<i>vorläufigen Mittelpunkts</i>“ (12) hinter dem Stirn- Chakra auch beim sehr kundigen Autor Leland zeitweise zur Verwirrung. Die geglückte Verbindung der drei zentralen Chakras kann nach Steiner sich aber dann - als vorläufigem Höhepunkt- in einem komplizierten Gebilde entfalten: „<i>Ein wunderbares Organ. Es leuchtet und schillert geistig in den allerverschiedensten Farben und zeigt Formen von großer Regelmäßigkeit, die sich mit Schnelligkeit verändern können. Und weitere Formen und Farbenströmungen laufen von diesem Organ nach den übrigen Teilen des Körpers und auch zu jenen des Astralkörpers, den sie gänzlich durchziehen und durchleuchten. Die wichtigsten dieser Strömungen aber gehen zu den Lotosblumen. Sie durchziehen die einzelnen Blätter derselben und regeln ihre Drehung. Dann strömen sie an den Spitzen der Blätter nach außen, um sich im äußeren Raum zu verlieren. Je entwickelter ein Mensch ist, desto größer wird der Umkreis, in dem sich diese Strömungen verbreiten.</i>“ (13)</p><p>-------------</p><p><br /></p><p>1 Kurt Leland, Das Chakra- System. Die feinstoffliche Struktur des Menschen, Grafik 2016</p><p>2 KL, S. 149ff</p><p>3 Kl, S. 158</p><p>4 KL S. 150</p><p>5 KL S. 151</p><p>6 KL S. 152</p><p>7 KL S. 153</p><p>8 KL S. 153</p><p>9 KL S 153f</p><p>10 KL S.154, nach Annie Besant, Thought Power, S. 95</p><p>11 KL S., 155</p><p>12 KL S. 156</p><p>13 KL S. 156f, zurück übersetzt nach Steiner, Initation and its Results, p 42</p>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-18745629059879125402023-01-02T13:06:00.002+01:002023-12-04T16:36:33.567+01:00 Happy New Year, und neue Offenbarungen!<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><br /></div><br />Ihr Geist- Sucher und solche, die es werden wollen, aber sich vielleicht doch nicht aufraffen können: Seid gegrüsst in 2023. Und die, die fest entschlossen sind, den Mangel Anderer (an Geist) zu verwalten und sich als Verteidiger der alten Tante Anthroposophie mit ihrer unnachahmlichen, hundert Jahre währenden Bremsspur empfinden und in Pose werfen, natürlich auch! Oh Ihr Suchenden, Ihr seid so sehr in der Minderheit, das ist schon mal sicher. Daran wird sich sicherlich auch im neuen Jahr nicht ändern. Denn Anthroposophie mit ihren Repräsen- Tanten ist und bleibt eine Vereinigung von Belehrenden und Antwort- Gebenden, selbst auf Fragen, die niemand gestellt hat. In dieser Szene tönt es aus allen Ecken und aus allen Branchen, und die Belehrungen, Kompakt- Antworten und Wälzer auf alle Aspekte des Kosmos drängen sich unentwegt auf- so sehr, dass man eigentlich nie wirklich zu Fragen kommt. <p></p><p>Nehmen wir doch nur die Heilige Nonne der Anthroposophenschaft seit der Jahrtausendwende, die wahrsagende, geistige Filme schauende, sich aus Lichtnahrung ernährende, aus den Wundmalen des Herrn blutende Ex- Berlinerin Judith von Halle: „<i>Sie behauptet, seit der Karwoche 2004 die Wundmale Christi zu tragen und sich ausschließlich von Wasser zu ernähren. Der Umstand der Nahrungslosigkeit, welcher bei einer Stigmatisation häufig vorzukommen scheint, wird vielfach angezweifelt, scheint aber den Tatsachen zu entsprechen.</i>“ (1) Es scheint so? Wie haben das die Geistesforscher von AnthroWiki nur überprüft? Gibt es Laboratorium, in dem blutende Eingeweihte über Wochen beobachtet werden?</p><p>Nein, ein gewisser Herr Kollewijn wird im AnthroWiki zitiert, der offensichtlich selbst höhere Wahrnehmungen hat und von daher beurkunden konnte, dass sich die Leiblichkeit der Architektin von Halle radikal umdeformiert habe, so dass sie nach dieser Läuterung nun denn ohne die irdischen Lasten der Nahrungsverarbeitung leben könne: „<i>Durch das Ereignis der Stigmatisation ergab sich auch eine Umwandlung des gesamten physischen Organismus. Diese besteht in einer radikalen Verwandlung des Blutsystems, welches als physisch-geistiger Ausdruck des Ich alle Organe durchdringt und verbindet. Dadurch bedingt, zeigten sich eine Steigerung der Sensibilität der Sinneswahrnehmung und eine tief greifende Veränderung im Bereich der Ernährung. Nicht etwa als Ergebnis irgendeiner Askese, sondern durch eben jene leibliche Umgestaltung ergab sich die vollkommene Nahrungslosigkeit, die weder zu einem Gewichtsverlust noch zu anderen Einschränkungen oder körperlichen Beschwerden geführt hat. Der verwandelte physische Leib wehrt vehement jede irdische Nahrung ab. Nur Wasser kann in beschränktem Maß aufgenommen werden.</i>“ (2) </p><p>Ich hätte vermutet, dass sich die Produktion christologischer, teilweise mit skurrilen okkultistischen Krimis - <strike>Schwarzmagier überall-</strike> aufgeladener Buchproduktionen von Frau von Halle mit der Zeit beruhigen würde, aber das Gegenteil war der Fall. Eine Zeitlang gelang es Frau von Halle, durch Sachthemen wie Demenz oder Covid19, die rationaler Argumente nicht entbehrten, eine Drift ins Genre der anthroposophischen Sachbuch- Autorinnen vorzunehmen. Nun aber hat sie der kosmische Ruf wieder ereilt; sie ist ihm gefolgt und hat das Rundumschlag- Werk schlechthin über DAS WORT heraus geknuspert, oder, wie der Klappentext schwärmt: „<i>Unbekannt ist jedoch, dass sich in ihrem 38. Lebensjahr ein weiteres, mächtiges Schicksalsereignis vollzogen hat – diesmal allerdings im diskreten inneren Seelenraum: Sie erhielt einen unmissverständlich durchdringenden Aufruf der geistigen Welt, ein Werk auf die Erde zu stellen, das ihre bereits begonnene Arbeit (die Beiträge zur Erschließung des Christus-Mysteriums) in einer außergewöhnlichen Weise vertiefen und bereichern sollte. Neben ihrer umfangreichen anthroposophischen Forschungstätigkeit, für die ihre zahlreichen Publikationen zeugen, und entgegen vieler Widerstände gelang es schließlich, der Aufforderung gerecht zu werden und das fünfbändige Werk abzuschließen.</i>“ (3) Der Titel ist schon - sagen wir - gewichtig, als wollte sie DER WELT sagen: Ich habe den RUF des KOSMOS vernommen, habe DAS WORT verschriftlicht, und an mir kommst du nicht vorbei, Freundchen.(4)</p><p>Und warum auch nicht? Ist das nicht die anthroposophische Tradition schlechthin, Antworten auf Fragen zu geben, die niemand gestellt hat? Von Halle stellt sich ganz ausdrücklich in diese Tradition, wie der Klappentext (3) verrät: „<i>Zahlreiche Fragen, die zu den drängendsten der Gegenwart zählen und an deren Beantwortung bis heute fast ausschließlich von naturwissenschaftlicher Seite gearbeitet worden ist, werden im Licht der übersinnlichen Erkenntnis beantwortet.</i>“ Drängende Fragen der Menschheit ist natürlich ein relativer Begriff. Drängend fände ich ein Rezept für den imperialistischen Krieg der russischen Aggressoren und ein Ende des Bombenhagels auf die souveräne Ukraine. Drängend fände mancher vielleicht auch einen besseren Corona- Impfstoff, nachdem schon im Dezember die Republik, was Kitas, Bahnverbindungen, Ämter und Krankenhäuser nahezu dysfunktional geworden war. Dass sich die Grippe obendrauf setzte, macht die Sache nicht besser. Drängend ist vielleicht auch die Energie- Versorgung ganzer Länder, ganz vorneweg die der Russland- Versteher und Gas- Konsumenten wie Deutschland. Aber natürlich treiben den einen oder anderen auch die großen geistigen Fragen an. Denen geht es nämlich, so der Klappentext, um den „<i>Aufbau einer neuen, unsterblichen Leiblichkeit und einer ätherisierten Erde inmitten einer sich weiter verhärtenden, von künftigen Katastrophen erschütterten materiellen Welt.</i>“ (3) Natürlich, Unsterblichkeit ist auch ein interessantes Konzept, vor allem mitten in einem Krieg und nach einer Pandemie. </p><p>Die Gläubigen werden sich versammeln und denken: Der GEIST wird es richten. Folgen wir dem Gesamtkunstwerk der stigmatisierten Säulenheiligen und beenden wir den ahrimanischen Zweifel. Schütten wir unsere Fragen mit anthroposophischen Antworten zu. Bei dem, was die Nonne verkündet, handelt es sich schließlich „<i>um Offenbarungen“</i> (3). Die neue Hellseherei wird uns, so suggeriert der Klappentext, endgültig ins Licht führen. Denn das „<i>muss der Wille der geistigen Welt sein“</i> (3). Wer wollte da widersprechen? Wir begründen einfach wieder eine Hohepriester- Kultur ägyptischer Art und hübschen sie auf mit anthroposophischen Begriffen. Und dann spricht es, DAS WORT, dann spricht es auch zu Dir. Das ist dann, nach Flirts mit Impfgegnern, Verschwörungstheoretikern, Reichsbürgern und Rechtsradikalen bestimmt die ultimative Lösung für das torkelnde anthroposophische Fährboot: Wir verkünden eine neue Offenbarung und unterwerfen uns der stigmatisierten Hellseherin!</p><p><br /></p><p>-------------------</p><p>1 <a href="https://anthrowiki.at/Judith_von_Halle">https://anthrowiki.at/Judith_von_Halle</a></p><p>2 Kollewijn, S. 1</p><p>3 <a href="https://www.amazon.de/WORT-sieben-Reichen-Menschwerdung-Rosenkreuz-Meditation/dp/3037690720/ref=sr_1_1?crid=1K10ZJOS45QXW&keywords=judith+von+halle&qid=1668078557&sprefix=%2Caps%2C100&sr=8-1">https://www.amazon.de/WORT-sieben-Reichen-Menschwerdung-Rosenkreuz-Meditation/dp/3037690720/ref=sr_1_1?crid=1K10ZJOS45QXW&keywords=judith+von+halle&qid=1668078557&sprefix=%2Caps%2C100&sr=8-1</a></p><p>4. DAS WORT in den sieben Reichen der Menschwerdung: Eine Rosenkreuz-Meditation - Band I-V in Schuber Gebundene Ausgabe – 30. November 2022</p><p>von Judith von Halle (Autor)</p><div><br /></div>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-87081880838516162852022-07-06T17:37:00.007+02:002023-12-04T16:36:55.484+01:00 Die sonnenhafte Leere<h3 style="text-align: left;"><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><br /></div><br /><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><span style="text-align: left;">Die Pflege der Bewusstsamkeit</span></div></h3><p>Schon verschiedentlich habe ich auf Salvatore Lavecchia und auch auf sein letztes Buch (1) hingewiesen, das sich mit einem gelungenen, sehr modernen Drei-Sprung einer selbstreflektierten Esoterik folgend, Rudolf Steiners Sinneslehre annähert und dabei dem "Zusammenklang zwischen der zentrifugalen und der zentripetalen, der selbstbezogenen und der weltbezogenen Wahrnehmungsgebärde des Ich" (1) nachgeht. Der Drei-Sprung besteht darin, zunächst die Praxis einer selbstreflektierten Esoterik im Sinne einer intellektuellen Selbstschulung zu folgen und diese konkret zu beschreiben, dann die komplexe Sinneslehre Steiners in diesem Licht zu beleuchten- und schließlich daraus, im dritten Teil, Perspektiven auf das menschliche Ich und den Alltag der Gegenwart zu entwickeln. Dabei nutzt Lavecchia die klassische manichäischen Kunst- Gegensätze der Anthroposophie als Mittel der Illustration: "<i>Das sich wahrnehmende Ich wird demzufolge weder von der eisig finsteren, sklerotisierten, stets verortbaren und überwachbaren Dichte eines atomistischen Selbst noch von der elektrisch hitzigen, emotional unzentrierten, unschöpferisch ekstatischen Leere eines geistlos psychischen Selbst eingesogen.</i>" (1) Das atomistische Selbst kann man als das sich fühlende, in sich beharrende Ego ansehen, das in einem Pendelschlag sich selbst immer wieder verloren geht in den unendlichen Ablenkungen sensorischer, medialer und kommunikativer Akte. Das in sich verkrustete Ego geht emotional und geistig verloren in äußeren Anforderungen, Gerüchten, Manipulationen und "öffentlichen Meinungen" der sozialen Netzwerke und propagandistischer Aktivitäten.</p><p>Der Schulungsweg will eben die Freiheit gewinnen, aus dieser inneren zwingenden Zerrissenheit heraus zu führen, in einer Pflege auch der höheren Sinne und der Entwicklung einer stabilen Mitte:</p><p>"<i>Das Bild vom Ich als geistige Mitte - zu dem die leiblichen Sinne führen - und das Bild vom Ich als uneingeschränkt weltoffene Sphäre - zu dem die seelischen Sinne führen - können, ausgehend von den oberen Sinnen, als lebendige, schöpferische Einheit zusammenklingen: als ichsame, generative, sphärende Leere, unerschöpflich in sich zentriert und zugleich unendlich weltoffen sphärend; nicht als ichlose, sondern als unbedingt selbstlose, wachsam warme, sonnenhafte Leere."</i> (1) Aber was meint Lavecchia damit? Er spricht von innigem Zusammenklang von Licht- und Wärme- Sphären, vom Ende der Götter und dem Beginn des eigentlich menschlichen Wollens, aber warum, wozu, wohin? Ganz offensichtlich geht es Lavecchia vorerst um eine „<i>Entscheidung für die geistige Gegenwart“</i> (2), um eine freie Tat gegen die Entsinnlichen und Zombifizierung (sinngemäß: 2), also den tiefen Fall in den Materialismus, die dunklen Aspekte der Technifizierung, was zu gleich von Lavecchia aufgefasst wird als freie Entscheidung für die innere „<i>Auferstehung als neue Schöpfung des Weltenlogos“</i> (2).</p><p>Das also soll die Pflege der „<i>Bewusstsamkeit</i>“ (3) bewirken. Die Entdeckung des paradiesischen Gartens der Leere, in dem die Blumen des Logos blühen, die Hingabe an die Tiefe, dunkle Seite des unterirdischen Meeres, in dem bislang unbekannte Tiefseebewohner zu entdecken sind, sind das nicht alles Räume der Chemischen Hochzeit des Christian Rosenkreutz? Ja und nein. Ja, wenn man es als weghafte Bewegung des freien Ich versteht, das seine Liebe zur inneren Beweglichkeit entdeckt und pflegt.</p><p><br /></p><h3 style="text-align: left;">Intuition und sanfter Wille</h3><p>Aber auf der anderen Seite ist diese Leere, wie Georg Kühlewind so umfassend dargestellt hat, auch Element jedes einzelnen bewussten Denk- und Verständnisakts, jeder Begegnung in sensorischer und dialogischer Hinsicht; das Zurücknehmen des aktiven Eigenwillens, das Auf- und Wahrnehmen des Anderen in mir, des Ich im Anderen, ist Grundlage jeglichen menschlichen Verständnisses:</p><p>So „.<i>. betont Steiner, dass das Denken unsere eigene Aktivität, unser Tun ist, in polarem, charakteristischem Gegensatz zu seiner Gegebenheit. Dass wir es als unsere Aktivität empfinden, gilt für die europäisch erzogene Menschheit seit etwa dem 9. Jahrhundert. Auch die klar erfahrene Aktivität ist eine Zweiheit. Einerseits ist das Denken immer eine Sache des Willens; dieser wird aber andererseits im Augenblick der Intuition der Erscheinung eines Neuen - ein «umgekehrter Wille», das heißt empfangend. Dieser Wille ist vom gewöhnlichen völlig verschieden. Es ist, als ob er sagen würde: «Dein Wille geschehe» oder «Präge mich». Dementsprechend ist er selten und bewusst nur schwer herstellbar. Es ist derselbe Wille, der in der Meditation wirksam ist und in Augenblicken des intuitiven Denkens aufleuchtet.</i></p><p><i>Im Laufe der Untersuchung oder Beobachtung des Denkens wird es immer klarer, dass Steiner die Intuition, den Verständnisakt selbst als das wahre Denken betrachtet. Nun ist das intuitive Finden einer neuen Idee einerseits etwas, das Geschenk oder Gnade genannt werden kann, andererseits aber in höchstem Maße individuell; ja, darin besteht eben die wahre Individualität, dass sie ganz einmalige und charakteristische Intuitionen hat.“</i> (4)</p><p>„Verständnis“ ist dabei mehr als ein rein mechanisches Konstatieren und Kategorisieren; gemeint ist ein Verstehen, eine Teilhabe, eine Zuwendung. In der Gebärde der Zuwendung, die sich leer macht von eigener Meinung und Erwartung kann das Verständnis des Anderen als Anderes entstehen- außerhalb des Kalküls und der Kontextualisierung. Das ist eben nicht nur die Aktivität des eigenen Denkens, es ist ein Moment des Innehalten und des aktiven Sich- Prägen- Lassens. Erst danach, nach der erkennenden Leere, folgt die Kontextualisierung, die Relativierung, die mögliche Erfassung der Konnotation, der verborgenen Absicht, der Nebenaspekte. </p><p><br /></p><h3 style="text-align: left;">Das Ausbleiben des inneren Raums</h3><p>Leider nützt das mechanische Zurückhalten, wie man es bei Menschen, die bewusst „üben“ und mit dieser Haltung in Begegnungen hinein gehen, bemerken kann, wenig. Es schwingt im wirklichen sanften Willen ein liebevolles, ich- Haftes Mitgehen mit hinein. Fehlt das teilnehmende, warmherzige Element, ist alle Mühe umsonst, ja man stösst auf eine verstockte Egozentrik. Dagegen können wirkliche Meister der Stille bei ihrem gegenüber Wunder bewirken, zumindest bei Gelegenheit: Plötzlich sind in der Begegnung im Gespräch Dinge auf dem Tisch, die dem Aussprechenden nicht einmal bewusst waren; Intentionen schimmern auf, die noch im Inneren auf Bewusstwerdung warteten. Der Liebhaber der Stille, der Meister, kann wirklich Berge bewegen und als geistiger Geburtshelfer behilflich sein. </p><p>Natürlich kann man das Verständnis auch nicht einfordern: „Versteh mich“ ist ein vergeblicher Hilferuf in einer verfahrenen Beziehung, der eine kommende Erschütterung ankündigt. Ist das dialogische Muster in Routinen des Alltags erstickt, kann vielleicht nur diese Erschütterung Bewegung in die Begegnungen bringen, die von gegenseitigen Erwartungen und Projektionen belastet sind. Auch wenn der seelische Apparat in gegenseitiger Bestätigung und ritualisierten Begegnungsabläufen Sicherheit und Kontinuität findet, kann das nach Freiheit rufende Ich im Untergrund dagegen opponieren, nicht wirklich verstanden, sondern von Ritualen verschüttet zu werden. Wie hat es so weit kommen können? Wie hat man sich so wenig Raum zugestehen können? Wieso erstickt man sich gegenseitig? Das Ausbleiben des inneren Raums lässt verstummen, bis sich hinter dem Verstummen und Verblassen, dem Unvermögen, den Anderen und die Dinge neu sehen zu können, der Untergrund des Ego aufgerührt wird, ein tiefer Fall, in die verquere Verstocktheit, die mit „Individualität“ verwechselt wird.</p><p><br /></p><h3 style="text-align: left;">Individualität erwacht in der Stille</h3><p>Paradox, dass die „wahre Individualität“ (Kühlewind) eben nicht auf ihrer Besonderheit und Auserwähltheit besteht - das wäre Narzissmus-, sondern gerade Raum lassen, sich leer machen kann, um im aktiven Zuhören und in der leeren Zuwendung das Andere und den Anderen zur Entfaltung bringen zu lassen. Die „wahre Individualität“ lebt erst in der Stille auf. Nur in ihr vermag das Originelle Form zu finden. Das Schöpferische tritt in Erscheinung- sei es als Intuition, als Erfassen der Intention Anderer oder als neuer Zusammenhang in einer Forschungsgemeinschaft. </p><p>Leider kann man den sanften Willen, die innere Stille, die Beweglichkeit, die geistige Präsenz nicht festhalten. Es ist kein Teil der Person, kein Aspekt des Charakters. Man kann sich nicht damit schmücken oder es sich zu eigen machen. Es ist kein Teil des allzu menschlichen Wettbewerbs. Der, der etwas wie sein Eingeweihten als Monstranz vor sich herträgt, ist schon damit aller Ehren verlustig gegangen. Du kannst es nicht greifen, du kannst es nicht nehmen, du kannst es nicht behalten. Es ist immer nur eine Rückkehr in den ursprünglich schöpferischen Strom, der einfach da ist. Man legt die Selbstbilder ab, die Orden, die Monstranzen, die Erwartungen, die Beschönigungen, die „Imaginationen“, die seelischen Reflexe. Man steht ins Wasser bis zur Brust und taxiert den Horizont. Man vergisst die Perspektive. Man schwimmt. </p><p>Innerlich und äußerlich werden in der Stille ebenso zu Formen einer anderen Welt wie die Zeit selbst. Die Bewusstsamkeit (Laveccia) in ihrer vollständigen Transparenz kennt weder Zeit noch Ort. Aber, erstaunlich genug, sehr wohl eine geistige Sphäre. Das ist es, was Lavecchia immer wieder betont. Der Geist erlebt sich in einer Quasi- Räumlichkeit, aber in reiner Präsenz, an die wie von außen wellenartiges Licht in unterschiedlichsten Formen anbrandet. Natürlich erlebt sich das Ich auch in unterschiedlichen Imaginationen. Aber die leere Sphäre ist das, wohin er immer wieder zurück kehrt: „<i>..ichsame, generative, sphärende Leere, unerschöpflich in sich zentriert und zugleich unendlich weltoffen sphärend..