Leere und Licht

In einem interessanten neuen, privaten Blog geht Jens Heisterkamp in einem neuen Post auf "Philosophische Vorausetzungslosigkeit und Leere" bei Rudolf Steiner ein- als Ausgangspunkt des Erkennens und im Gegensatz zu den Vorstellungen von Kant. Diesen Ausgangspunkt beschreibt Heisterkamp so:

"Diesem Zustand der reinen Erfahrung nähert man sich in einem Prozess der schrittweisen Negation und Reduktion von spezifizierten Inhalten und Bedeutungen im Bewusstsein – also in einem Zugehen auf einen Zustand, der Meditierenden auch als Entleerung des Bewusstseins vertraut ist.

Diese Entleerung führt zu einem Zustand des bloßen Gewahrens.

In diesem Gewahren gibt es keine Differenzierung mehr, keine Verbindung, keine Wertung, keine Orientierung und keine Bezüglichkeit. Zuletzt wäre sogar die Annahme eines Subjektes, das der Operator dieses Gewahrens wäre, selbst eine unzulässige Bezüglichkeit. Zu diesem Punkt müsse man gelangen, so Steiner, “ohne einen Träger desselben auch nur zu erwähnen” (Wahrheit und Wissenschaft S. 61)."

Die schrittweise Reduktion der Inhalte des Denkens als Voraussetzung für meditatives Denken hat so auch Georg Kühlewind beschrieben. Es ist dafür eine hohe Konzentration notwendig, um alle assoziativen und vom Gefühl her rührenden Anstösse, aber auch Körperlage- Rückmeldungen sensorischer Art völlig aus dem Bewusstsein zu verbannen. Rudolf Steiner meinte einmal, man müsse meditativ so intensiv involviert sein, dass selbst eine abgefeuerte Kanone keine Ablenkung mehr darstelle. Aber am schwierigsten ist wohl, den "Operator", das agierende Selbst, ebenfalls zu überwinden. Man neigt, wie viele Übende berichten, immer noch dazu, selbst in diesem Grad der Versenkung, ein "Gegenüber" vorzustellen- etwa eine innere Bühne, auf der ein Geschehen erwartet wird, einen Umkreis. Nehmen wir die Anregung von Jens Heisterkamp auf, und gehen wir noch tiefer in die Stille, so dass nichts mehr existiert- nicht einmal irgendeine Subjekt- Objekt- Beziehung. Halten wir das aus, aus reiner Kraft, wobei auch die Kraft als solche einfach existiert, aber sich auf nichts und niemanden bezieht. Wie ist dieser Zustand zu beschreiben?

Man bemerkt in diesem subjekt-, zeit-, ortlosen Zustand, in einer Stille, die als solche auch nicht "gehört" wird (also nicht einfach geräuschlos), zumindest, dass man nicht im Dunkeln ist. Vielleicht hatte man sich einen Abgrund vorgestellt, ein Nichts, eine Schwärze. Aber das ist nicht der Fall. Es ist ein nicht zu ortendes, gleichmäßig Helles. Nichts Aufleuchtendes, nichts Erscheinendes, schon gar nichts Sensationelles oder irgendwie Bemerkbares - einfach eine regelmäßige, raumlose Helligkeit, der man keine Quelle zuordnen kann.

Wir denken an Massimo Scaligero, der in "Das Licht" schreibt: "Aber der Mensch erlebt das Leben der Seele nicht, denn er kennt ja von diesem Leben nur das, was zu Sinnesempfindung und zur dialektischen Bewusstheit wird. Daher bemerkt er nicht, dass es das Licht ist, das in der Seele aufleuchtet. Er hält sich an das Spiegelbild, an die Erscheinung der Welt, der er die Kraft der Wirklichkeit leiht." (S. 17). Nun ist die Erscheinung jeder Art nun, in der Erfahrung der Leere, ausgeschlossen. Das äußere Licht, das "die Formen und die Farben" erscheinen lässt, "stirbt" in diese hinein- es selbst bleibt unsichtbar; es "stirbt als Licht der Welt". (S. 15)

Den Zustand der Stille beschreibt Scaligero ebenfalls als eine Art des Sterbens- als ein "Sterben" in höchster innerer Aktivität, unter Verzicht auf Wahrnehmung und Denkinhalte: "Das Ich hätte als individuelles Ich so wach zu sein, dass es diesen Tod nicht nötig hätte, um zu existieren. Es hätte im Tode das Leben anzuschauen, das es verliert"- als ein Ich, das sich der Kraft bewusst ist, rein aus sich selbst heraus zu bestehen: "Der Weg, der da zu gehen ist, führt in die "Leere", in das "Schweigen": In das Zunichtewerden alles dessen, was die Bewegung des Lichts behindert." (S. 16)

So ist es das ohne Quelle, ohne Objekt, ohne Bewegung einfach bestehende Licht, in dem wir uns in der absoluten Stille finden. Es ist die Helligkeit, die sich ihrer selbst bewusst wird.
Das, was ist, wenn nichts mehr ist, jenseits aller Subjekt-Objekt- Beziehungen, ist das sich seiner selbst bewusst werdende Licht.
Es ist das Bewusstsein, das seinen Lichtcharakter bemerkt.
Es ist etwas, wie Scaligero anmerkt, jenseits der "Verblendung des Todes"- ein "Wirklichsein dessen, was unsterblich ist." (S. 16)