Grandiosität

Während ich zur Nacht noch Monteverdi höre (Duette mit Christina Pluhar und Philippe Jaroussky), mache ich mir noch ein paar Gedanken zum Begriff der Grandiosität. Ich habe ihn als (falsches) Selbstgefühl mancher Okkultisten bezeichnet, die damit im Schnellzug auf dem toten Gleis ins Nirgendwo unterwegs sind. Wenn man sich vom Gegenstand seines Interesse so beleuchten lässt, dass man sich darin spiegelt, dann verwandelt dieser Gegenstand sein Erscheinungsbild und seine Eigenart; er wird bockbeinig einem selbst gegenüber. Das Selbstbild, mit Grandiosität unterfüttert, ist sich eigentlich genug- etwas wie Entwicklung kann nicht mehr statt finden.
Ich habe mal einen Psychiater im Internet konsultiert, der Grandiosität als eine Art der Borderline- Störung führt und näher beschreibt:

"Die Ergebnisse meiner psychiatrischen Behandlung von 864 Patienten mit 35 165 Träumen zeigen, dass die Patienten mehrheitlich an einer persistierenden, pathologischen Symbiose zu einem ihrer Elternteile leiden und infantile, symbiotische Verhaltensweisen aufweisen. Diese Symptome, die im unterschiedlich ausgeprägten Maß bei einer pathologischen Symbiose auftreten, gleichen weitgehend der Symptomatik des Borderline-Syndroms, in ihrer Psychodynamik weisen sie jedoch erhebliche Abweichungen auf.
(..)
Folgende symbiotische Verhaltensweisen sind zu nennen:
-Angst
-Passivität
-Identifikationsstörung und Überanpassung
-Innere Unruhe und Anspannung
-Ungeduld
-Kränkbarkeit und Wut
-Grandiosität
-Abwertungen
-Depressivität
-Sucht
-Sexuelle Störungen
-Destruktivität
Das Haftenbleiben in der Infantilität, in der Welt der kindlichen Vorstellungen und Reaktionsweisen, die Spannungszustände, die durch den Gegensatz zwischen dem erreichten Lebensalter und den infantilen, regressiven Persönlichkeitsanteilen hervorgerufen werden, manifestieren sich im symbiotischen Verhalten. Auch psychosomatische Symptome treten als Zeichen einer ungelösten, persistierenden Symbiose auf."

Die symbiotische Beziehung zur übermächtigen Mutter, der unreife, regressive Charakter: Das mag im psychiatrischen Sinne zur Grandiosität führen. Aber sie ist, in integrierter, eventuell instrumenteller Form auch ein Aspekt unseres Tuns, unserer Selbstgefühle und Definitionen von Freundschaft und Liebe. Das "Leuchten", die Wirksamkeit, das Sichbarsein, das Bedürfnis, irgendwo, wenigstens irgendwo ein Publikum zu haben, das die eigene Bedeutsamkeit anerkennt, der Charme und die Attraktivität; Krücken des Ego, das überall nach Möglichkeiten der Selbstbespiegelung sucht. Sicher, das Grandiose hat immer seine Halbwertzeit. Jeden Tag beginnt eine neue Zeit, und irgendwann wird sich der Esprit, der Glanz umsonst versprühen, denn niemand wird ihn mehr verstehen. Irgendwann sind wir ein abgeschminkter Clown nach der letzten Vorstellung, nachdem der Vorhang gefallen ist. Irgendwann tauchen wir alle in einem Fellini- Film auf, Freaks und (eventuell) Relikte ihrer Zeit.