“</i> (1)</p><p><br /></p><h3 style="text-align: left;">Partizipierendes Bewusstsein und meditative Folklore</h3><p>Dieses als geistige Sphäre erscheinende Ich- Bewusstsein in der Meditation hatte Vorläufer, die zurück gehen in frühe Kulturen, die noch ein in Natur und Jahreslauf partizipierendes Denken erlebten- auch eine Form von Sphäre. Das Ein- und Abschnüren von der Partizipation an natürlichen Prozessen war aber auch ein Weg zur Selbstreflexion und Selbstkonzeption, wie Kühlewind beschreibt: "<i>Das nicht bewusst benutzte «schlafende» Denken ist wie ein Rest der Partizipierung, die sich schicht- oder stufenweise auflöst. Diese Auflösung kann man an der Entwicklung der Wissenschaften verfolgen, deren Reihenfolge einen Gang von der entferntesten Außenwelt zur Erfassung der Innenwelt zeigt. Zuerst erscheint das Wissen über die Sterne, ihren Gang, ihre Periodizität. Dann erfasst das Bewusstsein die nähere Umgebung: Es erscheint die Geometrie, die Erdmess- Kunde. Noch später erblickt der Mensch mit wissenschaftlichem Blick, das heißt entfremdet seinen Leib. Zuletzt werden das Bewusstsein und seine Inhalte beziehungsweise die Seele entdeckt - davon zeugen Seelenkunde, Erkenntnistheorie, Sprachwissenschaften. Auserwählte Vorläufer, die sich mit dem Bewusstsein oder der Seele beschäftigten, waren zwar von den frühesten Zeiten an schon da; allgemein wurde die Fähigkeit, auf sich selbst zu reflektieren, aber erst im Zeitalter der Bewusstseinsseele.</i>" (5)</p><p>Das Bewusstsein, das seiner selbst gewahr wird- aber vorerst mit Vergangenheit- Charakter, immer im Rückblick auf bereits geformte Inhalte reflektierend- ist am weitesten dadurch von der Partizipierung entfernt, als es auf sich selbst zurück geworden ist. Die „Bewusstsamkeit“ muss in einer inneren Wende aufgebaut, gepflegt, gestärkt werden, um nicht der Peripherie, der unendlichen Ablenkbarkeit, Ideologisierung und digitalen Abfütterung zu verfallen. Ein Akt, wie sich mit dem Schopf selbst aus dem Sumpf zu ziehen. Eine Kultur der Aufmerksamkeit für die Aufmerksamkeit zu entwickeln, braucht Freiräume, Interesse, Zeit und Energie. Das Versenken in die Leere bis hin zur Entwicklung der inneren Sphäre ist ein Schlüssel, den jede/r nur selbst finden kann. Rezepte gibt es nicht, nur Hinweise. An dem Punkt, an dem es wie bei der Entwicklung des Instrumentenspiels tatsächlich „fliesst“, wird es zum Bedürfnis; braucht keine besondere Situation, keinen Anlass, keine meditative Folklore. Viele, auch die anthroposophischen Mythologien, Bilderwelten, Vorgaben, Tipps und Traditionen werden zur Last, da sie die Suchbewegung selbst inhaltlich überschwemmen und vom Kern der weichen Fokussierung ablenken, ja regelrecht abhalten. Traditionelles esoterisches „Wissen“ in Form von Lehre wird leicht zum Ersatz für tatsächliche, reale Bewegung. Wuchernde Mythen und Schlussfolgerung, auch die Mystifizierung im politischen Feld schütten reale geistige Arbeit zu. </p><p><br /></p><h3 style="text-align: left;">Die innere Umkehr und das Verströmen</h3><p>Es ist ja wie die Umwendung Maria Magdalenas am Grab: Das Gewahrenden der Aufmerksamkeit ist für das an vergangene Inhalte, Sensorien und Assoziation gefesselte Bewusstsein wie die Auferstehung; eine Art Entdeckung der lebendigen eigenen Natur; ein Jungbrunnen. Vor allem ist es aber auch eine Selbsterfahrung, denn das Selbst ist die Aufmerksamkeit. Die hier so viel beschriebene Sphäre besteht in einer Etablierung dieser Selbst- Erfahrung. Sie ist aber, wie sich in der Praxis zeigt, keineswegs der einzige Aspekt. </p><p>Denn die Sphäre ist ein Pol, der beizeiten abgelöst wird von einer vollkommenen Innerlichkeit, eine Faltung des Bewusstseins, aber auch der Gefühlswelt, wie in eine punktuelle Dynamik: Der andere Pol. Und dieser Punkt strahlt, von der Herzgegend über die Gliedmaßen - vor allem die Mitte der Hände- in die Umgebung. Die Hingabe ist so umfassend wie irgendwie vorstellbar- es ist vor allem die essentielle, wesenhafte Liebe, die an diesem Pol erfahrbar wird. Bei Rudolf Steiner liest sich diese Ebene der Erfahrung so: „<i>Geistige Wesen haben den Menschen umgestaltet, als das vorher nur in ihnen befindliche „Sie fühlt“ in den Menschenleib hinein strömte. Wenn sich daher der esoterisch Strebende wieder in ähnlicher Art, wie es oben geschildert worden ist, in dieses „Sie fühlt“ versenkt, so erhebt er sich zu den entsprechenden Schaffenskräften der höheren Welten. Er muss nur bei dem „Sie fühlt“ das ganze Bewusstsein auf die beiden Arme und Hände konzentrieren. Es wird ihm dann aus dem Gedanken „Sie fühlt“ ein inneres leben ausströmen von unbeschreiblicher Seligkeit. Man kann dieses Gefühl als das der Liebe im tätigen Dasein bezeichnen. Der Mensch erhält dadurch ein Bewusstsein, wie die schaffende Liebe durch den Weltraum hindeutet und durch ihre Tat in alles den belebenden Hauch einführt.“</i> (6)</p><p>So kann man sich auf dieser Ebene geistiger Erfahrung eine Art Atemschlag vorstellen, in dem das „Sie fühlt“ als Tor des Herz- Chakras durch die Arme und Hände ins Umfeld verströmt, während auf der anderen Seite in den sphärenden Ich ein innerer Raum stabilisiert wird, an den wie von außen wogendes Licht in wechselnden Farben Flächen und Formen anbrandet. Beide Seiten dieser Erfahrung werden als welt- geistig und dennoch als individuell erlebt. Im Gegenteil, im größten Hingeben verstärkt sich die Empfindung, ganz „ganz“ und bei sich zu sein. Das Ich kommt, im Gegensatz zum Ego, zu sich, indem es sich verschenkt. Und natürlich weiß dieses transparente Bewusstsein, dass dieser geistige Atem- Vorgang nur der erste Anfang von Allem ist. Natürlich wird auch diese Polarität überwunden werden, aber dafür ist dieses unreife geistige Selbst, das ich bin, noch viel zu vulnerabel. Ich werde es merken, wenn es so weit ist. Jeder wird es merken. Es ist ein vollkommen allgemein menschlicher Weg. Es ist nicht persönlich, aber zugleich das Persönlichste, was vorstellbar ist. Aber es ist immer ein Anfang. Das Anfang- Sein ist die geistige Natur und Signatur. </p><p><br /></p><h3 style="text-align: left;">Konzentrische Kreise ins „Weltenall“</h3><p>Wer diesem dynamischen Prozess des Sphäre- Bildes, Einatmens, Ausbreitens wie den sich ausweitenden Wellen auf einer Teich- Oberfläche nach dem Wurf eines Kiesels folgen möchte, findet bei Rudolf Steiner viele Textstellen. Das überragt nicht selten die alltägliche meditative Praxis bei weitem- steht aber dennoch in genau der Dynamik, die an den ersten Schwellenrändern geistiger Erfahrung gemacht werden können. Um den Blick zu weiten, sei hier ein Text- Ausschnitt eingebracht, der eine bestimmte Phase im Leben nach dem Tod beschreibt:</p><p>„<i>Ja, aber wenn wir erst unser Wesen über den Kosmos ausgebreitet haben, dann es wiederum in uns herein ziehen, dann beginnt in uns, ich kann es nicht anders ausdrücken, dasjenige, was wir umfasst haben, indem wir unser Wesen ausgebreitet haben in die Weltenweiten, und was wir wiederum in uns zusammen ziehen, es beginnt in uns zu sagen, was es ist. Und wir sagen dann zwischen dem Tod und einer neuen Geburt: der Logos, in den wir uns zunächst hinaus versenkt haben, der Logos spricht in uns.</i></p><p><i>Wir haben hier auf der Erde in Bezug auf die physische Sprache vorzugsweise das Gefühl, daß wir die Worte entwickeln, indem wir ausatmen. Wir haben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt die Wahrnehmung, daß die Worte, die im Weltenall ausgebreitet sind und die das Wesen des Weltenalls bedeuten, beim Einatmen unseres Wesens in uns hereinkommen und sich selber als Weltenwort in uns offenbaren. Wir sprechen hier auf der Erde ausatmend, wir sprechen in der geistigen Welt einatmend. Und indem wir mit uns vereinen, was uns der Logos, was uns das Weltenwort sagt, leuchten auf in unserem Wesen die Weltgedanken. Hier mühen wir uns durch unser Nervensystem ab, die Erdgedanken zu hegen, dort saugen wir in uns selbst die Weltgedanken aus der Sprache des Logos, die auftritt, nachdem wir zuerst unser Wesen ausgebreitet haben über das Weltenall</i>.“ (7)</p><p><br /></p><h3 style="text-align: left;">Eckensteher der Welt</h3><p><br /></p><p>Das mit dem Weltall und dem Nachtodlichen mag den Lesern zu weit gehen, womöglich auf die Nerven. Das kann man nicht verdenken. Überhaupt, das ganze Anthroposophentum ist nach immer weiter, und nicht ohne Grund, ins Querdenker- Gleis geraten. Selbst Jeremy Smith hat seinen Blog (8) während der Corona- Zeit geschlossen, nicht wegen seines Engagement für den Brexit, für die schräge Esoterik Judith von Halles und mit voller Corona- Skepsis, sondern wegen seines von ihm empfundenen „Versagens als Anthroposoph“: „<i>I have always had a blockage when it comes to meditation and feel that I lack the basic ability to do this, despite having tried hard on various occasions with various teachers and writers about meditation over the years. This inability to meditate is a serious stumbling block on the path to spiritual development, which means that I fall at the first hurdle and have no access to working with the mantras of the First Class or the exercises in Knowledge of the Higher Worlds. This also means that the experiences and images Steiner describes when preparing to ‘cross the threshold’ between the physical/sense world and the non-visible worlds beyond are for me a closed book. Nor do I find The Philosophy of Freedom an easy work to engage with, though this is the book that Steiner said could be used like his Occult Science or Theosophy to produce an understanding of anthroposophy.</i></p><p><i>After years of reading Steiner’s lectures and books and writing about them on this blog, I feel that I can hold my own in conversations about most topics of anthroposophy, but I cannot claim to have developed any spiritual abilities whatsoever – no clairvoyance, no guidance from spiritual sources, no encounters with elementals or awareness of angels (apart from one encounter many years ago when I was in deep despair). So I remain stuck in what is primarily an intellectual worldview of anthroposophy but am making no progress in what should be the core, which is the development of new spiritual capacities.“</i> (8)</p><p>Das ist bitter und ehrlich zugleich. Es gilt auch die andere Wahrheit, dass das, was Smith für sich konstatiert, nämlich Mangel an substantieller und unabhängiger geistiger Arbeit, die Norm zu sein scheint. Die politisierte und ideologisierte Superiorität, Kämpfe um Deutungshoheit und Techtelmechtel mit rechten Weltbildern scheinen die persönliche Suchbewegung zu überlegen und die anthroposophische Identität zu banalisieren und zu korrumpieren. Das vor einer Generation trotz eigener Zweifel und Auseinandersetzungen formulierte Credo Georg Kühlewinds wird sicherlich immer weniger verstanden: „Der Mensch hört auf, Eckensteher der Welt zu sein, die lichtvolle Einheit, das Paradies mit Selbstbewusstsein, also das Reich der Himmel tritt ein.“ (9)</p><p><br /></p><p>Verweise_________________________</p><p>1 Salvatore Lavecchia, Ich als Gespräch. Anthroposophie der Sinne. Stuttgart 2012, S. 94</p><p>2 SL, S. 96f</p><p>3 SL, S. 111</p><p>4 Georg Kühlewind, Die Esoterik des Erkennens und Handelns in der Philosophie der Freiheit und der Geheimwissenschaft Rudolf Steiners, Stuttgart 2009. S. 29</p><p>5 GK, S. 27</p><p>6 Rudolf Steiner, Aus den Inhalten der esoterischen Schule, Heft 1, Selbstverlag von Marie Steiner, Dornach 1949, S. 32</p><p>7 Rudolf Steiner, Das Verhältnis der Sternenwelt zum Menschen.. GA 219, Dornach 1994, S. 18</p><p>8 <a href="https://anthropopper.com/2021/11/04/my-failures-as-an-anthroposophist/">https://anthropopper.com/2021/11/04/my-failures-as-an-anthroposophist/</a></p><p>9 Georg Kühlewind, de profundis. Briefe an die Freunde, Stuttgart 2013, S. 94</p>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-10377817183091904702022-06-25T16:26:00.003+02:002023-12-04T16:37:23.451+01:00Sergey Kopyl, Kampf um die Zukunft<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><br /></div><br />Dies ist die lange Version eines anthroposophischen Artikels, der im Namen des Kiewer anthroposophischen Zweigs der Ukraine geschrieben wurde. Er stammt aus dem Jahr 2015, als der russisch-ukrainische Krieg nach der Maidan- Revolution gerade erst in noch begrenzter Form begann.<p></p><p>Die Zeit zeigt, dass der Artikel jetzt noch aktuell ist, deshalb habe ich beschlossen, ihn zu teilen, obgleich Anthroposophen aus der Ukraine jetzt natürlich noch viel mehr dazu zu sagen (viel dramatischer würde ich sagen) und goetheanistisch zu beobachten hätten. Ich hoffe, dass ich das in den nächsten Veröffentlichungen zum Ausdruck bringen werde.</p><p>Aber die Haupt- Tendenzen und die Geister, die dahinter vermutet werden, bleiben dieselben, zeigen sich heute nur noch stärker. </p><p><br /></p><h2 style="text-align: left;">Kampf um die Zukunft</h2><p><br /></p><p>Sergej Kopyl,</p><p>Im Namen und im Auftrag des Anthroposophischen Zweiges in Kiew</p><p>20. August 2015</p><p><br /></p><p>Schon seit 1,5 Jahren ziehen die Entwicklungen in der Ukraine die Aufmerksamkeit von Menschen in aller Welt auf sich.</p><p>Darunter befinden sich natürlich auch Anthroposophen. Da das Erkennen von Kräften, die hinter sichtbaren Ereignissen wirken, in der Tat das Hauptbestreben der Geisteswissenschaft ist, haben wir in letzter Zeit Positionen vieler Anthroposophen zu diesem Thema gesehen.</p><p>Und wissen Sie, wir waren wie vom Donner gerührt. Wir - ukrainische Anthroposophen, die an der Revolution auf dem Maidan teilgenommen haben und weiterhin alles verfolgen, was jetzt in der Ukraine geschieht.</p><p>Wir nahmen an, dass selbst für den Blick aus der Ferne, wenn dieser Blick anthroposophisch ist, die Situation sonnenklar sein sollte - besonders nach der Annexion der Krim und dem Beginn des Krieges im Donbass. Aber nachdem wir viele Male eine ganz andere Position gesehen haben - vor allem im Hauptmagazin des Goetheanum-, ist uns klar geworden, dass wir hier auf eine ganz besondere Art des Denkens treffen.</p><p>Und wir denken, das dies eine Systemkrise ist, liebe Freunde. </p><p><br /></p><h3 style="text-align: left;">Über persönliche Erfahrungen</h3><p>Europäische Freunde, die uns zuhören und mit uns sympathisieren, sagen nach enger Kommunikation: "Ihr solltet den Europäern eure Erfahrungen während des Maidan schildern, viele Details kennen wir nicht". Aber wir haben keine Hoffnung, dass persönliche Erfahrungen hier helfen würden: gerade weil die erwähnte Denkweise überhaupt kein Interesse an persönlichen Erfahrungen hat. Sie ist ganz in die "Betrachtung" von "Kräften, die hinter den Kulissen sitzen und die Fäden ziehen" vertieft, wie sie meint.</p><p>Wichtig ist, dass sie überhaupt nicht in Betracht zieht, dass menschliches Denken, Fühlen und Wollen an historischen Entwicklungen teilhaben kann. Es operiert viel mehr mit großen "Wesen" (was oft mit der "Sicht des Historikers" begründet wird): vor seinen Augen schweben "Russland und seine Interessen", "Amerika und seine Interessen", "EU und seine Interessen", "Russland als Organismus" usw., und natürlich "allmächtige okkulte englischsprachige Geheimlogen". Alles, was auf gesellschaftspolitischer Ebene geschieht, ist in dieser Denkweise ein globales Spiel, bei dem jedes Phänomen, so naheliegend es für gesundes Denken und gesundes Fühlen auch sein mag, nur Betrug und Vorwand für ganz andere "wahre Interessen" ist. Und jedes Streben und jede Aktivität des einzelnen Menschen ist Illusion. Die Freiheit der Individualität selbst ist Illusion.</p><p>Wenn man außerdem die "Interessen Russlands", "Interessen Amerikas" usw. in der Sprache der Symptomatologie beschreibt, also diese Subjekte wie geistige Wesen betrachtet, reduziert diese Denkweise sie völlig auf die Handlungen der entsprechenden Regierungen. Aber die gewöhnlichen Menschen (in denen man meinen würde, dass sich die Volksseele offenbaren sollte) sind Marionetten, Stumme, Masse - alles andere als eine wirklich aktive Kraft. </p><p>Es gibt also keine individuelle Freiheit, einfache Menschen sind standardmäßig eine kontrollierte Masse, spirituelle Kräfte dringen nicht in einzelne Personen ein, sondern sind nur für Statthalter offen...</p><p>Sind wir die Einzigen, die denken, dass diese Vorstellung ursprünglich aus der Pharaonenzeit stammt und schon mehrere tausend Jahre überholt ist?</p><p>Mehr noch - sie ist degeneriert. Der Materialismus hat sich durchgesetzt, und geistige Kräfte werden in dieser Sichtweise nun als einige Gemeinschaften von Menschen betrachtet, Gemeinschaften mit ihren privaten Interessen, die plötzlich die für Engel (und nicht für die letzte Hierarchie) typischen Fähigkeiten erhalten haben: das Streben und die Willensimpulse von Millionen zu beherrschen, die heimlich in ihre Seelen schleichen und selbst für die Bewusstseinsseele unsichtbar bleiben.</p><p>Buchstäblich auf magische Weise: wenn zum Beispiel der Senator McCain auf dem Maidan auftaucht, dann wird von diesem Moment an alles, was in den Seelen der Menschen dort lebt, von Emanationen von ihm und der hinter ihm stehenden CIA durchdrungen...</p><p>Oder wenn bekannt wird, dass die USA Geld ausgeben, um "Nicht- Regierungs- Organisationen für Menschenrechte" in einem Land zu unterstützen, dann wird dieses Land als "infiziert" erklärt und von da an wird jeder seiner Bürger, der es ebenfalls wagt, sich für Menschenrechte gegen die Regierung einzusetzen, automatisch als amerikanische Marionette betrachtet. Diese Denkweise interessiert sich nicht für die individuellen Motive dieses Bürgers oder für die Tatsache, dass er, bevor er auf die Straße ging, nichts von dieser Nicht- Regierungs- Organisation gehört und von ihr keine Informationen oder Geld erhalten hat. Niemand ist daran interessiert, konkrete Beweise zu finden, eben weil es sich hier nicht um Erkenntnis, sondern um Glauben handelt.</p><p>Und es wäre verständlich, wenn eine solche Denkweise unter Materialisten/Atheisten gelebt wird, die sich nicht wirklich über eine menschliche Ebene hinaus erheben. (Obwohl, wenn man etwas tiefer schaut, kann man sehen, dass sie in Wirklichkeit auch nach einer Annäherung an die wahren spirituellen Kräfte hungern, die hinter den Kulissen bleiben, aber da sie nicht in der Lage sind, die Mauer des Materialismus zu durchbrechen, reduzieren sie diese Kräfte auf die transzendentale Macht der USA - und der Glaube an diese Macht sieht schon wie eine Religion aus.)</p><p>Wie aber könnte dieser Glaube in der anthroposophischen Gemeinschaft Wurzeln schlagen - in jener Gemeinschaft, in der jeder um Seelenentwicklung und Selbstbewusstsein, um Ich-Kraft und Geradestehen weiß, in der jeder weiß, dass es nicht nur Geld und äußere Einflüsse sind, die Menschen zum Handeln veranlassen können? Wo jeder um die wahren geistigen Kräfte weiß und um Erzengel Michael, für den Freiheit und Demokratie nicht nur Schlagworte sind, sondern das Wesentliche, der "mehr als jeder andere Engel den Menschen vertraut", der die Menschen nicht wie bedeutungslose Marionetten betrachtet, sondern sie auffordert, sich von ihrem eigenen Urteilsvermögen, ihrer eigenen inneren Sonne leiten zu lassen, die Freiheit und Würde gibt? Und der überdies heute der Zeitgeist ist!</p><p>Sind wir die einzigen, die meinen, dass die beschriebene Denkweise gar nicht von Michael geleitet wird? Und ihre Grundlage ist ein ganz anderer Geist - der Geist, für den der einzelne Mensch genau wie eine kleines Schraube in einer Staatsmaschine ist und der schon immer (noch unter dem Namen Chronos) ein Gott der Geschichtsschreiber war, die den einzelnen Menschen aus seiner Flughöhe oft übersehen... Und genau er, Orifiel, ist es, der hinter dem Standpunkt gestanden hat, dass ein Mensch nur aus Körper und Seele besteht und keinen Geist hat, der sich in der Welt selbständig orientieren kann.</p><p>Das Ergebnis war, wie wir uns alle erinnern, die große Spaltung der Engel: ein Teil ging mit diesem Geist weg, ein anderer blieb Michael treu. Und zu letzterem sollte die anthroposophische Gesellschaft gehören. Zumindest sollte es so sein...</p><p><br /></p><h3 style="text-align: left;">Lebendiger Zeitgeist</h3><p>Aber dennoch kann derjenige, der sich Anthroposoph nennt, Michael gar nicht ignorieren. Welcher Platz wird also Michael in der beschriebenen Denkweise eingeräumt? Als Gegengeister werden sie in jedem Fall angesehen: Sie inspirieren angeblich Geheimgesellschaften und Gouverneure des Westens (während die russischen Gouverneure natürlich durch Gottes Hand vor ihrem Einfluss bewahrt werden). Ok, aber wo sind der Zeitgeist und seine Heerscharen? Haben sie eine gewisse Macht in der heutigen Welt, haben sie die Fähigkeit, Menschen zu inspirieren?</p><p>Und wie es scheint, führt diese Denkweise zu einem solchen Punkt: Ja, Michael kann einzelne Individuen inspirieren, besonders Genies und große Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die es nur einmal unter einer Million gibt. Aber solche Menschen können nicht zahlreich sein und sie sind losgelöst - sie sind immer allein in der Menge. Aber die Michaelische Gemeinschaft ist nur ein Vorrecht der anthroposophischen Gesellschaft. Michael dient nur ihr, und nur Anthroposophen sind in der Lage, seinen Eingebungen in der richtigen Weise zu folgen. Der Rest der Welt ist an Ahriman ausgeliefert. Und alle mehr oder weniger massenhaften Bestrebungen nach Michaelischen Idealen werden dort als von Ahriman infiziert oder organisiert dargestellt. Der Durchschnittsmensch kann einfach nichts von den Idealen Michaels wissen! Ihr Los ist es, wie zu Zeiten der Pharaonen, auf höhere Statthalter oder geistige Mentoren zu hören.</p><p><br /></p><p>Sind wir die Einzigen, die der Meinung sind, dass es sich um einen klaren Pharisäertum handelt, der den Weg zur Wahrheit usurpiert?</p><p>Gennady Bondarev postuliert eine solche Ansicht in erstaunlichem "Recht": "Orangene Revolutionen" haben also nichts Natürliches an sich... In der modernen Welt, in dem Zustand, in den die Menschheit gebracht wurde, ist jeder natürliche Massenprotest unmöglich... Für einen Protest braucht man einen Führer, und einfach aus dem Volk heraus zu erscheinen, wird ihm jetzt nicht erlaubt. Aber wenn jemand es braucht, kann der Protest aus allem gemacht werden, und jede Menge Menschen (als ob aufrichtige gestörte Menschen) können dafür versammelt werden. Diese Menge ist eine reine finanzielle Angelegenheit".</p><p>Das ist der Weg! Der "Führer" - das ist natürlich ein Mensch. Er darf keine ideale oder geistige Kraft in einer Seele sein. Und dann sind "aufrichtige gestörte Menschen" natürlich "als ob sie aufrichtig wären", in Wirklichkeit sind sie korrupte Spieler, die nur von dieser allgegenwärtigen Kraft - dem Geld - angezogen werden. Wahrer Geist kann nicht im Durchschnittsmenschen leben! Punktum!</p><p>All dies ist nichts anderes als der Diebstahl des Michael, Freunde! Es ist seine Gefangenschaft - und zwar in einem Gefängnis eines engen Kreises von Menschen mit privaten Interessen: auch wenn sich diese Gruppe zur anthroposophischen Gesellschaft zählt. Es ist die Herabsetzung vom lebendigen Zeitgeist, der atmet und sich zeigt, wo er will und wann er will, zum toten Gruppengeist, der nur noch schemenhaft in einem Folianten "Geheimnis des Michael" schimmern darf. Anthroposophische Leitsätze"...</p><p>Aber inzwischen behauptet er in Wirklichkeit immer lauter von sich selbst, da seine Epoche erst noch die Kraft sammelt und wir gerade erst über ihr Drittel getreten sind.</p><p>Glauben Sie nicht an das aufrichtige Streben nach Freiheit und Gerechtigkeit in den Seelen der Nicht-Christen? An den Arabischen Frühling? - Ok, dann ist hier etwas in einer sehr zugänglichen Form:</p><p>- hier ist ein christliches Land (dazu der Ursprung von "heiliges russisches Land");</p><p>- hier ist eine Stadt, deren offizieller Kirchenpatron der Erzengel Michael ist;</p><p>- hier sind der Michaelsplatz und die Michaelskathedrale, die im wahrsten Sinne des Wortes zu einer "Ritterburg" wurde (die am 30. November 2013 flüchtenden Studenten und im Januar/Februar Verwundeten und Toten Unterschlupf gewährte und die Menschen in gefährlichen Momenten mit Glockenschlägen rief);</p><p>- Hier ist ein Tag, an dem der Protest beginnt: "Der Tag des Erzengels Michael" im orthodoxen Kirchenkalender (21. November);</p><p>- hier ist das Ergebnis nach der Revolution, dass dieser Tag ein offizieller staatlicher Feiertag ist - "Tag der Würde und Freiheit" (wörtlich: Michaelische Ideale in einem kirchlichen Tag von Michael, der nicht von Klerikern, sondern vom Leben selbst festgelegt wird - also wenn geistige Feiertage auch weltlich werden, oder der Geist auf der Erde inkarniert);</p><p>- hier ist der Name der Revolution: "Revolution der Würde";</p><p>- hier ist, um den Verdacht der Künstlichkeit auszuschließen, das Volk, in dessen Geschichte die Demokratie immer eine natürliche Lebensform war, noch aus der Zeit der altrussischen Volksversammlungen (veche) und der Kosakenrepublik, wo die Entscheidungen von der Gemeinschaft und nicht von einem einzelnen Statthalter getroffen wurden;</p><p>- Es geht darum, den Verdacht der Gier und der Aufregung der empfindsamen Seele, der Hauptantriebskraft der Revolution - der Mittelschicht, in der die Bewusstseinsseele instinktiv entwickelt ist, die durch das Denken regiert und nicht an Armut leidet, auszuschließen;</p><p>- hier ist, um den Verdacht des äußeren "Führers" auszuschließen, die offensichtliche Unkontrollierbarkeit der Revolution durch ihre politischen "Führer", die schließlich nur buchstäblich begonnen haben, die Forderungen der in den Seelen lebenden Gemeinschaft umzusetzen;</p><p>- hier gibt es auch viele Details für diejenigen, die die Gesten lesen können: z.B. das "Stehen auf dem Maidan" als Hauptaktion, "Ruhm den Helden" als rein michaelischer Slogan usw.</p><p>Und natürlich das Wesentliche selbst: der Kampf für die Freiheit, die Menschenwürde und die Menschenrechte.</p><p>Was ist sonst noch nötig?</p><p>All dies scheint so offensichtlich zu sein, dass Michael sogar von der Politik wahrgenommen wurde (der spätere Präsidentschaftskandidat Anatoli Grizenko - direkte Rede über die Inspiration des Maidan durch Michael). Aber wie konnte er von den neuen "Schriftgelehrten" übersehen werden? Weil es scheint, dass er sich jetzt nur noch durch sein persönliches Herabsteigen auf den Wolken mit einer Schar von Engeln heller zeigen könnte...</p><p>Oder liegt das Problem vielleicht darin, dass all dies in einem obskuren und unmerklichen Land geschieht und nicht in jenem "Herzen der Spiritualität und der heiligen Kraft", von dem, wie es scheint, die Prophezeiungen künden?</p><p><br /></p><h3 style="text-align: left;">Kreml</h3><p>Und hier mischt sich noch ein Glaube ein, der auch schon religiöse Züge trägt, sogar mächtiger als die Anbetung der allgegenwärtigen Tücke des Amerikanismus. Es ist der Glaube an ein von Gott auserwähltes Russland, und zwar in einer markanten Form: als Glaube an eine von Gott auserwählte Idee von Staatlichkeit und politischer Führung. Hier kann man noch Menschen verstehen, die noch nie etwas von der sozialen Dreigliederung gehört haben, aber wie kann man Anthroposophen verstehen, die sich diesem Glauben verschrieben haben?</p><p>Hier waren wir wieder verblüfft. Wir wissen, dass es in den 1930er Jahren Anthroposophen gab, die Hitler mit seiner "deutschen Nation" unterstützten, aber wir konnten uns nicht einmal vorstellen, dass sich dies 2014 mit Putin und der "russischen Welt" wiederholen würde. Wenn klare militärische Aggression und Annexion von Gebieten mit einer Nazi-Ideologie als Grundlage wieder mit "spiritueller Mission aus der Sicht der Anthroposophie" gerechtfertigt werden.</p><p>Es stellte sich heraus, dass neue "Schriftgelehrte" leicht eine elementare jesuitische Sichtweise einnehmen - Jerusalem mit Christus an der Spitze gegen Luzifer an der Spitze von Babylon. Wenn der Amerikanismus im Westen Babylon ist, dann ist die russische Macht, die mit ihm "kämpft", standardmäßig Jerusalem. So einfach ist das.</p><p>Und niemand erinnert sich daran, dass, wenn dieses Jerusalem physisch ist, nicht Christus, sondern Herodes dort regiert. Der denselben Geist wie der Pharao in sich trägt (es ist kein Zufall, dass das Grab in Form einer Pyramide mit einer Mumie darin immer noch auf dem Hauptplatz vor dem Kreml steht). Und wie dieser Geist tötet er auch Kinder: Er kann die Zukunft nicht ertragen, sein Los ist die Vergangenheit.</p><p>Doch für die Weltanschauung, die Menschen in jedem gesellschaftlichen Geschehen nur als Spielfiguren betrachtet, ist der heutige Kreml genau das Richtige. Wie vor 80 Jahren tritt er wieder auf einzelnen Menschen herum, vor allem auf den eigenen, und lässt sie im Stich, wenn es für den gegenwärtigen Moment des "geopolitischen Spiels" nötig ist:</p><p>- 1919 antwortet der russische Kommissar für Auswärtige Angelegenheiten Chicherin auf die Proteste des ukrainischen Direktoriums (die Armee Sowjetrusslands greift zu diesem Zeitpunkt die Ukraine an der ganzen Front an): "Es gibt keine russischen Truppen in der Ukraine, es sind Truppen der unabhängigen ukrainischen Sowjetregierung";</p><p>- 1939 sagt Molotow: "Die UdSSR befindet sich nicht im Kriegszustand mit Finnland, sie unterstützt nur die Regierung der finnischen demokratischen Republik" (diese Republik wurde tatsächlich einen Tag zuvor in der UdSSR selbst gegründet);</p><p>- 2014 Putin: "Es gibt keine russischen Truppen im Donbass, es sind Truppen der Donezker Volksrepublik - Arbeiter und Bergleute, die zur Verzweiflung gebracht wurden"...</p><p>Und zwischen diesen großen Konflikten - noch mehr als 20 Länder, in denen sowjetische Soldaten heimlich kämpften, in der Verkleidung von Uniformen der lokalen Armeen, auf sowjetischen Panzern und Flugzeugen mit übermalten Erkennungszeichen: in Nordkorea, Laos, Algerien, Ägypten, Jemen, Vietnam, Syrien, Kambodscha, Bangladesch, Angola, Mosambik, Äthiopien, Nicaragua, Honduras, Salvador, Kuba, Bolivien, Grenada und anderen. Die Schicksale dieser Soldaten wurden bis zum Zusammenbruch der UdSSR als Staatsgeheimnis gehütet.</p><p>Das mit der Verkleidung, dem Übermalen von Erkennungszeichen und dem Zurücklassen der eigenen Soldaten wiederholt sich heute im Donbass. Und es sollte jedem, der die Welt mit offenen Augen betrachtet, klar sein.</p><p>Aber neben geheimen Konflikten gab es auch offene Konflikte. Und gerade sie haben einen Gürtel antirussischer Länder "vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer" aufgebaut, wobei der Glaube an den schlauen Amerikanismus natürlich besagt, dass dieser Gürtel durch den "geheimen geopolitischen Einfluss der USA" geschaffen wurde, um die Einheit von Deutschland und Russland zu verhindern.</p><p>Aber was bedeutet der geheime Einfluss der fernen USA für die Polen, wenn die sowjetische Invasionsarmee 1920 und dann 1939 direkt vor ihnen steht und polnische Soldaten tötet?</p><p>Was bedeutet der geheime Einfluss der USA für die Ungarn, wenn sie hier sind: sowjetische Panzer in Budapest 1956, die ungarische Bürger töten?</p><p>Was bedeutet der Einfluss der USA für die Tschechen, wenn sie hier stehen: sowjetische Panzer in Prag im Jahr 1968?</p><p>Was bedeutet der Einfluss der USA für Litauer, Esten und Letten, wenn sie hier sind: sowjetische Besatzungstruppen und NKWD im Jahr 1940, die Zehntausende von Menschen deportierten und dann 1990 versuchten, die Länder mit Gewalt von der Freiheit abzuhalten?</p><p>Was bedeutet der Einfluss der USA für die Moldawier, wenn ein Teil ihres Landes von russischen Truppen besetzt ist?</p><p>Was bedeutet der Einfluss der USA für die Georgier, wenn sie hier sind: Russische Truppen bombardieren ihr Land?</p><p>Und was bedeutet der Einfluss der USA für die Ukrainer, wenn sie sich wieder als Brüder bezeichnen, aber die ganze Zeit versuchen, ihr Recht auf Vorherrschaft mit Gewalt durchzusetzen: wie 1918, so 1939, 1944 und 2014?</p><p>Was haben all diese Länder mit kremlfeindlichen IDEEN aus dem Westen zu tun, wenn der Kreml durch seine eigenen TATEN für sich selbst spricht?</p><p><br /></p><h3 style="text-align: left;">Dämon</h3><p>Wenn wir es hier nur mit dem Geist des Totalitarismus zu tun hätten, würden die Dinge nicht so schrecklich laufen.</p><p>Doch wenn in der Epoche der Empfindungsseele zu Pharaonenzeiten dieser Geist noch an seinem Platz war, in der Epoche der Intellektualseele zu Zeiten des Herodes war er ein Hindernis, so wird er jetzt in der Bewusstseinsseele geradezu zum Tor der Hölle - wie man schon aus Zeiten der Aztekenopfer sehen kann. Durch ihn kriecht eine viel schrecklichere Macht, die sich in der monströsen Entwicklung der Lüge offenbart.</p><p>Denn es ist eine Geschichte - die Verluste der eigenen Soldaten nicht zu berücksichtigen, und eine ganz andere Geschichte - ihre Existenz überhaupt aufzugeben und eine parallele Realität für die Medien zu zeichnen, sie postfaktisch aus der Armee zu entlassen und das Schweigen ihrer Familie und Freunde zu sichern.</p><p>Es ist eine Geschichte, das einfache Volk zu tyrannisieren, und eine ganz andere, gleichzeitig zu sagen, dass diese Menschen noch nie so frei gelebt haben und "das sowjetische Volk alle demokratischen Rechte und Freiheiten hat".</p><p>Es ist eine Geschichte - Tausende von unliebsamen und für das Regime gefährlichen Menschen zu verhaften, und eine ganz andere - zu wissen, dass diese Menschen auf Befehl von oben angeklagt werden und absolut unschuldig sind, sie aber trotzdem in den Gulag zu schicken.</p><p>Es ist eine Geschichte, Aggressionen gegen andere Länder zu begehen, und eine ganz andere, gleichzeitig zu sagen, dass "die UdSSR für den Frieden kämpft und der friedlichste Staat ist". Oder einen unerklärten imperialistischen Krieg gegen Nachbarn mit reinem Nazigedanken zu führen und gleichzeitig zu sagen, dass wir gegen Nazis kämpfen, die Marionetten des westlichen Imperialismus sind...</p><p>Wie ein berühmter Moskauer Professor zu seinen Studenten sagt: "In der Geschichte gab es mehr blutige Regime als die Sowjetunion, aber mehr Lügen gab es nie".</p><p><br /></p><p>Ja, es besteht kein Zweifel, dass wir hier denselben Geist der Sowjetunion, den Geist des Bolschewismus, vor uns haben, der versucht, aus dem Grab aufzuerstehen. Aber durch den Tod hindurch ist er zu einer neuen Stufe aufgestiegen: jetzt ist er in der Lage, Millionen von Menschen in der Zeit des Internets und ohne eisernen Vorhang zu täuschen und verrückt zu machen. Und er hat keine Angst mehr vor der Kirche: es ist ihm gelungen, mit ihr fertig zu werden.</p><p>Und es ist kristallklar, wer hinter ihm steht: es ist einer der mächtigsten Dämonen unserer Welt, ein Dämon, der sich gegen die Wahrheit selbst, gegen die Sonne (das Herz) im Menschen erhebt und den Sinn der Begriffe, den Sinn des Wortes überhaupt zerstört - wenn er weiß schwarz und schwarz weiß nennt und alles, was geschieht, in einen "Informationskrieg" verwandelt, in dem es definitionsgemäß keine Wahrheit gibt. Wie sagt ein eindringlicher Forscher, der den Sachverhalt zutiefst begriffen hat, aber nicht weiß, wie er ihn nennen soll: "Der Zweck (des Kremls) ist nicht, neue Versionen der Wahrheit einzuführen, sondern den Begriff der Wahrheit selbst zu verwässern". Diese Macht wurde in alten Zeiten als Sonnendämon oder Sorat bezeichnet.</p><p><br /></p><p>Hier ist es wichtig nachzuvollziehen, wann genau der moderne Kreml "umkehrte" und begann, das Sowjetimperium wiederherzustellen. Wie zu Jelzins Zeiten entwickelte sich Russland zu einem mehr oder weniger demokratischen Staat, aber irgendwann legte jemand einen Schalter um... Zweifellos werden wir auf den Moment der russischen Zahlungsunfähigkeit kommen. Er hat die russische Wirtschaft radikal erneuert und sie aus dem Gefängnis befreit, woraufhin vor dem Hintergrund des abrupten Anstiegs der Ölpreise das dramatische "Aufstehen aus den Knien" begann.</p><p>Wir schreiben den August 1998. Einen Monat zuvor, im Juli 1998, wird Putin Chef des FSB/KGB (einer Organisation, in der Lügen das A und O sind). Danach folgt sein Aufstieg zum Gipfel der Karriere: in einem Jahr ist er Premierminister, in anderthalb Jahren - der Präsident. Und genau ab dieser Zeit - Bombenanschläge auf Wohnblocks und "Kursk"-U-Boot-Wrack (wo genau genommen zum ersten Mal seit dem Zusammenbruch der UdSSR die absolute Lüge des Kremls wieder zum Vorschein kommt), der zweite Tschetschenien-Krieg wird begonnen, die sowjetische Nationalhymne wird wiederhergestellt, mit "NTV causa" wird die Zerstörung des Journalismus eingeleitet - und weiter bergab...</p><p>Die Ukraine sollte in diesem Prozess die Rolle eines kriminellen Randbezirks des Imperiums spielen und mit all ihren Zuständen zeigen, dass die ostslawischen Völker ohne Russland nichts Lebensfähiges schaffen können und ihr Streben nach Freiheit und Menschenwürde nur zu Chaos, Armut und Blut führt. Es gibt also keine Alternative zur autoritären Hand des Kremls. Die Freiheit soll Angst wecken, und die "russische Seele" kann in der Welt nur von einem Staat und nur unter der Herrschaft des Kremls vertreten werden.</p><p>Und so kommt es ab dem gleichen Jahr 1998 in der Ukraine auch zu markanten Ereignissen: Die russische Zahlungsunfähigkeit lässt die Griwna fallen, im nächsten Jahr stirbt Wjatscheslaw Tschornowil (der berühmteste ukrainische Politiker, der gegen die UdSSR kämpfte und doch ein Dissident war), in einem weiteren Jahr wird Georgi Gongadse (der berühmteste ukrainische Journalist) ermordet, dann enthüllt der Kreml mit dem Konflikt um die Insel Tuzla und den "Gaskriegen" seine wahren Pläne, und schließlich wird unter Janukowitsch als Präsident das Ziel fast erreicht und eine neue "Union" zeichnet sich ab.</p><p>Aber die ganze Zeit wächst auch der Widerstand: nach dem Mord an Gongadse flammen Proteste mit dem Slogan "Wir wollen die Wahrheit!" auf, in vier Jahren - Orangene Revolution (die sich in Sonnenfarben kleidete und auch am Michaelstag, dem 21. November, begann!), und zehn Jahre später am selben Tag - Revolution der Würde, der es endlich gelang, den Dämon zu entlarven.</p><p>Und hier geht es schon nicht mehr nur um die Ukraine: wir können sehen, dass fast alle postsowjetischen Länder, einschließlich Russland selbst, in Wellen, die sich gegenseitig austauschen und hoffentlich unterstützen, mit dieser sowjetischen Krake kämpfen, die Ende des letzten Jahrhunderts wieder erwacht ist.</p><p>Und hier sollte endlich Rudolf Steiner von 1924 eintreten - aus der Zeit, als Russland, ausgeblutet im Bürgerkrieg und noch froh über den wirtschaftlichen Aufstieg dank der NEP, sich nur darauf vorbereitete, in die Dunkelheit der 1930er Jahre einzutreten:</p><p>"<i>Nicht der Weltkrieg selbst, sondern das, was ihm folgte und was noch schrecklicher ist und noch schrecklicher werden wird - zum Beispiel der jetzige Zustand, in dem sich Russland befindet - darauf zielen die Sorat- Geister, die in die Seelen der Menschen eindringen...</i></p><p><i>Die Sorat- Menschen werden an ihrer äußeren Erscheinung zu erkennen sein; sie werden auf schreckliche Weise nicht nur alles verhöhnen, sondern sich auch allem Geistigen widersetzen und es in den Schmutzteich stoßen wollen. Das wird sich z.B. darin äußern, dass etwas, was jetzt noch auf kleinem Raum in Samenform konzentriert ist, wie der heutige Bolschewismus, in die gesamte menschliche Evolution auf der Erde eingehen wird...</i></p><p><i>Am Ende dieses Jahrhunderts wird die Zeit kommen, in der Sorat noch einmal sein Haupt am stärksten aus den Wellen der Evolution erheben wird, um der Widersacher jener Erscheinung Christi zu werden... Es sind nur noch zwei Drittel des Jahrhunderts zu laufen, bevor Sorat noch einmal am stärksten sein Haupt erhebt... <Es wird geschehen mit> der dritten Zahl 666: Jahr 1998".</i></p><p>Dem ist nichts hinzuzufügen.</p><p><br /></p><h3 style="text-align: left;">Schlussfolgerung</h3><p>Als ich diesen Text schrieb, hatte ich ein seltsames Gefühl: als ob ich ein ABC der Moral verteidigen und freisprechen müsste. Zu beweisen, dass Lüge, Totalitarismus, das Führen eines Krieges und die Besetzung eines anderen Landes schlecht sind, während der Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit gegen die Diktatur im eigenen Land, die Verteidigung des eigenen Landes, gut ist. Als ob wirklich etwas mit der Welt geschehen wäre, wenn solche elementaren Ideen nicht bis zur Sonne des Herzens durchdringen können, sondern irgendwo auf der Ebene des ängstlichen "so einfach ist es nicht, da steckt mehr dahinter" stecken bleiben. Die Ukrainer machen darüber schon seit fast zwei Jahren müde Witze: "Wenn etwas aussieht wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, sollten wir keine voreiligen Schlüsse ziehen, sondern schauen, wer davon profitiert".</p><p>Freunde, habt keine Angst! Keine Machenschaften von Geheimlogen sind für uns gefährlich, wenn wir uns an Michael halten, der uns das gesunde Gefühl der Wahrheit bringt!</p><p>Aber den Anthroposophen, die heute im Namen der Anthroposophie den Kreml unterstützen, muss ich sagen: Leute, ihr wendet euch nicht nur von einem Dämon ab, der euch direkt in die Augen schaut. Ihr verführt auch "diese Kleinen" - vertrauensvolle russische Seelen. Was ihr tut, schadet in erster Linie genau dem russischen Volk: Millionen russischer Herzen sind bereits durch Lüge und Hass vergiftet, die aus dem Nichts erfunden wurden, ihr nächstes Volk wird als faschistisch bezeichnet, wie zuvor das estnische oder georgische Volk, und auf der Warteliste stehen alle anderen Völker, bei denen Michael es auch wagen wird, sich zu zeigen. Letztendlich wird für die Russen (zumindest im seelischen Sinne) alles so enden wie für die Deutschen im Jahre 1945. Aber wie viele Leben werden noch geopfert werden und - am wichtigsten! - wie viele Seelen werden noch durch den Irrglauben ruiniert werden?</p><p>Okkulten Bruderschaften zu widerstehen ist unsere, die anthroposophische Aufgabe. Und diese Aufgabe zu erfüllen, ist nur für selbst geistige Bruderschaften möglich, keinesfalls aber für die Staaten mit ihrer "Geopolitik"! Aber in Ihrer Schwäche wollen Sie diese Aufgabe auf die politischen Gouverneure Russlands abwälzen, die selbst (wie die Gouverneure der UdSSR zu ihrer Zeit) von denselben gegnerischen Geistern gefangen sind, die ihre Arme schon fast hundert Jahre lang bis zu den Ellbogen blutbefleckt haben und die immer den Hauptwert dieses Landes - die russischen Seelen - geopfert haben.</p>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-73578577973687014622022-05-25T13:52:00.004+02:002023-12-04T16:37:46.123+01:00Ich als Gespräch- geistige Selbsterfahrung, Begegnung und die Sinne<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><br /></div><br />Natürlich kann man vermeiden, mit der Tür ins Haus zu fallen, aber warum eigentlich? Salvatore Lavecchia jedenfalls stürmt in seinem neuen Buch (1) bereits in seinem ersten Satz in das hinein, was eindeutig aus rein geistiger Erfahrung geschöpft, in eine immer wieder eigens geschöpfte Sprachgestalt hinein gegossen und damit für den Leser immer zu erschließen sein wird - der Leser wird wohl tun, in der Begegnung bereits mit der ersten Szene, quasi an der Haustür, die hungrige Info- Happen- Verdauung beiseite zu stellen, Luft zu holen, sich hin zu setzen und sich entweder darauf einzulassen oder es zu lassen: „<i>Deine Stimme, Deine Worte, Deine Gedanken hörend, denkend, verstehend, bin ich Mitte geistiger Wärme und geistigen Lichtes, dem Du als Ich, als schöpferisches, unvorwegnehmbares Fragen von einer gegenwärtigen Unendlichkeit her antwortest. Diese wärme- und lichtvolle Unendlichkeit offenbart mein Ich, Dein Ich als Gespräch, als Gemeinschaft, wo ich mich durch Dich, in der Wahrnehmung von Dir als lebendiges, wahrhaftiges Bild Deines Ich, als Ich neu gebären und bilden kann.“</i> (2)<p></p><p>Diese Schilderung eines inneren Verstehens in der Begegnung schlägt als so auch benannte „Stimmung“ den Ton an, den dieses kleine, aber vielstimmige meditative Büchlein Lavecchias umkreist- geht es doch um das Ich, die geistige Erfahrung schlechthin, um Begegnung, das Verstehen als solches, die Sinneslehre Rudolf Steiners aus neuen Gesichtspunkten betrachtet. Es geht um die Überwindung des nur dualistischen Bewusstseins in einer Situation hundert Jahre nach Steiner: Ein Erleben, das man früher als „Schulungsweg“ bezeichnet, das Rudolf Steiner umrissen und ausgelotet hat, das Didaktiker wie Kühlewind schrittweise gangbar gemacht haben, ist heute so greifbar wie nie im Alltags- Bewusstsein. Es liegt jeder nicht nur ritualisierten Begegnung, jedem ernsthaften, aktuellen Akt des Begreifens, Erfassens und Verstehens zugrunde. </p><p>Natürlich kehrt Lavecchia nun auch wieder um und zu den Hieroglyphen unserer einsamen und dualen Welt- und Selbstbilder zurück, dem Selbstgefühl als selbstbezüglicher Bewusstseins- Punkt, dem eine Welt des Anderen gegenüber steht. Diesen Ursprung des Solipsismus, der Selbstbilder und Weltgefühl begründet, nennt Lavecchia die „<i>einseitige (..) Konzentriertheit auf Innerliches, die mit der Vorstellung und dem Erleben des Ich als atomartiger, in sich zusammengeschrumpfter, finsterer Punkt zusammenhängt.“</i> (3) Das <i>digital self </i>mit seinen Spiegelungen in internet- fähigen Geräten ist eine weitere Zersplitterung auf einer elektronische Ebene, in der der erlebte Solipsismus sich immer wieder bestätigt. </p><p>Lavecchia will aber nicht darauf hinaus. Er beschäftigt sich ganz im Gegenteil mit dem Bild der „<i>geistigen Wärme- und Lichtsphäre (..), das zu einem tieferen Erleben der Begegnung zwischen Ichwesen sowie zur Wahrnehmung des Gesprächs als Wesen des Ich beitragen kann.</i>“ (3)</p><p>Die Methode, die er dabei anwendet, ist die Umkehr des Blicks - auch die des Lesers- auf die „<i>fruchtbar leere Wachsamkeit“</i> (4), die das Ich in jeder Alltagsbegegnung dann erzeugt, wenn es tatsächlich so frei von sich wird, dass es über seine „<i>subjektivistische, solipsistische Selbstprojektion</i>“ (4) hinaus kommt und sich tatsächlich auf den Anderen einläßt. Lavecchia geht es um den „<i>Augenblick des Verstehens“</i>, um die Freiheit in der nicht durch irgend etwas bedingten Aufmerksamkeit, als „<i>bewusste, fruchtbare Leere, als schöpferisch leere Ichsamkeit“</i> (4). </p><p>Diese aktive schöpferische, essentiell leere Hinwendung ist nun keine geistige Entität, die irgendwie und irgendwo hinter Wahrnehmung und Gedanken stecken würde, sondern die Wachsamkeit, Kraft und Wirksamkeit ist die Quelle, „<i>die ich bin“</i> (4). Gegenwart „<i>ereignet sich, in jeder Wahrnehmung, die ins Verstehen mündet, jenseits von Innerlichkeit und Äußerlichkeit, von Subjekt und Objekt, von Identität und Andersheit.</i>“ (4) Letztlich wird - für denjenigen, der dieser Erfahrung geistig folgt und sie vertieft- durch die geistige Wärme eine „<i>gegenwärtige unendliche Sphäre aus geistigem Licht (geboren), in der sich ein anderes Wesen wahrhaftig offenbaren kann.</i>“ (5)</p><p>Diese Erfahrung der wachen, leeren Sphäre ist der Ausgangspunkt, von dem aus Lavecchia die geistige Bewegung, die jeder Wahrnehmung, Begegnung, jedem Verständnis- Akt zugrunde liegt, weiter verfolgt und vertieft. Diesem essentiellen offenen Raum liegt - Rudolf Steiner hat darauf seine Meditation für Ärzte und Pfleger begründet (6)- eine für die geistige Selbsterfahrung wesentliche Wärme zugrunde, die in Lavecchias Worten so erfahrbar werden kann: „<i>Im Verstehen ist das Ich (..) eine Mitte aus geistiger Wärme, die augenblicklich eine unendliche Sphäre gebären will“</i>- zugleich aber zu einer „<i>uneingeschränkten Durchsichtigkeit des Lichtes“</i> (7) wird, das Begreifen, Verstehen des Anderen konstituiert. Die geistige Selbsterfahrung wird so zum meditativen Erfassen des „<i>geistig sphärende(n) Wesen(s) des phänomenalen Ich.</i>“ (7)</p><p>Lavecchia geht in seinen Meditationen den Möglichkeiten zwischen Begegnung, Wärme und Herzkräften nach, nutzt dabei auch eigene Wortschöpfungen und bleibt konzentriert in seiner Perspektive. Natürlich könnte er auf dieser Ebene geistiger Erfahrung auf Themen wie die Ausbildung des Herz- Chakra kommen. Oder auf das „<i>webende Gedankensein“</i> (8), das Rudolf Steiner so eindrücklich schildert, welches wie Lichtwellen von außen auf die innere Sphäre des Erlebens einwirkt, und das ebenso zur geistigen Selbsterfahrung dazu gehört. Stattdessen geht Laveccia mit dem erworbenen Rüstzeug - der Perspektive des herzwachen Gewahrseins- nun, als Herzstück des Buchs, auf die zwölfgliedrige Sinneslehre Rudolf Steiners ein. Er untersucht diese unkonventionelle Lehre so, dass die Intention Lavecchias eingelöst wird, „<i>eine anfängliche Wahrnehmung der geistigen (..) Dynamik anzuregen, die der von Steiner charakterisierte zwölfgliedrige Sinnesorganismus offenbart, wenn wir die Begegnung zwischen Ichwesen als Ort der urbildhaften Sinnestätigkeit ernst nehmen wollen.</i>“ (9) </p><p>Die meditative Betrachtung aller Sinne regt wie auch die bis dahin erfolgte Hinführung wie wenig andere Bücher selbst zu aktiver meditativer Arbeit an- das Lesen selbst im Erfassen und Nachverfolgen dessen, was Laveccia unter „Ich als Gespräch“ versteht- ist eine meditative Tätigkeit. So ist es auch keine Überraschung, dass Laveccia im dritten Teil des Buches auf Georg Kühlewind und Massimo Scaligero hinweist, die als Pioniere moderner meditativer Schulung gelten dürfen. Das aber mag ein Thema für eine spätere Betrachtung sein.</p><p><br /></p><p>Verweise______________________</p><p><br /></p><p>1 Salvatore Lavecchia, Ich als Gespräch. Anthroposophie der Sinne, Stuttgart 2022</p><p>2 SL S. 9</p><p>3 SL, S. 13ff</p><p>4 SL, S. 19ff</p><p>5 SL, S. 23</p><p>6 Peter Selg „Die sogenannte ‘Wärme-Meditation’ erhielt die Medizinstudentin Helene von Grunelius im Frühjahr 1923 von Rudolf Steiner für sich und ihren Freundeskreis, der medizinische Grundlagenstudien betrieb. Die ‘Wärme-Meditation’ wurde zum zentralen esoterischen Gut der Freundesgruppe – Madeleine van Deventer zufolge bezeichnete Steiner sie ‘als den Weg des Mediziners zum Schauen des ätherischen Christus’. Das Buch beschreibt den geschichtlichen Kontext der Meditation und einige ihre geistigen Implikationen.“ <a href="https://goetheanum-verlag.ch/produkt/die-waerme-meditation/">https://goetheanum-verlag.ch/produkt/die-waerme-meditation/</a></p><p>7 SL, S. 28</p><p>8 Rudolf Steiner: „Würde die Geistesgegenwart in ausgiebigerem Sinne bei den Menschen heran erzogen, so würden heute schon alle Menschen reden können von geistig-übersinnlichen Impressionen, denn sie drängen sich eigentlich im eminentesten Maße auf beim Einschlafen und Aufwachen, insbesondere beim Aufwachen. Nur weil so wenig heran erzogen wird, was Geistesgegenwart ist, deshalb bemerken die Menschen das nicht. </p><p>Im Momente des Aufwachens tritt ja vor der Seele eine ganze Welt auf. Aber im Entstehen vergeht sie schon wiederum, und ehe sich die Menschen darauf besinnen, sie zu erfassen, ist sie fort. Was sich da abspielt im Momente des Aufwachens, das sind nicht Lebensreminiszenzen. Sie sind sehr gut zu unterscheiden von Lebensreminiszenzen, diese flutenden Gedanken.</p><p>Die Gedanken, die ich jetzt meine, sie stellen sich wie ganz objektiv dar gegenüber dem eindringenden Ich und dem astralischen Menschen, und man merkt ganz genau:</p><p>man muss passieren den Ätherleib; denn solange man den Ätherleib passiert, bleibt alles traumhaft. Man muss aber auch passieren den Abgrund, den Zwischenraum – möchte ich sagen, wenn ich mich recht uneigentlich, aber dadurch vielleicht deutlicher ausdrücke –, den Zwischenraum zwischen Ätherleib und physischem Leib, und schlüpft dann in das volle Ätherisch-Physische hinein, indem man aufwacht und die äußeren physischen Eindrücke der Sinne da sind. </p><p>Man kommt auf dem Wege einer solchen Beobachtung zu der Erkenntnis, dass sich zwischen unserem physischen Leib und Ätherleib, gleichgültig ob wir wachen, ob wir schlafen, immerzu Vorgänge abspielen, die eigentlich im webenden Gedankensein bestehen. Dieses webende Gedankenleben kommt eigentlich so, wie es ist, im Wachzustande nicht zu unserem Bewusstsein. Wenn wir nämlich aufgewacht sind, schlüpfen wir mit unserem Ich und mit unserem astralischen Leib in unseren physischen Leib hinein. Sie werden, indem Sie das Sinneswahrnehmungsleben in sich haben, mit den äußeren Weltengedanken, die Sie sich bilden können an den Sinneswahrnehmungen, durchdrungen und haben dann die Stärke, dieses objektive Gedankenweben zu übertönen. </p><p>An der Stelle, wo sonst die objektiven Gedanken weben, bilden wir also gewissermaßen aus der Substanz dieses Gedankenwebens heraus unsere alltäglichen Gedanken, die wir uns im Verkehre mit der Sinneswelt auf die eben angedeutete Weise ausbilden. Gewissermaßen in derselben Region unseres menschlichen Wesens ist beides vorhanden: das objektive Gedankenweben und das subjektive Gedankenweben. Das objektive Gedankenweben, wenn es wahrgenommen wird, wenn wirklich eintritt, was ich geschildert habe als das geistesgegenwärtige Ergreifen des Momentes des Aufwachens, dieses objektive Gedankenweben wird nicht als bloß Gedankliches erfasst, sondern es wird erfasst als dasjenige, was in uns lebt als die Kräfte des Wachstums, als die Kräfte des Lebens überhaupt. </p><p>Diese Kräfte des Lebens sind verbunden mit dem Gedankenweben. Sie durchsetzen dann den Ätherleib nach innen; sie konfigurieren nach außen den physischen Leib. Was in dieser Art in uns ist, wir nehmen es als ein innerliches Weben wahr, das aber durchaus ein Lebendiges darstellt. Das Denken verliert gewissermaßen seine Bildhaftigkeit und Abstraktheit. Es verliert auch alles das, was scharfe Konturen sind. Das Weltendenken webt in uns.</p><p>Wir erfahren wie wir mit unserem subjektiven Denken untertauchen in dieses Weltendenken.“</p><p><br /></p><p>____________</p><p>Rudolf Steiner, GA 207, Seite 51ff</p><p><br /></p><p>9 SL, S. 48</p><div><br /></div>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-88483826968402465442022-05-04T16:42:00.002+02:002023-12-04T16:38:19.088+01:00Das Einbrechen der Herzkraft. Von Sophia zum Logos<p> </p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiTh67f5iBA0Re45j9nEh-HTDzKlE_7KGvg_nwRbHA24WeAq0eHCcL83mb90pp2t61-Dql7Ttv2GX6x6c_sp5qRLYFcI6j6PW-1j-ahFgBXkX8mxn7wvuFHh9atQYP1zEA8unMtAm02AY52MURcVfN-CbFVb0B9JLlDDZn9YF-4Rj0LK3WEO4T70opWHA/s2036/marie.JPG" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="2036" data-original-width="1293" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiTh67f5iBA0Re45j9nEh-HTDzKlE_7KGvg_nwRbHA24WeAq0eHCcL83mb90pp2t61-Dql7Ttv2GX6x6c_sp5qRLYFcI6j6PW-1j-ahFgBXkX8mxn7wvuFHh9atQYP1zEA8unMtAm02AY52MURcVfN-CbFVb0B9JLlDDZn9YF-4Rj0LK3WEO4T70opWHA/s320/marie.JPG" width="203" /></a></div><p></p><p><br /></p><p>In „Maria mit der Herzensrose“ (1) macht Salvatore Lavecchia auf ein besonderes Bild aufmerksam, eine Ikone der Maria aus dem 14. Jahrhundert, einer byzantinischen Ikone (Original Bild 2). Die den Betrachter anblickende kühle, nicht nährende, weniger mütterliche Maria hält einer einer zarten, fast luftleichten Gebärde ihrer linken Hand (was für zarte, lange Finger!) eine helle, unscheinbare Rosenblüte über ihrem Herzen, die bei näherem Hinsehen einen goldenen Schimmer zeigt. Nach dieser Blüte greift das Kind, das gleichzeitig gesäugt wird, ebenfalls mit seiner linken Hand, wobei es mit der rechten den Daumen der Mutter festhält und gleichzeitig so ins Nirgendwo blickt, als sehe es vor sich sein Schicksal. </p><p>Das Stillen und das Erscheinen der Rose erscheint auf der gleichen Höhe- der Betrachter ist in den Vorgang wie eingebunden, wobei der fragende Blick der Maria an ihn appelliert, um sein Verständnis und Verstehen wirbt. Die Geschichte der Ikone, die ihren Weg aus Konstantinopel nach Udine fand, wird in dem Beitrag Lavecchias ausgeführt. Außerdem sucht er die Beziehung dieser Art von Darstellung und Verehrung, die sich in dieser Ikone ausdrückt, in einer eventuellen früh- christlichen Gemeindebildung durch den Evangelisten Markus. Er findet auch Verbindungen zu frühen Vorläufern des Rosenkreuzertums, auch weil die dargestellte Herzensrose in der Gebärde und im Blick der Maria so eindeutig an eine spezifische Erkenntnisseite appelliert, die Lavecchia mit dem wirklichen Rosenkreuzertum verknüpft sieht: das „<i>wache und willensstarke, durch den Christus getragene Ich- Bewusstsein - bzw. die stimmig wirkende Bewusstseinsseele - mit den blühenden, sonnenhaft goldenen Herzenskräften, mit der Herzensrose der Isis- Maria- Sophie, h.h. der Christus- Sophia verbindet, das Astrale ichhaft verwandelnd und zum Bild der himmlischen Sophia aufblühen lassend.“</i> (3)</p><p>Die Grundströmung der kühlen Erkenntnis der Isis- Kräfte, der realen Logos- Ebene des erblühenden Herz- Chakras, soll im Blick, der Gestik und Symbolik dieses Bildes aus Udine anklingen und fordert unmittelbar zur inneren Teilhabe auf- ein Motiv, das über die Rosenkreuzer bis in die vorchristlichen Einweihungsschulen verweist. Salvatore Lavecchia nennt es „<i>schöpferisches Herzensgespräch“</i> (4), das Urbild des Löwen. In diesem Zusammenhang sei auch verwiesen auf das noch zu erscheinende neue Buch Lavecchias „Ich als Gespräch. Anthroposophie der Sinne“ im Verlag Freies Geistesleben (5).</p><p>Den Rahmen der zeitgenössischen Verbindung zu diesen Herz- Rosen- Kräften hat im 20. Jahrhundert Rudolf Steiner gebildet, der den Anfang des Weges so beschrieb: „<i>Er muss nur nicht glauben, dass er nun gleich von heute auf morgen diese höheren Welten erobern kann. Er muss vielmehr die Geduld haben, diese Versenkung durch lange Zeit hindurch täglich immer wieder vorzunehmen. Hat er diese Geduld, dann wird er nach einiger Zeit bemerken, wie ihm ein Gedanke aufgeht, der nun kein bedachter Gedanke mehr ist, sondern ein von Kraft durchzogener, lebendiger Gedanke. Er wird sich etwas sagen können: so wie dieser mein Gedanke, so muss innerlich lebendig sein die Kraft, welche im Pflanzenkeime ist und ihn zu den Gliedern des Pflanzenkeimes auftreibt. Und bald wird sich ihm dieser Gedanke so zeigen, wie wenn er Licht ausströmte. In diesem innerlichen Lichtausströmen fühlt sich der Mensch froh und daseinsfreudig. Ein Gefühl durchdringt ihn, das man nur mit „freudiger Liebe am schöpferischen Dasein“ bezeichnen kann. Und dem Willen teilt sich eine Kraft mit, wie wenn ihn der genannte Gedanke mit Wärme durchstrahlt, die ihn energisch macht. Das alles kann der Mensch saugen aus der geschilderten richtigen Versenkung in das „Ich Bin“. Der Mensch wird nach und nach erkennen, dass intellektuelle seelische und moralische Kraft höchster Art auf diese Weise in ihm geboren wird, und dass er sich dadurch in ein immer mehr bewusstes Verhältnis bringt zu einer höheren Welt.“</i> (6)</p><p>Das Gemeinte stellt sich als lebenslanger, selbst gewählter und kaum zu kommunizierender Prozess heraus, ein Akt des freien Entschlusses, da nichts dazu anregt, nichts dabei heraus springen kann, nicht einmal ein erhöhtes Selbstgefühl oder Selbstbild. Selbst seelischer Profit verhindert jedes Fortschreiten augenblicklich und nachhaltig, selbst das Bespiegeln oder Beharren lässt den lebendigen Strom verstummen. Die Maria schaut einen an und fragt: Ihr allein wünscht der Befragte Antwort zu sein. Der Blick der Maria, die auf den Schauenden zurück verweist ist der Blick des Befragten auf sich selbst. Das Denken allein kann die sachliche Mystik nicht entzünden- nur der Rückverweis auf den Denkenden selbst, auf seine pure, unverfälschte und reine Präsenz. Das „schöpferische Dasein“ ist er selbst, in ihm findet er seine wirkliche, ungespiegelte aktive Identität. </p><p>Aber selbst in der Stille der sprießenden Daseins- Kräfte, die sich behaupten im Nicht- Dialektischen, in der Leere des Nicht- Assoziativen, der ungebrochenen Aufmerksamkeit, wirken die Herzkräfte wie ein unterirdischer Strom, in den es nur von Zeit zu Zeit unvermittelt gelingt, hinein zu schlüpfen: das „<i>unerschöpflich blühende Gold der sonnenhaften Herzenskräfte“</i> (7) ist ein Klang aus der Tiefe, der sich unvermittelt enthüllt und in einer noch weit umfänglicheren Hingabe zum Ausdruck bringt: In der Herzenshelligkeit (7), in der sich der „<i>schöpferisches Zusammenklang von Geist/Ich, Seele, Leib sowie von Denken, Fühlen, Wollen verdichtet“</i> (7). Diese Marien- Kräfte - Massimo Scaligero nennt sie in seinen 1937 geschriebenen, nicht publizierten spirituellen Tagebüchern die „<i>göttliche Mutter“</i>- wirken lange wie schwebend über dem zentrierten und gleichzeitig flüssigen Bewusstsein; ihr Erwachen in der „<i>Reinheit hoher Gelassenheit“</i> (Scaligero, 8) geschieht meist in einer unerwarteten Wendung, die sich wie eine Umstülpung ausnimmt, ein Wieder- Erwachen auf ungleich höherer energetischer Ebene, die zugleich Selbst und Nicht- Selbst darstellt, erlebbar als Neugeburt in einer nie geahnten Einheit des eigenen Wesens und aller eigenen Kräfte, aber zugleich in einer hingebenden Frömmigkeit, die sich ausmacht wie der Urgrund der Schöpfung selbst. </p><p>Schon am Anfang dieses Prozesses, der nicht in der eigenen Hand liegt, der ebenso als Selbst- Offenbarung wie als Gnade erscheint, erlebt Scaligero die Rückkehr zum „<i>reinen Ursprung“</i>, zu einem „<i>Frieden, den nichts stören kann“</i>. Aber auch: „<i>Entkommen ins Nichts, bin ich in abstrakter Stille, aufgelöst in einsamer Stille. Ich bin nicht, ich denke nicht, ich hasse nicht, ich sehe nicht, ich fühle nicht, ich existiere nicht. Das Leben ist vorüber, der Tod ist überwunden, Bindung überwunden, Angst überwunden. Im Mysterium der überlegenen Einsamkeit überlasse ich mich der Unendlichkeit, ich löse mich in ursprünglicher Reinheit auf… Ich bin ruhig wie ein schlafender See, durchsichtig wie die Luft, frisch wie der Morgen, temperiert wie der Herbst, warm wie der Frühling, immer noch so still, weich wie die Liebe. Ich existiere also nicht: Ich verliere mich im Nichtsein.</i>“ (8) Aber dann, in späteren Notizen, erwacht in diesem Nichtsein dann die Erfahrung, dass dieses sich anders ausdrückt als: Sich selbst wieder in die Hände der Göttlichen Mutter zu legen, in einen transzendenten Frieden, in dem "<i>ich blühe und blühe" </i>(8). Erst nach und nach wird diese „<i>Quelle flüssiger Vitalität“</i> zu dem, was Scaligero als „<i>ein sicherer Hafen des Selbst“</i> erlebt, als etwas, was „<i>immer präsent in mir“</i> (8) ist. </p><p>Mit dem Wissen, dass Scaligero, der enge Freund Julius Evolas, nach Verfassen dieser ekstatischen Vertiefung in seinen Einweihungs- Prozess zugleich immer stärker rassistisch und antisemitisch abgedriftet ist und der Rasse- Begriff auch in seinen späteren öffentlichen mystischen Schriften immer wieder als nicht viel erwähntes, aber zentrales Element von ihm betrachtet wurde, fragt sich, ob er den „sicheren Hafen seines Selbst“ und seiner Erkenntnis nicht doch so verfehlt hat, dass die beschworene <i>Erfahrung der absoluten Reinheit </i>von ihm <i> </i>auf derbe Weise auf die Rasse übertragen worden ist. Der spirituelle Ehrgeiz, dass die Marien- Kräfte „immer präsent“ in ihm sein sollten, könnte zu einem fatalen Irrglauben geführt haben- trotz der zweifellos intensiv erlebten Kraftfelder in der Überwindung der Bindungen. Kann eben diese Auflösung auch zum Irrweg führen?</p><p>So kommen dann, Ende April 1937, in diesen nicht veröffentlichen spirituellen Tagebüchern, auch ekstatische Anmerkungen zum Ausdruck, die wie von Nietzsche wirken, inmitten einer von Scaligero so erlebten totalen Transmutation: „<i>Liebe zum Kampf, um die Kohorte der Geister des Nicht-Seins zu befreien, für die Verwandlung jeder menschlichen Sache im Übermensch.</i>“ (8)</p><p>Hier übersteigt Scaligero das „schöpferische Herzgespräch“ (Lavecchia) vermutlich und verliert den fragenden Blick der Maria aus den Augen. Die „Einheit“ scheint zerbrochen.</p><p>Ganz anders Georg Kühlewind, der ebenfalls den Weg des Logos für das Gegenwarts- Bewusstsein aufzeigte, aber stets bemüht war, die innere „Einheit“ zu verwirklichen, den „Apparat“ der Denk- und Seelenstrukturen zu durchdringen, aber im Sinne eines sanften, empfangenden Willens: „<i>Wer das Licht des Lebens erlangt, stellt eine Einheit her, die in der Urgeschichte zerbrochen war. Das menschliche Licht - das Bewusstsein- hat heute kein Leben; es stützt sich auf das lichtlose ihm gegenüber stehende Leben, das Leben des Leibes. Ohne den lebenden leiblichen „Apparat“ ist gewöhnliches Bewusstsein nicht möglich. Der Weg geht dahin, das Bewusstsein zu eigenem Leben zu entzünden. Dann braucht es das körperliche Instrument nicht mehr, um zu bestehen - es muss die Lebenskräfte des Leibes nicht zerstören (..).</i> Eine solche Haltung sucht zweifellos das „<i>ewige Leben“</i> im lebendigen „<i>Bewusstsein des Ich-bin-da“</i> und überwindet situativ, in meditativen Momenten, das „<i>Haften an dem psychischen Leben“</i> und dem „<i>Sich-selbst-fühlen-Wollen“</i> (9), verliert aber doch nicht den Weg aus dem Blick: Dass es dauernder und anhaltender Bemühung bedarf in der „<i>Erforschung der Hindernisse, die der Verwirklichung eines Gegenwartsbewusstseins im Wege stehen, und Erarbeitung der Methoden, diese Hindernisse zu beseitigen. Denn der Tröstergeist w o h n t noch nicht im Menschen.</i>“ (10) Es ist, selbst dem Begabten, dem geistig Beschenkten, dem Erleuchteten, nicht gegeben, sich vorzustellen, dass die Marien- Kräfte ihn so durchdringen könnten, dass er sozusagen Erlösung erlange. Das Entzücken über das Freiwerden determinierender seelischer oder geistiger Automatismen und Reflektions- Ebenen kann gerade den Blick verstellen. Im Sinne des Neuen Testaments, schreibt Kühlewind, besteht das „<i>Prinzip, das aus dem Menschen ein Tier macht; nicht ein Tier der Natur, sondern das Menschentier, das seine verdorbenen, nicht natürlichen Instinkte mit Intelligenz zu befriedigen bestrebt ist.</i>“ (11) Die Arbeit am Geist in der kontinuierlichen Vertiefung der Erkenntnis- Möglichkeiten - <i>Aletheia</i>- und der „<i>moralischen Intuitionsfähigkeit dazu“ - Charis-</i> (11) ist eine Menschheits- Aufgabe, ein Entwicklungsprozess: „<i>Der Logos ist durch die Sichtbarkeit gegangen und in die Unsichtbarkeit des Menschenherzens gekommen: Von diesem Ort aus erleuchtet er die Welt“.</i> (11)</p><p>______________</p><p>1 die drei 2/22 S 53 </p><p>2 <a href="https://www.wikiwand.com/it/Santuario_della_Beata_Vergine_delle_Grazie_(Udine)">https://www.wikiwand.com/it/Santuario_della_Beata_Vergine_delle_Grazie_(Udine)</a></p><p>3 Lavecchia, die drei 2/22 S. 58</p><p>4 Lavecchia, die drei 2/22, S. 56</p><p>5 „Salvatore Lavecchia, Professor für Philosophie an der Universität Udine, repräsentiert eine moderne Anthroposophie, die den Austausch mit der zeitgenössischen Philosophie und mit anderen spirituellen Strömungen sucht.</p><p>Sein besonderes Interesse gilt einer Philosophie des Ich, die den Menschen gleichzeitig als Sinneswesen in den Blick nimmt. Dazu legt er jetzt ein grundlegendes Werk vor. Lavecchia zeigt darin, dass der menschliche Sinnesorganismus ursprünglich dazu bestimmt ist, die verstehende Begegnung mit anderen Ichwesen zu ermöglichen. In einer solchen Begegnung erweist sich das Ich als eine geistige Sphäre aus Wärme und Licht, in der das andere Ich sich offenbaren kann. Ich als Gespräch.“ <a href="https://www.geistesleben.de/Wissenschaft-und-Lebenskunst/Anthroposophie/Ich-als-Gespraech.html?listtype=search&searchparam=lavecchia">https://www.geistesleben.de/Wissenschaft-und-Lebenskunst/Anthroposophie/Ich-als-Gespraech.html?listtype=search&searchparam=lavecchia</a></p><p>6 Rudolf Steiner, Aus den Inhalten der Esoterischen Schule Band I, Im Selbstverlag heraus gebracht von Marie Steiner, 1949/2, S. 29</p><p>7 Lavecchia, die drei 2/22 S. 54e</p><p>8 Tagebuch - Notizen von Massimo Scaligero, auf Italienisch auf der Facebook- Seite von Piero Cammerinesi https://www.facebook.com/pierocammerinesi Übersetzung durch Google</p><p>9 Georg Kühlewind, Das Gewahrenden des Logos, Stuttgart 1979, S. 64</p><p>10 Georg Kühlewind, S. 74</p><p>11 Georg Kühlewind, S. 86ff</p><p><br /></p><p>Foto- Vorlage aus dem zitierten Artikel in die drei</p>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-30693410476408669742022-04-06T18:12:00.004+02:002022-04-06T23:07:20.951+02:00Ich erinnere mich daran, als hätte ich ihn gekannt. Anmerkungen zu Laszlo Böszörmenyis "Georg Kühlewind, Ein Diener des Logos" <p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhrmHozVjbGKvQwPpUsYCsvNWHeSONKSuy5fFTWFZE3IYXXwbXtMg7f2R3JPOPZIV6xHIHXI74mX5EwTMhpGgr4cIMPDyH4syHjNPfNzDyqlwzvHqLcpEbkoICxUHLngrdWQbmg-s4JweAFLVG_-ybOpvk5L8QC5lBB8vHclYEUAUmON1xL9Ri6OqVuSA/s1181/IMG_1310.JPG" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1181" data-original-width="1180" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhrmHozVjbGKvQwPpUsYCsvNWHeSONKSuy5fFTWFZE3IYXXwbXtMg7f2R3JPOPZIV6xHIHXI74mX5EwTMhpGgr4cIMPDyH4syHjNPfNzDyqlwzvHqLcpEbkoICxUHLngrdWQbmg-s4JweAFLVG_-ybOpvk5L8QC5lBB8vHclYEUAUmON1xL9Ri6OqVuSA/s320/IMG_1310.JPG" width="320" /></a></div><br />Und ja, natürlich erinnere ich mich, und natürlich habe ich Kühlewind ein wenig gekannt. Ich hatte ihn, vor rund 35 Jahren, vom Düsseldorfer Flughafen abgeholt- was ihm die lange Weiterfahrt mit dem Zug in ein Studienhaus im Sauerland ersparte, wo er, zusammen mit einer Pianistin, ein einwöchiges Seminar zu Bewusstseinsfragen gab. Einer der Schwerpunkte war die meditative oder intuitive Erfassung von modernen Kompositionen, vorzugsweise Gershwin. Dass es ein Seminar der vertieften und schmerzhaften Selbsterfahrung werden sollte, war mir am Flughafen noch nicht klar. Sehr wohl aber, dass Kühlewinds Maschine erhebliche Verspätung haben würde. Ich stand vor den automatisch öffnenden Glastüren im Wartebereich, während der Ticker die sich nähernden und gelandeten Maschinen anzeigte, und es gab keinen Zweifel: Es würde nicht nur zeitlich eng werden, es würde nicht annähernd rechtzeitig zu schaffen sein. <p></p><p>Während mir ein nicht zu verkennender Kühlewind mit dieser Ich-bin-ein-Professor-aus-Budapest-Brille, dem schmalen, klugen Gesicht eines Schachspielers, einer Gelassenheit bis in jede einzelne Bewegung hinein, den wachen Augen und einem Hauch von wacher Distanz durch die trüben, aufgleitenden Glastüren entgegen kam, war mir bewusst, dass annähernd 80 Gäste seines Kurses in absehbarer Zeit entschlossen zum ausgezeichneten Abendessen mit Rohkost und Schnittchen schreiten würden. </p><p>Natürlich erkannte ich den Mann anhand der Fotografien in vielen seiner Bücher und Artikel. Er war so etwas wie ein umstrittener Star, einer, der vielleicht die Chance darstellte, die verkrustete, in ihrem Kern reaktionäre öffentliche Anthroposophie zu reformieren, obwohl diese seit den 80ern wuchs wie nie, gründete, expandierte und große Teile der Alternativen anzog. Aber Kühlewind, der auf Engagement und persönlicher ethischer und geistiger Schulung auf hohem, selbstkritischem Niveau bestand, war vielen einfach viel zu "schwierig". Nicht nur in intellektueller Hinsicht; Kühlewind hatte keine Hemmungen, den Leuten ins Gesicht zu sagen, was er dachte, auch öffentlich: "Selbst wenn ein Engel sich wunderbarer Weise vor Ihren Augen auf der Hauptstraße vor Ihren aller Augen materialisieren sollte, womit wollten Sie ihn denn erkennen?" donnerte er die verdutzten Esoteriker an. </p><p>Er stieg in meinen Wagen ein, das Köfferchen auf dem Rücksitz, die Brille zurecht gerückt, ein charmanter Blick, und schon ging es durch die Stadt auf die Autobahn. Wir kannten uns nicht, wie war der Flug, was machen Sie so. Mir fiel seine Sitzhaltung auf, die irgendwie leicht, beiläufig, entspannt wirkte. Dagegen fuhr ich selbst am Limit des Erlaubten und Angemessenen, immer mehr und mehr besessen davon, was die 80 Gäste, die uns erwarteten, jetzt wohl gerade taten. Ich kreiste um das Thema, mit einer Anmaßung von Verantwortung, die mir gar nicht zustand; ich war doch nur der Fahrer. Aber ich konnte nicht aufhören, mich verantwortlich zu fühlen, ich wollte es gut machen, ich wollte es recht machen. Der Meister aus Budapest war so still, er war eingenickt. Währenddessen ging es hinter Olpe auf die Bergstraßen, durch die Dörfer, schon fast dämmrig, ich war praktisch in Rage, müsste scharf vor einem Vogel auf der Straße bremsen. Der Meister wachte durch den Ruck auf und erklärte, fast begütigend: Die Vögel weichen immer rechtzeitig aus. </p><p>Schade eigentlich, während der Wald um uns dichter und dunkler wurde, schade, dass ich einfach nicht herunter kam, während der Meister weiterhin vollständig entspannt und offen neben mir saß, auch am letzten Abzweig zur Anhöhe vom Studienhaus. Dann setzte ich ihn ab, vielen Dank, machen Sie sich keine Mühe, ich parkte ein. Er verschwand mit seinem Koffer in seinem Zimmer, es war sonst kein Mensch zu sehen, das Abendessen war längst beendet, und in der Küche klapperte es. Alle meine schlimmen Erwartungen waren eingetroffen. Durchgeschwitzt öffnete ich die schwere Tür zum großen Saal, worauf das Stimmengewirr kurz jäh verstummte; dann sahen alle: da war nur ich. Ich setzte mich am Rand auf einen freien Stuhl, und das Gemurmel setzte wieder ein, durchsetzt von ungeduldigen Ausrufen wie "Unverschämtheit", aber es passierte lange Zeit nichts weiter. Offenbar speiste der Meister in seinem Zimmer. Vielleicht öffnete er das Fenster und genoss die kalte Luft, das Murmeln des Bachs, das Wogen der hohen Fichten. Vielleicht sammelte er sich, meditierte oder streifte die Emotions- Aura seines Fahrers ab, wer weiß. Die Stimmung im Saal war inzwischen vor- revolutionär und steckte mich inzwischen selbst ein wenig an. Warum, zum Teufel, hatte ich mich so beeilt? Würde ich Zeuge einer Rebellion, eines Tribunals werden? </p><p>Nein, die Tür öffnete sich, der Meister schritt ans Podium, grüßte, eröffnete das einwöchiges Seminar, erläuterte die Strukturen, forderte Aktivität und Konzentration der Teilnehmer ein, kündigte Formalitäten an und machte ein oder zwei Scherze. Danach begann der anspruchsvolle Abendvortrag mit anschließendem Konzert. Was auch immer an Emotion den Saal vorher beherrscht haben sollte, hatte Kühlewind innerhalb weniger Minuten restlos abgeräumt und frei gemacht. Seine pure Präsenz löste all das, was auch mich vorher getrübt und umgetrieben hatte, in sich auf. Das Moment war gesetzt, die Arbeit begann, die Woche gehörte ihm. </p><p>Für mich war sicherlich vieles eindrücklich an den Begegnungen mit Kühlewind, aber am meisten zu schaffen machte mir dieses Grundproblem, das sich an seiner Entspanntheit aufschaukelte: Das genügen wollen, es recht machen wollen, das anerkannt sein wollen, das rechtzeitig da sein wollen- all das Wollen, dem nie ausreichend Bestätigung entsprang, das nie genug war, und das - wie in dieser Begegnung mit Kühlewind- verhinderte, tatsächlich real <i>präsent</i> zu sein. </p><p>In Böszörmenyis vorliegendem Buch "Ein Diener des Logos" (1) finden sich in Erinnerungen, Anmerkungen und Text-Schnipseln einige ähnliche Erfahrungen Anderer, die nicht selten wirkten wie Begegnungen mit einem Zen- Meister, in einer manchmal schockierenden Direktheit: "<i>Ein guter Freund von mir hat einmal Georg davon erzählt, wie sehr es ihn quält, dass er in seiner Vergangenheit so vieles falsch gemacht hat. Georg hat ihn angeschaut und lapidar gesagt: "Was kümmert dich das?""</i> (2) Der Werdegang, das persönliche Erzähl- Muster, die biografische Erklärung, das zählte eben nur insoweit, wie es die Ich- Präsenz in der Situation beeinträchtigte oder nicht. Der Blick zurück war dem gegenüber nur das Muster eines selbst- referentiellen Ego. Wie merkwürdig es wirken kann, dass dies ("<i>Mit anderen Worten: Anstatt sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, versucht man die Gegenwart zu erleben"</i> (3)) als "<i>Stärkung der kreativen Kräfte des Überbewusstseins"</i> (3) nicht nur Teil des geistigen Schulungsweges, sondern auch einer spirituellen Therapie Kühlewinds war, aber auch selbstverständliches Credo jeder materialistischen Verhaltenstherapie nach Rogers ist, entgeht Böszörmenyi. Nostalgie war eben ebenso wenig Kühlewinds Ding wie sentimentale Selbstverstrickung. Denn dort, genau dort "<i>wohnen die mehr oder weniger tierischen Gestalten unserer Bewusstseinshölle. Die saugen unsere geistigen Kräfte ab.</i>" (3)</p><p>Dabei hatte der Meister selbst eigentlich gute Gründe für eigene Verstrickungen. Er wurde 1924 als Gyorgy Szekely in Budapest geboren- Kühlewind war das von ihm gewählte Pseudonym für den westlichen Verlag in Ostblock- Zeiten- der "Name ist Programm" oder ähnlich drückte er es einmal aus. Von seiner jüdischen Herkunft erfuhr er erst beim Schuleintritt, wegen des Religions- Unterrichts. Wie man Georg Kühlewinds Tagebuch (im Anhang des vorliegenden Buch) aus der Zeit entnehmen kann, wurde es nach der Besetzung Ungarns im März 1944 so ernst, dass der Junge an seinen möglichen Tod dachte: "<i>Merkwürdiges, irreales Gefühl. Wie ein Traum. Und eine Art Doppelheit: Das eine bin ich, meine Gedanken, das andere das durch die Deutschen besetzte Budapest."</i> (4) Er ahnt die nahende Katastrophe. Der Traum von einer organisierten Widerstands- Bewegung erfüllt sich nicht. In der Gefahr bewegen ihn existentielle Grenzerfahrungen, bis ihn im Mai 1944 tatsächlich die Einberufung zur Zwangsarbeit trifft- und damit der Entschluss: "<i>Ich werde alle Kraft dareingeben, mein Schicksal anständig und vorbildlich zu ertragen."</i> (5) Nach einer kurzen Flucht wurde er aufgegriffen und ins KZ Buchenwald deportiert. Er überlebte zusammen mit seinem Vater. In der aufgewühlten und zunächst desorientierten Phase nach dem Krieg begegnete Kühlewind verschiedentlich Werken von oder über Rudolf Steiner, die aber zunächst keinen bedeutenden Eindruck auf ihn machten. Das änderte sich erst 1958, mit dem Studium der Philosophie der Freiheit, womit ein regelrechtes inneres Studium begann. </p><p>Man muss Laszlo Böszörmenyi natürlich zugute halten, dass er diese Mischung aus Tagebuch- Notizen, Fragmenten aus Interviews, persönlichen Begegnungen und Gesprächen, Texten und Reflexionen zusammen trägt und für den Leser erschließt. Der fragmentarische Charakter, ständige Zeitsprünge und eingestreute Erinnerungen und Überlegungen lassen aber keine Biografie im engeren Sinne entstehen, sondern ein Mosaik, das dann leider teilweise auch noch mit persönlichen Betrachtungen zur Weltlage, Pandemie und 9/11 überlagert wird. Die biografischen Fragmente laufen auf das zu, auf das es Böszörmenyi letztlich ankommt, und das ist eine umfassende Werkgeschichte der Schriften Kühlewinds. Vielleicht ist das auch durchaus in dessen Sinne, da der Lehrer, der sich in seinem Werk mit der "<i>Sphäre des lebendigen Denkens"</i> (6) beschäftigt hat, nie viel Aufhebens um seine Person gemacht hat. </p><p>Böszörmenyi nimmt erst mit der Werkgeschichte, in der er jedes einzelne Buch Kühlewinds inhaltlich und chronologisch betrachtet, richtig Fahrt auf- das Fragmentarische und Sprunghafte hört weitgehend auf, wird aber ersetzt durch eine Fülle von Fußnoten auch in Form von Anekdoten, die durchaus erhellend sind. Es wird dadurch eine Art paralleler Kommentierung geschaffen. Die systematische Darstellung der Schritte der Entwicklung in Kühlewinds Arbeiten wird diese sicherlich - gelten sie doch in anthroposophischen Kreisen oft als so "schwierig" - zugänglicher machen. Schon die inhaltlichen Übersichten mögen es Manchem erleichtern, sich zu entscheiden, hier oder dort einzusteigen- oder manche Titel zu meiden. Es gibt Bücher, die Kühlewind gerade im Blick auf die breite Öffentlichkeit geschrieben hat- und andere, die sich speziell an geistig Übende richten oder an Interessierte an Themen des Neuen Testaments. Man findet sogar spezielle weihnachtliche Titel oder solche, die sich mit Buddhismus oder dem Grals- Thema beschäftigen. Alle, muss man sagen, in der typischen Nomenklatur, Stilistik, Kühle und Sachlichkeit, die Kühlewind ausmacht. Am Ende gibt es von ihm auch linguistische Spezialwerke.</p><p>Nun, "schwierig" sind sie alle, weil der Meister nun einmal ungewohnte Perspektiven einnahm. Man kann die Bücher nicht wirklich "quer" lesen, da sie ein konzentriertes Einstimmen voraus setzen. Wer Kühlewind nur "passiv" lesen, also Informations- Bits entnehmen will, bleibt mit einiger Sicherheit sehr bald hängen und stecken. Kühlewind entzieht sich dem leichten Konsum- seine Texte sind selbst "Übungen", die konzentriertes, teilweise hoch verdichtetes Denken erfordern. An vielen Stellen kommen sie meditativen Texten gleich, beinhalten auch praktisch und faktisch manchmal diverse meditative Übungen. Die Führung durch die Fülle dieser diversen Texte übernimmt Böszörmenyi zuverlässig und sachlich. </p><p>Das Zugänglich - Machen für den interessierten Leser schränkt er teilweise aber auch wieder durch typisch anthroposophischen Wortgebrauch oder durch teilweise esoterisches Pathos ein- den Bruch des Bewusstseins mit dem alltäglichen Denken setzt er der "<i>Intensität eines Vulkanausbruchs"</i> (6) gleich, eine "<i>vertikale Wolken- und Feuersäule, die Mose und sein Volk in der Wüste leitete"</i> (6). Damit charakterisiert werden soll die erlebte Aktivität des meditativen Bewusstseins im Vergleich zum konstatierenden, reflektierenden Alltagsbewusstsein. Um mögliche Wege zu einer solchen möglichen Ich- Erfahrung als reines Bewusstsein aufzuzeigen, schiebt Böszörmenyi eine Reihe einfacher Konzentrations- und Denkübungen ein, die er jeweils für den Interessierten mit vielen Verweisen auf Texte Kühlewinds verbindet. Böszörmenyi nähert sich den Büchern Kühlewinds also von mehreren Seiten an. Seine Biografie wird damit mehr und mehr selbst zum Schulungs- Text, zum Medium für Interessierte an geistiger Übung und Erfrischung. Für meinen Geschmack nimmt die Begeisterung des Autors immer mal wieder überhand, wenn das anthroposophische Pathos mit ihm durch geht: "<i>Es lieferte aber in ihm das Feuer der Sehnsucht nach dem Licht des Logos, und er hat sich entschlossen, den Weg der Umkehr radikal, ohne Kompromisse anzugehen und ein Diener des Logos zu werden.</i>" (7) Autsch.</p><p>Was der Autor letztlich ausdrücken möchte, ist, dass der Bewusstseins- Lehrer Kühlewind mehr als ein halbes Jahrhundert nach Steiner näher dran ist an den realen Problemen derer, die sich näher mit einem modernen Schulungsweg beschäftigen möchten: "<i>Sein besonderer Verdienst ist, dass er auf die Hindernisse in den Anfängen ausführlich eingeht</i>" (8) - Steiner selbst sei "<i>dank seiner einmaligen spirituellen Begabung"</i> (8) einfach zu weit weg gewesen von Alltagsmenschen wie du und ich. Er hat, mit anderen Worten, zu viel voraus gesetzt. Selbst wenn von "gesundem Menschenverstand" bei Steiner die Rede war, meinte er eine Qualität von Konzentration, die schon dem Menschen des 20. Jahrhunderts verloren gegangen sein muss. Die Verödung und das kollektive Aufmerksamkeits- Defizit nehmen seitdem stetig weiter zu. In diese Bresche ist Kühlewind gesprungen. </p><p>Kritisch anzumerken ist vielleicht noch, dass der Autor auch in der Folge selbst nicht immer konzentriert seinem Anliegen folgt. Ohne Not verzettelt er sich in Statements zu dem leidigen Thema, ob Anthroposophie als wissenschaftliche Disziplin anzuerkennen sei (9). Auf Seite 180 werden plötzlich wieder Überlegungen zur Pandemie eingestreut. </p><p>Dann aber, nach all diesen Exkursen, Erklärungen, Erläuterungen und Werk- Darstellungen kommt der Autor wieder zur eigentlichen biografischen Betrachtung zurück. Es geht auch um Freundschaften, deren plötzliches Ende und um den zwiespältigen Massimo Scaligero, der in der Form und Vielfalt seiner Werke mehr als Vorbild für Kühlewind gewesen sein muss. Selbst die Form des hoch verdichteten, imaginativen, aber zugleichstrukturierten Schreibens und Denkens der beiden Autoren und Lehrer hat viele Gemeinsamkeiten. Kühlewind muss Scaligero öfter in Rom getroffen haben, bis zu einem Bruch, der leider nicht erläutert wird. Der offenbar überaus gesellige Scaligero war, was Böszörmenyi nicht ausführt, ein faschistischer Denker mit großer Nähe zu Mussolini selbst. Eine denkbar schwierige Konstellation. </p><p>Im letzten Teil -vor den Dokumenten im Anhang- geht es um Gruppen, die nach Kühlewinds Tod in seinem Namen arbeiteten, um Meditations- Kreise überhaupt, aber auch um die Beziehung des Meisters zum Zen- Buddhismus und zu den "Sternenkindern"- Kindern mit besonderen Begabungen. Da Böszörmenyi auch an dieser Stelle wieder zu einem Exkurs -über die Autorin Gitta Mallasz und deren Themen- ausholt, darf man annehmen, dass das vorliegende Buch insgesamt eine Zusammenfassung diverser vorliegender Texte und Überlegungen darstellt. Vieles trägt sich und erhellt sich gegenseitig, manches wirkt weniger ausgereift, aphoristisch oder nur durch Fußnoten eingebunden. Immer wieder kann der Eindruck entstehen, dass hier eine reichhaltige Material- Sammlung zu einer großen Biografie vorliegt, die nicht ganz abgerundet erscheint. Um so mehr mögen diese etwas fragmentarisch wirkenden Elemente mit dem Schwerpunkt eines vertieften Einblick in das Gesamtwerk einen guten Zugang bieten für eine Generation von Anthroposophen, Logos- Jüngern und weitläufiger Interessierten, die eben als Nachgeborene mit einer ganz neuen Fragehaltung an den Lehrer Kühlewind heran kommen. Denn im vorliegenden Buch werden ebenso sachdienliche, faktische Hinweise zu den meditativen Texten Kühlewinds thematisiert wie der Zugang zu seiner menschlichen Art, seinen Beziehungen und Entwicklungen geebnet. Vielleicht erleichtert die etwas sprunghaft und fragmentarisch wirkende Darstellung einen Zugang, den eine glatte, runde, zeitlich straff getaktete Biografie auch hätte verstellen können. </p><p>Probieren Sie es einfach aus.</p><p><br /></p><p>Anmerkungen, Verweise</p><p>1 LaszloBöszörmenyi, Georg Kühlewind. Ein Diener des Logos, Stuttgart 2022</p><p>2 Laszlo Böszörmenyi, S. 197, Anmerkung 160 </p><p>3 LB S. 196f</p><p>4 LB S. 46</p><p>5 LB, S. 56</p><p>6 LB, S. 74</p><p>7 LB, S. 83</p><p>8 LB, S. 84</p><p>9 LB, S. 108</p>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-48518652503825924972022-01-12T16:15:00.011+01:002023-12-04T16:39:20.407+01:00 Das anthroposophische Narrativ von der Dekadenz, Corona und die Neue Rechte<div class="separator" style="clear: both; text-align: justify;"><span style="text-align: left;">In einem neuen Beitrag, der sich mit dem Problem der Philosophie beschäftigt, was er letztlich als ein Arrangement der vorhandenen Erkenntnisse beschreibt, ganz analog zu dem Platzieren neuer Bücher in einer vorhandenen Bibliothek, berichtet Berfrois vom Ordnungs- Verständnis Wittgensteins: „When we begin the books lie higgledy-piggledy on the floor. Now there would be many ways of sorting them and putting them in their places. One would be to take the books one by one and put each on the shelf in its right place. On the other hand we might take up several books from the floor and put them in a row on a shelf, merely in order to indicate that these books ought to go together in this order.“ (1) </span></div><p style="text-align: justify;">Die Einordnung in eine Systematik, die den inneren Zusammenhang durch Reihung im Bücherbord vollzieht, ist eine geistige Leistung des Sortierenden selbst- er vollzieht den inneren Zusammenhang der Fakten nicht nur nach, zieht logische, zeitgeschichtliche, geistesgeschichtliche Linien, sondern ist auch frei, immer neue Arrangements einzugehen, denn in dieser Neu- Anordnung sieht Wittgenstein die eigentliche Leistung, die aber für den unbedarften Betrachter nicht unbedingt erkennbar wird: „<i>But some of the greatest achievements in philosophy could only be compared with taking up some books which seemed to belong together, and putting them on different shelves; nothing more being final about their positions than that they no longer lie side by side.</i>“ (1) Die grundlegenden Aussagen über Mensch, Welt, Kosmos bleiben bestehen; neue Bausteine werden kategorisiert- aber doch in einer offenen Systematik, die immer neue Kombinationen ermöglicht, die aber nicht prognostizierbar sind- die innere geistige Ordnung „atmet“ und wächst durch permanente strukturelle Wandlung. Daher Wittgensteins eingehende Warnung, nicht mehr zu sagen, als man weiß: „The difficulty in philosophy is to say no more than we know.“ (1) Denn der Strukturwandel in Wittgensteins Bibliothek wird uns immer erst im Nachhinein bekannt sein, falls wir die zugrunde liegenden Erkenntnisse und Schlussfolgerungen überhaupt erkennen und nachvollziehen könnten. </p><p>Kontextualisierung ist ja nicht voraussetzungslos. Es müssen, um bei der Analogie Wittgensteins zu bleiben, schon Bücher <i>vorhanden</i> sein, um neue Exemplare sinnvoll einordnen zu können. Aber selbstverständlich erwartet Philosophie eine Reflexion, wenn nicht Theorie über die Anordnung der vorhandenen Bücher. Die Art des eigenen Einordnens sollte hinterfragt werden, um eine Neuordnung sinnvoll vornehmen zu können. Zu groß wäre die Gefahr, einer Ideologie zu verfallen, die die logische, in sich stimmige und reflektierte Anordnung ersetzt durch simplifizierende Regelungen wie Farbe der Einbände, Alter der Bücher oder Umfang. Selbst eine rein thematische Ordnung würde Querverbindungen und innere Bezüge nivellieren. Um aber sinnvolle, komplexe Zusammenhänge zu schaffen, bleibt ein gewisser Grundbestand, ein Grad von Erfahrung, Wissen, Breite der Themen unabdingbar. </p><p>Vermutlich wären bei den heutigen interdisziplinären Wissenschaftszweige auch Wittgensteins Regale einem Computersystem gewichen. Die multi- faktorielle, interdisziplinäre Zusammenarbeit z.B. von Archäologen mit Paläontologen, Sprachwissenschaftlern, DNA- Analytikern, 3D- Visualisten, Geologen, Fachleuten für das Lesen von Eiskernen, Vulkanologen, Physikern usw hat die zweidimensionalen Bezüge durch Netzwerke ersetzt. Das gilt für die meisten wissenschaftlichen Disziplinen, die dadurch seit einigen Jahren gegenseitige Erkenntnisgewinne produzieren, die durch das exponentielle Wachstum kaum noch in Büchern erfasst werden können, da diese zum Erscheinungsdatum bereits veraltet sind. Wittgensteins Bücherregal ist zu einem dreidimensionalen pulsierenden System geworden, das sich in dauerndem Wachstum, aber auch in einem Prozess der Vertiefung und Fundierung befindet. Mit dazu bei tragen natürlich die technologischen Fortschritte, aber auch die offenen Systeme, die auf wissenschaftlicher Ebene eine globale Kooperation - nicht selten zeitgleich - ermöglichen. </p><p>Diesen Durchbrüchen einer globalen Vernetzung und Vertiefung der Wissenschaft stehen politisch, gesellschaftlich und ideologisch die denkbar größten Anachronismen entgegen, bis hin zu „alternativen Fakten“ und Welterklärungs- Modellen aus den Bot- Baukästen im Auftrag einer virtuellen, hybriden Kriegsführung. Die in den Netzen kursierenden, geistig infektiösen Alternativ- Erklärungsmodelle wuchern parallel zum Wachstum der wissenschaftlichen Disziplinen und produzieren parallele Modelle der Erklärung von Wirklichkeit. Der tiefe Fall von Corona- Leugnern z.B. nicht nur unter den Stand der Wissenschaft in Bezug auf die Entwicklung von Impfstoffen, sondern durch die zweidimensionale Logik des Wittgensteinschen Bücherregals hindurch ins unterirdische Reich der alternativen Fakten ist beeindruckend; als globales Phänomen, als gesellschaftliches Problem, aber auch als individuelles Rätsel, wenn ihm intelligente und bis vor kurzem rational ansprechbare Personen verfallen. Die hypnotische Massen- Suggestion mit der typischen ideologisierten Schnappatmung setzt dann nach und nach ein, bis der beleidigte Wutbürger sich in die Sonntagsdemo vor dem Landtag oder der Ferienwohnung der Politikerin oder Virologin einreiht. Niemand wundert sich über Meldungen, dass ein enthemmter Mob in der nächsten Großstadt einen Apple- Laden während einer Corona- Demonstration attackiert und sich zu plündern anschickt, da die Demonstranten irrtümlich davon ausgingen, dass Bill Gates der Inhaber dieser Firma sei, der ja wiederum durch die Impfung die genetische Reprogrammierung der Menschheit plane. </p><p>Dass auch so viele anthroposophische Publikationen, Persönlichkeiten, Ärzte und Institutionen den Weg ins unterirdische Reich der anti- wissenschaftlich Pseudo- Logik, Desinformation und anti- gesellschaftlichen, trotzigen Hysterie beschreiten würden, war nicht unbedingt vorher zu sehen, auch wenn das Pathos der Anti- Zeitgeistigkeit und Anti- Wissenschaftlichkeit, rechte Zeitschriften und Aktivisten, Christus- Jünger und stigmatisierte Gurus nicht Gutes hatten ahnen lassen. Inzwischen scheinen auch im Goetheanum selbst in der Leitung solche Ängste vor den emotionalisierten Anhängern vorzuherrschen, dass man sich für den Einsatz von Tests entschuldigt, das Tragen von Masken im Gebäude bei Veranstaltungen zu unterlaufen versucht und sich bei Impfgegnern entschuldigt, die dem Zentrum dann per Behördendekret doch fernbleiben müssen, denn zumindest seit Ende 2021 gilt auch im Goetheanum ein strenges Schutzkonzept (2). </p><p>Dass Rudolf Steiner nicht nur immer wieder in die Schmuddelecke der unreflektierten politischen Abwege gestellt, sondern auch von Anhängern selbst genau so gelesen und interpretiert wird, liegt vielleicht an Aussagen des Begründers wie „<i>Die Logik geht darauf aus, wenn sie irgendwo einen Widerspruch findet, ihn zu beseitigen. Aber die Logik weiss heute noch nicht, was sie damit tut: Die Logik selber tötet für das menschliche Auffassen mit dem Hinweg- Räumen des Widerspruches das Leben. Deswegen kommt der Mensch nur zu einer Auffassung des Lebendigen, wenn er über die Logik hinaufsteigen will zu Imagination, Inspiration und Intuition.“</i> (3) Das Überwinden der Logik, die die Voraussetzung sein soll auf dem Weg zu einem Stadium, in dem diese durch eine „Auffassung des Lebendigen“ ersetzt werden kann, beschreibt einen geistigen Zustand, in dem die Bücher in Wittgensteins Bücherregal nicht nur nicht geordnet aufgereiht sind, sondern in beliebigen Stapeln aufgeschichtet jeder Feststellung und Überprüfung von Bezügen trotzen. </p><p>Kein Wunder, dass in einem solchen Stadium „auf dem Weg“ Ideologien ins Kraut wuchern, wirre Thesen wuchern, und Anhänger den Worten des Meisters ohne kritische Distanz folgen, auch wenn diese womöglich allegorisch gemeint waren oder nur in einem bestimmten Zusammenhang Sinn machen. Die selbst gewählte Dissonanz der anthroposophischen Lehren, mit ihrer fehlenden Stringenz und der Fixierung auf eine spätere innere Ordnung, die dann etwas sein soll, was „<i>über die Logik hinaufsteigen will</i>“ (3), öffnet Tür und Tor nicht nur für diverse Sinngebung- Modelle, sondern auch für weltanschauliche und politische Einfluss- Bereiche. </p><p>Die Neue Rechte zum Beispiel sucht jede Menge Andockstellen, in allen Bereichen, auch in religiösen Zusammenhängen, bis hin zum Islam. Björn Höcke selbst verkündete 2014 „<i>Der Islam ist nicht unser Feind, unser größter Feind ist die Dekadenz.</i>“ (4) Im Angesichts des Untergangs des Abendlandes zieht es Anthroposophen wie Martin Barkhoff und Caroline Sommerfeld (5) gern zur „Sezession“ Götz Kubitscheks, dort, wo es Sommerfeld vor einigen Jahren noch - 2017- umtrieb, sich gegen anthroposophische „Verräter“ in der anthroposophischen Zeitschrift Info3 zu stellen (6), die sogar „den Weltgeist verraten und verkauft“ hätten. In dem Zusammenhang zitiert Sommerfeld auch Rudolf Steiner, den sie damit zum ersten Querdenker des Westens erklärt, der das Anti- Mainstream- Denken praktisch erfunden habe: „<i>Denn ist es nicht das Gegenteil von Freiheit, wenn man an die Verhältnisse so angepaßt ist, daß man nur in ihrem Sinne laufen kann? Fordert es nicht die Freiheit, daß man sich nötigenfalls den äußeren Verhältnissen entgegenstemmen kann? Würde man nicht, was als Freiheit lebt, vergleichen müssen mit dem, was sich nötigenfalls so benehmen könnte, daß das Schiff gegen die Wellen wendet und stoppt?“</i> (7) Geradezu zum Vordenker der Neuen Rechten erklärt Sommerfeld Steiner mit einem nicht genau verifizierten Zitat „<i>Der andere Weg, der rechts geht, ist der, der sich in der heute mitgeteilten Weise hineinfindet in die Anschauung des übersinnlichen Menschen, der übersinnlichen Welt, der auch die Entwicklung des Menschen im übersinnlichen Lichte schaut, der hinaufdringt zum wirklich freien Geist.</i>“ (7) Und so wettert die rechte Sommerfeld sogar in traditionell anthroposophischer Dämonisierungs- Rhetorik: „<i>Die Anthroposophen – …– haben Steiners Freiheitsbegriff mir nichts, dir nichts, an Clinton und Soros verraten und verkauft. Pfui Teufel, oder auch Ahriman!“</i> (6) Eine umfangreiche Link- Sammlung zum Thema Rechtspopulisten, Verschwörungstheorien, Rechtsradikale und Waldorfschulen bietet übrigens der Arbeitskreis „Waldorfschulen für eine offene Gesellschaft — gegen politischen Extremismus und Populismus“ (8)</p><p>So ist es kein Wunder, dass Volker Weiß konstatiert: „<i>Das theoretische Gerüst der neurechten Weltanschauung ruht auf einem ausgeprägten Antirationalismus und die aristokratische Haltung ist nichts als Pose“</i> (9). Sowohl diese Attitüde (das Auserwählt- Sein, die Zugehörigkeit zu einer zukünftigen Kulturepoche und die Teilhabe an einer Initiierten- Gesellschaft) teilen große Teile der Anthroposophischen Gesellschaft- als auch die Abneigung gegen Orientierung an Wissenschaft und aufgeklärter Gesellschaft. Der neurechte „<i>Ethnopluralismus</i>“, der die Gleichwertigkeit „<i>homogener Völker in ihren angestammten Lebensräumen propagiert“</i> (10), ist ein rassistisches Konzept, das in Steiners Volksseelen- Vorstellung spirituell zugespitzt wird: „<i>Ein jedes Volk hat seine bestimmte Mission. Nun aber ist bis in die Details der physischen Verhältnisse hinein ein jedes Volk so beschaffen, daß es diesen Anteil, den es der gesamten Menschheit zu bringen hat, auch richtig bringen kann. Mit anderen Worten, die Leiber der Menschen, die zu einem Volke gehören, zeigen uns eine solche Ausgestaltung sowohl des physischen Leibes wie auch des Ätherleibes und des astralischen Leibes und eine solche Zusammenfügung dieser Leiber, daß sie das rechte Werkzeug werden können, damit jener Anteil zustande komme, den ein jedes Volk für die gesamte Menschheit zu leisten hat."</i> (11) Dieses Zuschreiben von angeblichen leiblichen Eigenschaften zu spezifischen geistigen Aufgaben und seelischen Eigenheiten erscheint bei Steiner als Hyper- Ethnopluralismus, da die „<i>Zusammenfügung dieser Leiber</i>“ die Ethnien und Völker erst zum „<i>rechte(n) Werkzeug“</i> werden lasse- offensichtlich im Sinne eines göttlichen Plans. </p><p>Ein anderes Kapitel ist das Selbstbild des bürgerlichen Anthroposophen als Vertreter*in geistiger Erneuerung- inmitten einer Kultur, ja einer Menschheit, die im Zustand der Dekadenz ihren Weg in den Abgrund geht: „<i>Eine Dekadenz, ein Welkwerden der physischen Menschheit würde eintreten, wenn nicht die spirituellen Kräfte aufgenommen würden. Denn die Kräfte, welche die Menschen früher aus den Sternenwelten aufgenommen haben, müssen aus den Tiefen der Seelen wieder heraufgeholt werden und zur Evolution der ganzen Menschheit verwendet werden. Man könnte sagen: Der Somasaft regnete in Urzeiten aus den Himmelsräumen in die einzelnen Seelen hinein, konservierte sich dort und muß nun aus den einzelnen Seelen wieder herausfließen.</i>“ (12) Für das Ende des 20. Jahrhunderts hatte Rudolf Steiner ja sogar die völlige Dekadenz prophezeit, wenn sich nicht die Ströme der Anthroposophen zusammen täten und den Zivilisations- Zusammenbruch aufhalten würden: „<i>Denn über der Anthroposophischen Gesellschaft schwebt ein Schicksal, daß viele von denjenigen, die heute in ihr sind, bis zu dem Ablaufe des 20. Jahrhunderts wieder herunterkommen müssen auf die Erde, dann aber vereinigt mit jenen auch, die entweder selbst führend waren in der Schule von Chartres oder die Schüler von Chartres waren. So daß vor dem Ablaufe des 20. Jahrhunderts, wenn die Zivilisation nicht in die völlige Dekadenz kommen soll, auf der Erde die Platoniker von Chartres und die späteren Aristoteliker zusammen wirken müssen.</i>“ (13) Dieses Beschwören der Dekadenz zieht sich schon deshalb durch das ganze Vortragswerk Steiners, weil er Anthroposophie als kulturelle, geistige und individuelle Erneuerung <i>als Gegenpol </i>definiert. Der Höhepunkt der Dekadenz, der Gegenpol zum inspirierten Dasein und zur Restmenschheit, die der Zukunft entgegen geht, ist dann ja auch der skeptische Rationalismus, vor allem in Gestalt des Agnostizismus: „<i>Im Grunde genommen ist es nichts anderes als die Reaktion des abendländischen Gemütes auf die orientalische Weisheit, die in die Dekadenz gekommen ist, was sich als atheistischer Skeptizismus im Abendlande allmählich entwickelt und was immer weiter und weiter kommen muß, wenn nicht eine andere Geistesströmung ihm begegnet.“</i> (14)</p><p>Letztlich werde die Dekadenz auch gesellschaftlich und zwischenmenschlich so weit fortschreiten, dass selbst in intimen menschlichen Beziehungen ausschließlich Konkurrenz- Denken vorherrschen würde, d.h. der Verfall des Hyper- Kapitalismus würde, wenn er nicht durch Anthroposophie aufgehalten würde, auch das soziale Leben determinieren (15). Religiös- apokalyptisch gesprochen würde die Menschheit ohnehin ohne das Christentum (in der anthroposophischen Interpretation) in den vollkommenen Verfall kommen, in die endgültige Dekadenz als Fall in die Materie (16). Der Planet selbst mitsamt den auf ihm versammelten menschlichen Leibern befinde sich im galoppierendem Verfall (17), wobei die von der zerfallenden Leiblichkeit frei werdende Geistigkeit vom Menschen auch genutzt werden könnte, wenn er nur wolle. Allerdings ist es nach Steiner gerade das wissenschaftliche Denken, das von zerfallenden Leibern nicht profitieren kann, im Gegenteil: das wissenschaftliche, exakte, folgerichtige, logische Denken unterminiert die „<i>Denkkraft,“ das klare(..), sichere(..) Denken(..)“</i> (18) Im Gegenteil, gerade wissenschaftliches Denken fördere den „<i>Autoritätsglauben</i>“ (18) und unterminiere die „<i>Denksicherkeit</i>“. (18) An diesem Punkt hat Rudolf Steiner also bereits den Anti- Intellektualismus, die verbreitete Skepsis gegenüber Wissenschaft und Experten, wie sie bei den Corona- Skeptikern unserer Zeit zum Ausdruck kommt, vorweg genommen. Dass ausgerechnet der intellektuelle Skeptizismus den Glauben an Autorität fördern solle, erweist sich als argumentative Pirouette - ein Argument, um das selbständige Denken selbst zum Teil der Dekadenz zu erklären. Nur so erscheint das rettende Initiations- Prinzip im richtigen Kontrast, nur so glänzt der Meister im Licht der Auferstehung. Und nur so erklärt sich die Doublebind- Methodik der anthroposophischen Heilslehre: Nur im Überwinden des selbständigen Denkens wirst du frei. </p><p>So nimmt es kein Wunder, dass die Neue Rechte sich nicht nur abarbeitet an Fragen des Egalitarismus - sei es in Genderfragen, sexueller Selbstbestimmung oder Hautfarbe-, Liberalismus und dem Universalismus der Aufklärung; all diese Maximen der demokratischen Grundsätze erscheinen als verächtliche Zerfallserscheinungen. So schreibt Alain de Benoist, ein Gesprächspartner von Alexander Dugin: „<i>Jede Diktatur ist verächtlich, aber verächtlicher noch ist jede Dekadenz. Eine Diktatur kann uns morgen als Individuen vernichten. Dekadenz jedoch vernichtet unsere Überlebenschancen als Volk“</i>. (19) </p><p>Das anthroposophisch umfassende Narrativ der Dekadenz, kaschiert als Anti- Intellektualismus und Kultur- Pessimismus, findet so Andockstellen für die Neue Rechte. Die Verachtung für den Liberalismus mit seinen globalistischen, optimistischen Implikationen, mit seinen Tendenzen hin zur individualistischen und geschlechtlichen Selbstbestimmung, eint die politische Rechte wie die esoterischen Apokalyptiker. Gerade Demokratien werden im selben Doublebind- Modus - im Zusammenhang mit der globalen Corona- Krise- als Diktaturen diffamiert, so wie Fachwissen, Expertise und Wissenschaftlichkeit verachtet und liberale Medien als „Lügenpresse“ oder „Mainstream- Medien“ denunziert werden. </p><p>Allerdings sieht man bei der Neuen Rechten auch eine strategische Kehrtwende, die man in der anthroposophischen Öffentlichkeitsarbeit nur sehr bedingt entdeckt: Es geht darum, „<i>geistiges Terrain“</i> (20) zurück zu gewinnen, eine intellektualisierte Seite des Rechtsextremismus zu präsentieren, die diskursfähig ist und willens, sich im politisch- kulturellen System zu behaupten. Unter anderem kam es zu Inszenierungen als modische Pseudo- Hipster unter den Identitären, vor allem aber zu einer Professionalisierung in der medialen Präsenz- nicht zuletzt durch die Adaption publizistischer Techniken. Die Aneignung globaler oder europäischer Krisen wie den Flüchtlingsströmen ab 2015 und der aktuellen Corona- Pandemie, unterstützt durch Desinformations- Kampagnen russischer Interessenkreise und Geheimdienste, hat zu einer steigenden Popularität beigetragen. Die extreme Rechte findet sich strategisch heute wieder in den „<i>Diskurs- Schlachten des Zeitgeistes“</i> (20), Seite an Seite mit Impf- Skeptikern und Esoterikern. </p><p>Dagegen ist die anthroposophische Seite viel zu unreflektiert, um zu erkennen, wie ihre Narrative von der Dekadenz politisch instrumentalisiert werden. Der Pressesprecher der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland, Sebastian Knust, wirft dem kritischen Kenner der Szene, Ansgar Martins, der sich in Die Welt zum Thema geäußert hatte (21) sogar vor, von der kritischen Welle in Bezug auf anthroposophische Positionierungen profitieren zu wollen: „<i>Vielen dürfte Ansgar Martins, ein langjährige Kritiker der Anthroposophischen Bewegung, bekannt sein. Im Fahrwasser der aktuellen Aufregung über die „Anthroposophen“ hat er sich in der „Welt“ ebenfalls zu Wort gemeldet. Immerhin erkennt er den offensichtlichen Umstand an, dass der Einfluss der Anthroposophen auf die in Deutschland herrschende Impfskepsis schon rein zahlenmäßig nicht stimmen kann. Trotzdem meint er, dass der „schlechte Ruf“ der Anthroposophen selbst verursacht sei. Er wirft ihnen Unreflektiertheit vor und zu wenig kritische Distanz zu „esoterischen“ oder „verschwörungstheoretischen“ Aussagen Rudolf Steiners sowie zu dem „verschwörungsideologischen Teil des anthroposophischen Milieus“. Manche seiner in diesem Beitrag sehr undifferenziert vorgetragenen Aussagen mögen in unaufgeregten Auseinandersetzungen sogar einen konstruktiv Beitrag leisten. In diesem Zusammenhang ist der Versuch, von der Kritik-Welle an den „Anthroposophen“ zu profitieren, aber doch recht offensichtlich.</i>“ (22) Überhaupt verfolgt Knust die übliche Strategie in der anthroposophischen Bewegung, sich bei Kritik ins Nest der verfolgten Unschuld und des Opfers des kalten Zeitgeists zurück zu ziehen: „<i>Die Menschen im Land suchen einen Sündenbock für die Impfmüdigkeit der Deutschen. Und sie meinen, ihn gefunden zu haben – in der Anthroposophie.</i>“ (22) Es sind immer die Anderen, die angeblich „<i>undifferenziert</i>“ über Anthroposophie urteilen. </p><p>So dürfen wir jetzt bei Facebook nachlesen, wie ein Priester der Christengemeinschaft berichtet, dass man sich im kleinen Kreis selbst mit Corona infiziere, indem man Teststäbchen aus der Nase eines Kranken herum gehen lasse, da die Selbstinfektion das Mittel der Wahl sei, um durch den Genesenen- Status die verteufelte Impfung vermeiden zu können. Da der Priester im gleichen Zusammenhang immer wieder schwurbelt, in einem Staat zu leben, in dem Verhältnisse wie in China herrschten, kann man von einer gewissen apokalyptisch- politischen Haltung ausgehen. Wie weit das in der Szene verbreitet ist oder Schule macht, lässt sich nicht feststellen, aber das Schwärmen von der Selbstinfektion konnte man schon öfter wahrnehmen. Das ist vermutlich die „Denksicherheit“, von der der Meister sprach und die er im Kontrast setzte zum schnöden „intellektuellen Skeptizismus". Die Bücher in Wittgensteins Bibliothek stehen in diesem Fall mit dem Rücken nach hinten, eine Ordnung ist nicht zu erkennen, aber Hauptsache, der Materialismus ist besiegt!</p><p><br /></p><p>anmerkungen und verweise__________________________</p><p>1 <a href="https://www.berfrois.com/2022/01/ludwig-wittgenstein-arranges-books/">https://www.berfrois.com/2022/01/ludwig-wittgenstein-arranges-books/</a></p><p>2 <a href="https://static.goetheanum.co/assets/medias/schutzkonzept-sars-cov-2.pdf">https://static.goetheanum.co/assets/medias/schutzkonzept-sars-cov-2.pdf</a></p><p>3 Rudolf Steiner, 188.105</p><p>4 Volker Weiß, Die autoritäre Revolte, Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes, Stuttgart 2017, S. 25</p><p>5 <a href="https://sezession.de/65282/dr-robert-malone-auszuege-aus-einem-interview-2">https://sezession.de/65282/dr-robert-malone-auszuege-aus-einem-interview-2</a></p><p>6 <a href="https://sezession.de/57210/den-weltgeist-verraten-und-verkauft">https://sezession.de/57210/den-weltgeist-verraten-und-verkauft</a></p><p>7 Rudolf Steiner, zitiert in 6</p><p>8 <a href="https://www.waldorfschule.de/fileadmin/downloads/artikel/Literaturliste_AK-offene_GEsellschaft_2021-02.pdf">https://www.waldorfschule.de/fileadmin/downloads/artikel/Literaturliste_AK-offene_GEsellschaft_2021-02.pdf</a></p><p>9 Volker Weiß, S. 28</p><p>10 Volker Weiß, S. 34</p><p>11 Rudolf Steiner, GA 123, S. 18f</p><p>12 Rudolf Steiner, GA 141 S. 88ff</p><p>13 Rudolf Steiner, GA 240.155ff</p><p>14 Rudolf Steiner, GA 322.102</p><p>15 Rudolf Steiner, „Zur Auflösung aller Menschheitsbande würde der rein äußerliche Fortschritt in der Berufsentwickelung führen. Dahin würde es führen, daß die Menschen sich im- mer weniger und weniger verstehen würden, immer weniger und weniger Beziehungen entsprechend den Voraussetzungen der Menschennatur entwickeln können. Die Menschen würden immer mehr und mehr aneinander vorbeigehen, könnten nichts anderes mehr suchen als ihre Vorteile, könnten in keine andere Beziehung zu- einander kommen als in die Beziehung der Konkurrenz. Das darf nicht der Fall sein, weil sonst das Menschengeschlecht in die vollständige Dekadenz verfallen würde. Daß das nicht der Fall werde, dazu muß Geisteswissenschaft sich ausbreiten.“ GA 172, S. 93f</p><p>16 Rudolf Steiner, „Denken Sie einmal, die Menschheit wäre ohne das Christentum eingetreten in diese tiefste materielle Epoche. Es wäre für sie unmöglich gewesen, den Impuls nach aufwärts wiederzufinden. Denken Sie sich den Impuls, der der Menschheit durch den Christus eingepflanzt worden ist, fort, und die ganze Menschheit müßte in die Dekadenz fallen, müßte mit der Materie sich auf ewig verbinden; sie würde, wie es im Okkultismus heißt, «von der Schwere der Materie erfaßt» und aus ihrer Entwickelung hinausgeworfen werden.</p><p>Dadurch, daß das Christentum bis zum rechten Zeitpunkt wartete, hat es möglich gemacht die äußere Kultur; und dadurch, daß es zur rechten Zeit eingetreten ist, hat es möglich gemacht, daß diejenigen, die sich mit dem Christus-Prinzip verbinden, wieder sich erheben können aus der Materie. Da aber das Christentum als etwas Unverstandenes aufgenommen worden ist, ist es arg vermaterialisiert worden." GA 103, S. 182f</p><p>17 Rudolf Steiner, „Das Physische der Erde ist in der Dekadenz. (Deshalb) sind wir in brüchigen Leibern, aber das Gegenstück dazu müssen wir auch betrachten: Wir sind zwar in brüchigen Leibern, aber gerade aus unseren brüchigen Leibern entwickelt sich um so mehr die Geistigkeit, wenn wir uns ihr nur hingeben. Der (alte) Leib sog überall die Geistigkeit auf. (Heute) wird sie überall frei vom Leibe.“ GA 191, S. 116</p><p>18 Rudolf Steiner, „Im Laufe des 19. Jahrhunderts und bis in unsere Tage herein war der große Fortschritt auf dem äußeren materiellen Gebiete verbunden mit einem Zurückgehen der Denkkraft, des klaren sicheren Denkens. Wo Wissenschaft getrieben wird, ist insbesondere das klare, und namentlich das sichere, das inhalterfüllte Denken zurückgegangen. Und da der Autoritätsglaube, trotzdem es die Menschen nicht glauben in keiner Zeit so stark ist, wie in unserer Zeit, so hat sich mitgeteilt die Trostlosigkeit in Bezug auf die Denksicherheit auch den weitesten Kreisen, dem ganzen populären Denken. GA 165, S.101f</p><p>19 zitiert nach Volker Weiß, S. 41</p><p>20 Volker Weiß, S. 55</p><p>21 <a href="https://www.welt.de/wissenschaft/plus235551014/Anthroposophie-Der-schlechte-Ruf-der-Steiner-Juenger-in-der-Corona-Krise.html">https://www.welt.de/wissenschaft/plus235551014/Anthroposophie-Der-schlechte-Ruf-der-Steiner-Juenger-in-der-Corona-Krise.html</a></p><p>22 <a href="https://www.anthroposophische-gesellschaft.org/blog/corona-krise-versus-differenzierung">https://www.anthroposophische-gesellschaft.org/blog/corona-krise-versus-differenzierung</a></p><p>Abgebildetes Kunstwerk von Anatol, verstorbener Schüler von Beuys, Museumsinsel Hombroich. Foto Michael Eggert </p><div><br /></div>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-14432553274816693642021-12-12T11:30:00.002+01:002021-12-12T11:39:21.554+01:00Der mystische Tod. Über Simone Weil und das Königreich der Schmerzen<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhEUDz2wuwcOkrtNcCZnSyFKypOSZpuZZ9phc5JUK0WnQTIYkN8co2st9mi-6zc3XpxqMCISwbrdEh6cb0Ng6eqOpef2Z-8CDgqizXLCJ_kmhmPxquViFme-inhxcA41eqRsxqiSTsavfJC/s1600/simoneweil+-+1.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="598" data-original-width="400" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhEUDz2wuwcOkrtNcCZnSyFKypOSZpuZZ9phc5JUK0WnQTIYkN8co2st9mi-6zc3XpxqMCISwbrdEh6cb0Ng6eqOpef2Z-8CDgqizXLCJ_kmhmPxquViFme-inhxcA41eqRsxqiSTsavfJC/s320/simoneweil+-+1.jpg" width="214" /></a></div>
Dass das ganze Gewebe unseres Lebens unvermittelt zerreissen kann, ist etwas, was man nicht nur nicht antizipieren will- es ist dem Menschen einfach nicht ohne weiteres möglich, die Facetten des Abgrunds, der immer unter seinen Füßen ruht, ansatzweise zu imaginieren. Ein kleines Unwohlsein im Alltag kann, was am Morgen noch eine offene Zukunft war, durch ein Klicken der Apparaturen, die uns durchleuchten, zu einer Biografie machen, die einen Anfang und ein deutlich auszumachendes Ende hat.<br />
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In Elisabeth Strouts Roman „<i>The Burgess Boys</i>“ (1)- einer Familiengeschichte, in der der hoch sensible Sohn eine unerklärliche Dummheit begeht (er wirft einen Schweine- Kopf in die Moschee somalischer Flüchtlinge, ohne tatsächlich Rassist zu sein), und damit einen kaum aufzuhaltenden, auch juristischen Prozess herauf beschwört und Familien- Geheimnisse ans Tageslicht befördert -, ist der Schmerz etwas, was die Mutter unvermittelt in einen privaten (aber nicht sehr exklusiven) Club befördert, in dem sie von nun an die Intimität des Schmerzes erleben muss: „<i>And she learned—freshly, scorchingly—of the privacy of sorrow. It was as though she had been escorted through a door into some large and private club that she had not even known existed.</i>“<br />
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So ist es mit den Diagnosen, den Enthüllungen, oder, wie der Polizeichef im Verlauf des sich entwickelnden Dramas auch in Bezug auf sein eigenes, privates Glück räsoniert, das mit einem einzigen Klopfen an der Haustür unvermittelt enden kann: „<i>The luck could end tomorrow. He had watched people’s luck end with one phone call, one knock on their door.</i>“<br />
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Das Zerreißen der scheinbar sicheren Verankerung in unsere Existenz ist eine existentielle Notwendigkeit- wir alle wissen darum, dass der Tag für uns kommen wird. Jemand wird vor uns stehen und uns eine Nachricht hinterlassen, die uns zerstören wird; der Tod der eigenen physischen Existenz oder vielleicht der einer geliebten Person, das Ende der Gewissheit und der Beginn eines unauflöslichen Schmerzes sind unausweichlich. Das Wissen darum und der fortdauernde Versuch, dieses prekäre, geliehene, vorübergehende naive Leben aufrecht zu erhalten, die fortdauernde Leugnung raubt einen erheblichen Teil unserer Energien. In ihren hinterlassenen, teilweise unmittelbar vor ihrem Tod geschriebenen Fragmenten, Aufsätzen und Notizen (2) geht die Philosophin und Mystikerin Simone Weil auf diese existentiellen menschlichen Bedingungen ein- auch, ganz grundsätzlich, auf das Illusionäre unserer permanenten Deutung der Realität, das uns vorgaukelt, es gäbe ein festes, unerschütterliches „Äußeres“ der Welt: „<i>Thus at each instant of our life we are gripped from the outside, as it were, by meanings that we ourselves read in appearances. That is why we can argue endlessly about the reality of the external world, since what we call the world are the meanings that we read; they are not real. But they seize us as if they were external; that is real.</i>“ (3)<br />
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Die nach und nach aufgebaute individuelle Deutung unserer Existenz umgrenzt unser Verständnis und determiniert unsere Identität- sie schließt andere Deutungen mehr oder weniger aus: „<i>Each reading, when it is current, appears as the only real, only possible way to look at things; the other one seems purely imaginary. These are, of course, extreme examples, but all of our life is made from the same cloth; meanings impose themselves on us successively, and each of them, when it appears and enters into us through the senses, reduces all opposing ideas to the status of phantoms.</i>“ (3) Die naive Bannung in den Kreis unserer Welt- Deutung kann nur- so Weil- überwunden werden durch einen todes- ähnlichen Akt, eine Initiation ins Königreich des Verlustes und des Schmerzes: „<i>The loss of something or someone to which we are attached is immediately sensed by us by a weakening that corresponds to a loss of energy. For it is necessary to lose all vital energy that is given to us by the totality of things and beings to which we are attached. It is indeed therefore a death</i>.“ (3)<br />
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Daher ist dieser Verlust der Naivität, der Eintritt ins Königreich des Schmerzes in der Geschichte der Mysterien immer mit dem Tod verglichen worden: „<i>Detachment is a renunciation of all possible ends without exception, a renunciation that puts a void in the place of the future just as the imminent approach of death does. This is why in the ancient mysteries, in Platonism, in the Sanskrit scriptures, in the Christian religion, and very probably everywhere and at every time, detachment has always been compared to death, and the initiation into wisdom has been regarded as a sort of passage towards death.</i>“ (3)- wir lösen uns von der naiven Deutung ab, verlieren den Boden unter den Füßen, erleben das Loch anstelle dessen, was wir uns als Zukunft vorgestellt hatten.<br />
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Simone Weil betrachtet die determinierenden, aber auch moralischen Implikationen aber auch vom Begriff des „Charakters“ aus, der sich durch die Deutungsmuster, Erklärungsmodelle, die Art des Umgangs mit dem Schmerz, aber auch durch den Wunsch nach innerer Veränderung heraus bildet: „<i>Our character appears to us as a limit by which we do not want to be imprisoned. We like to dream that someday we will be able to escape ourselves in one or more directions. We are happy to know that we can model our character, achieve it, go beyond it. But our character also appears to us as a support that we want to believe is unshakable. We want to believe that we are capable of never doing, saying, thinking certain things. Sometimes we are wrong</i>.“ (3) Die illusionäre Welt- Deutung kann sich, wenn extreme Situationen auftreten, eben auch auf die Erwartung an den eigenen Charakter beziehen: Das persönliche, auch moralische Scheitern scheint so unvorstellbar wie das Ende der physischen Existenz. Aber es kommt vor. Von daher kommt Simone Weil auf die Frage, was denn überhaupt <i>heilig</i> zu nennen sei im Individuum. Das sei- so führt sie in einer weiteren Betrachtung aus- das im Individuellen aufzufindende Nicht- Individuelle: „<i>What is sacred in a human being is that which is, far from the personal, the impersonal. Everything that is impersonal in a human being is sacred, and that alone.</i>“ Dieses Un- Persönliche aber sei nur aufzufinden in absoluter Einsamkeit, ja in einer nur im eigenen Inneren aufzufindenden moralischen Integrität: „<i>Passage into the impersonal only comes about by attention of rare quality, and is only possible in solitude. Not only actual solitude, but moral solitude</i>.“ (3)<br />
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An dieser Stelle kommen wir zurück auf die Frage, wie der Kern menschlicher Integrität, das wirklich auch moralisch Tragende in uns, das nicht gegeben und nicht aus dem Persönlichen heraus definierbar ist, auffindbar sein kann. Simone Weil schreibt: Aus dem existentiellen Verlust heraus, in dem es möglich wird, der Erfahrung des absoluten Nichts ins Auge zu sehen, mit der Kraft der ganzen Seele zu denken und den Tod der Seele, den Verlust von allem, was wir sind, haben und zu besitzen glauben, zu akzeptieren: „<i>Human thought cannot understand the reality of affliction. If someone were to recognize the reality of affliction, he would have to say: “The play of circumstances, over which I have no control, can snatch anything from me anytime, including everything that belongs to me and that I consider as being me. There is nothing to me that I cannot lose. An accident can at any time wipe out what I am and can indifferently put in its place any vile and contemptible thing.” Thinking that with the whole soul is to experience nothingness. It is the extreme and total state of humiliation that is also the condition for the passage into the truth. It is a death of the soul. This is why the sight of naked affliction causes in the soul the same jerking away that the nearness of death causes in the flesh.</i>“ (3)<br />
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Der mystische Tod ist für Simone Weil kein erhabenes Erlebnis für romantische Ausnahmemomente, sondern die konkrete, todes- gleiche Begegnung mit dem Schmerz- es geht nicht um ein weiteres Umschiffen der Leere, sondern um „real life“. Sie selbst hat nicht nur den mystischen Tod gekannt und über ihre Christus- Erfahrungen geschrieben, sondern lebenslang unter extremen Migräne- Schmerzen gelitten, die sie aber nie abhielten, mitten in die konkreten Probleme hinein zu marschieren. So hat sie, während sie an ihren letzten Texten schrieb, versucht, nach Spanien in den Bürgerkrieg zu ziehen, um sich im Kampf gegen das Franco- Regime zu engagieren, wurde aber vor Ort wegen ihrer Sehschwäche abgewiesen. In ihrer kommunistischen Zeit hatte sie für „La Révolution prolétarienne“ geschrieben.<br />
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Aber zugleich - so zeigt eine noch recht <a href="https://www3.nd.edu/~undpress/excerpts/P01544-ex.pdf" target="_blank">aktuelle Betrachtung</a> (2012) von Robert Chevanier (4) zur Biografie Simone Weils- war der Schmerz für sie eine wesentliche existentielle Perspektive- das, was für sie „real life“ ausmachte. Einerseits verstand sie darunter Solidarität mit den Fabrikarbeitern - sie unterbrach 1934 ihre Universitäts- Karriere, um mit am Fliessband zu arbeiten, verabschiedete sich angesichts des Hitler- Regimes vom Pazifismus- erlebte aber andererseits inmitten all dieser Katastrophen (und ihrer anhaltenden Migräne) etwas, was ihrer Existenz eine andere innere Dimension gab; eine Christus- Erfahrung in Assisi:<br />
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„<i>In 1937, at Assisi, in the little Romanesque chapel of Santa Maria degli Angeli where St Francis had prayed, she recognized that something stronger than herself “obliged her, for the first time in her life, to drop to her knees.” This was her second contact, under the sign of beauty and purity. At Solesmes, during Holy Week in 1938, while she was suffering from intensely painful headaches, she assisted at the divine office sung in Gregorian chant. She said that in the course of these religious services “the thought of the passion of Christ entered into me once and for all</i>” (Attente de Dieu, 43)“ - bis hin zu dem Punkt, an dem sie wenig später erlebt: „<i>Christ himself came down and took possession of me</i>” (dito, zitiert nach Robert Chevanier).<br />
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Zweifellos hat sie, während es für ihre Familie und sie nötig wurde, als Juden Frankreich zu verlassen, weiter an der Frage des „wirklichen“ Lebens, das im Zentrum des Schmerzes die reine Schönheit, die Wahrheit, das nicht- Persönliche findet, gearbeitet- auf eine Art und Weise, die vollkommen quer zur heutigen Ideologie der Selbstverwirklichung und Wellness- Kultur steht. Das Annehmen des Schmerzes, des Aussichtslosen, des inneren Abgrunds, war für Simone Weil gerade der Schlüssel, um ins „reale Land“ zu gelangen, in dem sie "frei atmen" konnte: „.<i>.keys by which one enters into the pure land, the land where one can breathe freely, the land of the real..</i>” Was nach reiner Mystik klingt, war - neben ihrem enormen Schreibpensum- der Hintergrund für ihre Arbeit in der Resistance, hauptsächlich in Zusammenarbeit mit Dominikanern aus Marseille. Es ging konkret um subversive Aufklärung gegen die Nazis und um falsche Pässe für Flüchtlinge.<br />
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Bei Simone Weil lag in der größten äußeren Aktivität das mystische Element gleichzeitig darin, in einer der dunkelsten Zeiten der Menschheitsgeschichte das Leiden, das „<i>über die Welt verteilt“</i> ist, vollkommen <u>anzunehmen</u>; sie fühlte sich aufgerufen, selbst „<i>eine große Portion dieser Gefahren und Leiden“</i> durch zu machen: „<i>The suffering spread over the surface of this world obsesses me (..) and I cannot restore them or free myself from this obsession unless I myself share a large portion of that danger and suffering</i>” (Ecrits de Londres, 199; SL, 156).<br />
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Ihr Tod folgte 1943: „<i>On April 15, 1943, a friend went to her home and found her stretched out on the floor unable to move. Sent to a hospital in London, then to a sanatorium in Ashford, Simone Weil died on August 24, 1943, eleven days after she was admitted there</i>.“ (4)<div><br />
Und dann, was man immer wieder von Simone Weil lesen kann, ohne je daran zu ermüden, vielleicht erlebt und gesprochen aus der Essenz ihres Schmerzes, der ja bis zur Entkörperlichung führen kann, wenn der Migräne- Anfall auf den Höhepunkt zusteuert, ihre berühmte Christus- Begegnung: </div><div><br /></div><div><div>„<i>Er trat in mein Zimmer und sprach: (...) Es war nicht mehr Winter. Es war noch nicht Frühling. Die Zweige der Bäume waren nackt, ohne Knospen, in einer kalten, sonnigen Luft. </i></div><div><i>Das Licht stieg auf, strahlte, wurde schwächer, dann kamen Mond und Sterne zum Fenster herein. Und wieder stieg das Morgenrot auf. </i></div><div><i>Manchmal schwieg er, nahm aus einem Wandschrank ein Brot, und wir teilten es miteinander. Dieses Brot hatte wahrhaftig den Geschmack des Brotes. Ich habe diesen Geschmack nie wiedergefunden. </i></div><div><i><br /></i></div><div><i>Er schenkte mir und sich Wein ein, der den Geschmack der Sonne und der Erde hatte, auf der diese Stadt erbaut war. </i></div><div><i>Manchmal streckten wir uns auf dem Fußboden der Dachkammer aus, und die Süße des Schlummers sank auf mich herab. Dann erwachte ich, und ich trank das Licht der Sonne. </i></div><div><i>Er hatte mir versprochen, mich zu belehren, aber er lehrte mich nichts. Wir sprachen von allem und jedem, was uns gerade einfiel, wie alte Freunde tun. </i></div><div><i>Eines Tages sagte er zu mir: "Jetzt geh". Ich fiel auf die Knie, ich schlang meine Arme um seine Beine, ich flehte ihn an, mich nicht zu verjagen. Aber er stieß mich auf die Treppe hinaus. Ich stieg die Treppen hinunter, ohne zu wissen, wie mir geschah, das Herz wie in Stücken. Ich ging in den Straßen. </i></div><div><i><br /></i></div><div><i>Dann bemerkte ich, daß ich gar nicht wußte, wo dieses Haus lag. Ich habe niemals versucht, es wiederzufinden. Ich begriff, daß er mich aus Versehen aufgesucht hatte. Meine Stelle ist nicht in jener Dachkammer. Sie ist irgendwo, in dem Kerker eines Gefängnisses, in einem jener bürgerlichen Salons voller Nippes und rotem Plüsch, in dem Wartesaal eines Bahnhofs. </i></div><div><i>Irgendwo, aber nicht in jener Dachkammer.Manchmal kann ich nicht anders: ängstlich und mit schlechtem Gewissen wiederhole ich mir ein wenig von dem, was er zu mir gesagt hat. Wie soll ich wissen, ob ich mich dessen genau erinnere ? Er ist nicht da, es mir zu sagen. </i></div><div><i><br /></i></div><div><i>Ich weiß wohl, daß er mich nicht liebt. Wie könnte er mich lieben? Und doch, ganz innen ist etwas, ein Punkt meiner selbst, der es nicht lassen kann, mit Furcht und Zittern zu denken, daß er mich vielleicht, trotz allem, liebt." </i></div><div><br /></div><br />Teilweise Repost aus dem Archiv mit leichten Änderungen<br />
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1 Elisabeth Strout, The Burgess Boys<br />
2 Simone Weil, <a href="http://undpress.nd.edu/books/P03212" target="_blank">Late Philosophical Writings</a>, 2015<br />
3 dito, ohne Seitenangabe bei Kindle- Ausgabe. Die Zitate entstammen unterschiedlichen Texten in der Sammlung<br />
4 Robert Chenavier, „Simone Weil, Attention to the Real“, Link: https://www3.nd.edu/~undpress/excerpts/P01544-ex.pdf<br />
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</div>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-6949250372315448347.post-65972314646226592152021-11-15T11:45:00.004+01:002021-11-15T12:35:50.860+01:00 Die Anthroposophen als Illuminaten im SPIEGEL<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgQ-nDOctWY0jjP-WFuOFCGTGMDGoxxCTq0n2NHLZNAKZW0p2SlAtOk-Kgs3FbgweQpWD6XjLAJ0755h9BQc-XHYQcGqjCzfoOPIoowJgPGXGONRnrqFn-_QOlwVTMFtCwRGfq-Uud_4vfZ/s1756/Bild+15.11.21+um+11.40.jpeg" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1174" data-original-width="1756" height="214" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgQ-nDOctWY0jjP-WFuOFCGTGMDGoxxCTq0n2NHLZNAKZW0p2SlAtOk-Kgs3FbgweQpWD6XjLAJ0755h9BQc-XHYQcGqjCzfoOPIoowJgPGXGONRnrqFn-_QOlwVTMFtCwRGfq-Uud_4vfZ/s320/Bild+15.11.21+um+11.40.jpeg" width="320" /></a></div><br />Süß. Der Ex- Waldorfschüler Tobias Rapp (1) fühlt im SPIEGEL den unbezwingbaren Drang, mit seiner Schulzeit abzurechnen- ein Verlangen, das nicht wenige Schüler betrifft, nicht nur auf der Waldorfschule. Um dem Thema auch den richtigen Drall zu verpassen, wittert er im anthroposophischen Background einen einflussreichen Illuminaten- Zirkel, der wie eine „Sekte“ (2) unbemerkt die Gesellschaft unterwandert hat und Wortführer sei bei den Impfverweigerern der Nation: „Nirgendwo in Westeuropa ist die Impfquote so niedrig wie im deutschsprachigen Raum. Das liegt auch an einer einflussreichen Gruppe: den Anthroposophen. Als Waldorfschüler habe ich sie kennengelernt.“ Der Untertitel alleine „In Steiners Sekte“ suggeriert ja schon so eine Art Kaspar- Hauser- Gefangenschaft in einer Geheimorganisation, die allerlei Methoden angewendet hat, um den armen Tobias brainzuwashen. Als Beleg dafür bringt er eine Trauerfeier, an die er sich erinnere, in der die Schulgemeinschaft eines Mitschülers gedachte und in der auch in einem Gottesdienst die Worte gefallen seien, die Schulgemeinschaft solle der Seele des Verstorbenen nun helfen, ihn „hinüberzutragen“. Neudeutsch „loslassen“ oder so zu sagen wäre vermutlich in Ordnung gewesen. So aber fühlte sich Herr Rapp sein Leben lang beschämt und so traumatisiert, dass er das in einem SPIEGEL- Artikel festhalten musste, zumal die Eltern des Jungen einfach weiter machten, wie auch die Schule und die Geschwister. Offenbar findet Herr Rapp, dass es irgendwie Verantwortliche dafür geben müsse, dass der Junge an einer schweren Grippe starb: „Man hatte sich offenbar gegen eine ausreichende medikamentöse Behandlung entschieden.“ Offenbar. Vielleicht. Was man so hörte und tratschte. Zumal sowohl die Eltern wie der behandelnde Arzt der „Sekte“ verdächtig nah gestanden haben sollen, wie man so hörte: „Das Kind war der Sohn von sehr überzeugten Anthroposopheneltern gewesen, und der behandelnde Arzt war ebenfalls Anthroposoph.“ (1)<p></p><p>Diese umfangreiche Recherche in Anthrohausen ermutigt Herrn Rapp nun, das Thema auszubauen, nämlich unausweichlich auf die Corona- Pandemie zu kommen: „Wenn man die Karte der Bundesrepublik anschaut, sind Thüringen, Sachsen und Bayern entlang ihrer Außengrenzen von Covid-19 besonders stark betroffen, es liegt nahe, dass die geografische Lage einer der treibenden Faktoren ist. In Polen und Tschechien sind die Zahlen noch schlechter als bei uns.“ HUCH, denkt man, sind der Osten Deutschlands und die östlichen Nachbarn komplett von anthroposophischen Agenten unterwandert? Nein, schuld sind die Bayern und die Schweizer, vor allem aber das Bürgertum schlechthin, in dem das anthroposophische Denken auf fatale Weise grassiere: „Es gibt aber noch einen anderen Grund: die Impfskepsis eines speziellen bürgerlichen Milieus, das seine Zentren vor allem in Süddeutschland und in der Schweiz hat. Und viele dieser Leute sind Anthroposophen.“ (1)</p><p>Das sehe man schon daran, dass diese verdächtige Gruppe des Bürgertums, vor allem in Süd- und Ostdeutschland, sich gerne Weleda- Cremes ins Gesicht schmiere und biologisch- dynamisches Essen verzehre. „Bizarr ist es trotzdem.“ Ja, natürlich. Nun hätte man natürlich gern ein paar Belege bezüglich der behaupteten Korrelation zwischen dem Gebrauch anthroposophischer Cremes und der Corona- Inzidenz. Selbst halbwegs nachvollziehbare Zusammenhänge in minimal logischer Kausalität wären sehr willkommen, schon um den Artikel des Ex- Waldorfschülers aus dem Niveau einer Illuminaten- Fabel heraus zu hieven. </p><p>Pustekuchen. Das östliche und südliche Bildungsbürgertum, so behauptet Rapp nun apodiktisch, sei eben in den ideologischen Fängen einer „christlichen Sekte“ gelandet- eben all diesen Menschen, die sich aktiv für eine „bessere Welt“ einzusetzen glaubten: „Überall in Erziehung, Körperpflege, Ernährung und Gesundheit mischen Anthroposophen mit. Sie selbst glauben, sich für eine bessere Welt einzusetzen. Eine Welt, in der Kultur und Natur nicht mehr im Widerspruch sind, Arbeit und Kapital, Glaube und Wissen. Man könnte aber auch einfach sagen: Sie sind eine christliche Sekte.“ (1)</p><p>Man denkt unwillkürlich: Umweltschützer, Grüne, Tierwohl- Aktivisten: Sind die alle anthroposophisch gebrainwasht? Ist die GLS- Bank, die sich für ökologisches Investieren engagiert, denn die Speerspitze des Illuminaten- Kampfes, der die Gesellschaft unterwandert? </p><p>Da es dem Autor, der Baustein für Baustein einer vollumfänglichen Verschwörungstheorie aufbaut, weiterhin an logischer Stringenz, Belegen oder auch nur etwas mehr als assoziativ aufgebauschten Argumenten fehlt, setzt er nun zum Todesstoss an: Die Anthroposophen seien analog zur Scientologie organisiert und wirksam: „Denn Rudolf Steiner (1861–1925), der Begründer der Anthroposophie, ist für die Deutschen eine ganz ähnliche Figur wie L. Ron Hubbard für die Amerikaner. Ein Sektengründer und Großspinner, der einige Stränge der Kulturgeschichte verbindet und daraus ein Glaubenssystem gemacht hat.“ (1) Ähnlich, nun ja. Ähnlichkeiten gibt es viele im Leben. Eine Bank hat ebenso mit (Geld-) Verkehr zu tun wie ein gewisses Ministerium oder der Großpuff in Köln. Das verbindende Element beschreibt aber durchaus nicht hinreichend die unterschiedlichen Aufgaben. Für Rapp aber schon. Er setzt da einfach ein paar Analogien, bei denen man sich fragen muss, was er wohl geraucht haben mag: „Hyperindividualismus, Selbstverbesserungsideologie und Zukunftsglaube ist es bei Hubbard. Goethekult, Moderne-Kritik und Reformbewegungsglaube an die Natur ist es bei Steiner.“ (1) Spinner, so Rapp, sind jedenfalls immer die Anderen. </p><p>So kommt er nun endlich auf des Pudels Kern. Die Impf- Skepsis begründe sich bei einem harten Kern der Anthroposophen durch die Vorstellung der Reinkarnation: „Daher rührt die Impfskepsis der anthroposophischen Kreise – ihres harten Kerns zumindest.“ (1) Dem weitaus größeren Teil allerdings sei die Jacke näher als die Hose, und sie würden natürlich nicht zu ideologisch eingeengten Impf- Verweigerern: „Und sehr vielen Anthroposophen ist ihr Leben dann doch lieber als ihr Glaube. Die allermeisten würden auch ihre soziale Stellung nicht riskieren, und derlei Blödsinn in der Öffentlichkeit verkünden. Für sie ist die Anthroposophie auch eher eine Wellness-Philosophie, eine Oberfläche für einen angenehmeren Alltag.“ (1)</p><p>Wie nun, rein logisch gefragt, erklärt sich die von Rapp vorher behauptete Ursächlichkeit zwischen hohen Inzidenzen und angeblich vorherrschender Einflussnahme von Anthroposophie im Bürgertum des Ostens und Südens? Da raunt die angeblich aufgeklärte Skeptikerseele etwas von „Größerer Einfluss, als viele ahnen“. Ihr Illuminaten, Ihr seid von diesem investigativen SPIEGEL- Artikel enttarnt!</p><p>_____________________</p><p>1 https://www.spiegel.de/kultur/waldorfschule-und-impfgegner-in-steiners-sekte-a-8242889d-190f-479f-bf6d-a22ccab54013?fbclid=IwAR3c23qKr5PYqBOdmTMNKJ9zA9AXuqgxOYfGs1Tc9qD0sJQa28MJz-qBj3Q</p><p>2 Siehe 1 Untertitel „In Steiners Sekte“</p>Michael Eggerthttp://www.blogger.com/profile/11886000585230173222noreply@blogger.com