Karmische Koinzidenzen

Das in anthroposophischen Kreisen so leidenschaftlich betriebene, und manchmal alberne, im Sinne von höherem Tratsch, verbreitete Spekulieren über frühere Erdenleben ist mir meist fremd geblieben. Kam das Gespräch doch darauf, verwies ich gern auf einen in jungen Jahren erlebten Traum und erklärte, vermutlich sei ich ein Fischweib auf einem mittelalterlichen Markt gewesen. Mit so etwas stand man meist allein gegenüber all den vorgeblich- angeblich bedeutenden Persönlichkeiten, als die sich die Gesprächspartner meist fühlten.
Nun hat es sich beim Älterwerden so ergeben, dass die meditative Schulung bei mir dahin führte, die eigene tiefe Wunde besser zu identifizieren- den Ausmaß des Schadens quasi in seiner Ausdehnung begutachten zu können. Das ist ein Resultat dessen, in den Stunden der Arbeit in der Versenkung außerhalb der leiblich- zeitlichen, biografischen und psychologischen Gebundenheit und Befangenheit zu stehen- darauf aus einem Standpunkt "von außen" blicken zu können. Der "Schaden" (oder, wie Eckhart Tolle es nennt, der "Schmerzkörper") ist aus dieser Perspektive das, was ich als meine meisten Antriebe, auch wie sie sich in der Berufswahl artikulierten, das innere Angetriebensein, das am meisten an mir als sakrosankt Empfundene, erlebte. Man kann die Wunden, die inneren Widersprüche erst an dem Punkt und in dem Maß wahrnehmen, in dem man in der Lage ist, mit sich Frieden zu schließen.
Dann war die Möglichkeit gegeben, die losen Enden, die man Ich zu nennen beliebt, hier und da wieder zu verknüpfen.

Das - trotz der tiefen und engen familiären, freundschaftlichen, ehelichen (auch der anthroposophischen) Bindungen - geistige Alleinstehen war eine Spur, der ich nach zu gehen hatte; ebenso wie die tiefe und frühe völlige Entfremdung gegenüber den eigenen Eltern. Obwohl das Schicksal so freundlich war, mir eine Reihe von sehr entwickelten spirituellen Persönlichkeiten auf den Weg zu stellen, war mir immer klar - seit der Jugend-, dass ich einen Schlüssel finden musste, der anders war, dass es mein Weg sein müsste- etwas, wofür es kein Vorbild geben konnte im Umkreis. Ich wusste, dass ich empfindlich war nach innen hin, jemand mit abgezogener Haut, der eine offene Wunde durchs Leben zu tragen hatte- aber nach außen hin, im realen Leben, eine bodenständige Person, hart und kämpferisch. Es gab diese zwei Seiten, aber mir war der Ursprung dieser Wunde nicht klar. Sie war schlichtweg gegeben. Und ich war jemand, der zugleich ein tiefes, ursprüngliches spirituelles Bedürfnis hatte, quasi vom ersten selbständigen Gedanken an. Das war eine Leitschnur, der ich folgte, aber sie war unter den Verwundungen, der Ego- Struktur, so zugedeckt, dass es lebenslänglicher Anläufe bedürfen würde, diese innere Stärke zur Entfaltung kommen zu lassen. Voll zur Entfaltung bringen- würde das möglich sein?

Es gab einen Schlüssel, der im losgelösten ätherischen Kopfbereich begründet war. Ich verstand das immer wieder zu nutzen, hatte hier und da besondere Stunden, intime Einsichten oder eine Art nüchternes inneres Gespräch mit einem Begleiter. Auf Irrwegen fühlte ich mich angeschaut und gewarnt, auch, schon mit 20, ermahnt: Mach es auf deine Art. Es ist die einzige reale Möglichkeit.
Der "Schlüssel" war mit der Zeit gefunden und bestand in einem Entwickeln unkörperlicher Wahrnehmungsorgane, vom Stirnbereich abwärts über den nur nach und nach entwickelnden Kehlkopf- zum Herzbereich und weiter. Aber das war etwas, was sich über Jahrzehnte entwickelte, und es musste gegen den Widerstand, gegen die Wunde an.

Es gab eine Art von Literatur, die ich nur mit Grauen lesen konnte, und daher oft liegen ließ; das waren die Umstände der Vernichtung des Templer- Ordens. Die Bücher blieben meist ungelesen, weil sie mir persönlich unangenehm waren, selbst und gerade dann, wenn es keine spekulativen Texte waren. Spät lernte ich, dass die Initiation der Templer zutiefst mit dem verbunden war, was der Ausbildung der Lotosblumen in der von mir erlebten Weise entsprach. Dies waren - nicht mehr als das - gedankliche und gefühlsmäßige Koinzidenzen. Nichts, was man pressen muss. Aber es erklärte etwas. Man darf sich nicht auf den Leim gehen und darin ein Hilfskonstrukt sehen. Aber die spirituelle Geneigtheit hat einige Tiefe, vor allem, wenn man sie um sich herum nicht finden kann, sie aus sich heraus entfalten muss. Von daher gab es weitere Hinweise in der Biografie, im Freundeskreis, vor allem die Neigung zu Freunden und Klienten aus dem islamischen Kulturkreis.

Es ist nun so, dass ich in Bezug auf das innere Wundsein und ein lebenslanges Festhängen an schwersten körperlichen Schmerzzuständen einen weiteren Hinweis von Andreas Meyers neuem Buch erhalte, das ich hier erstmals vorstellte: "Viele Templer, die an den Qualen der Folter oder durch Verbrennung den Tod fanden, hatten in ihrem irdischen Leben keine Gelegenheit mehr, diese Dinge zu verarbeiten. Doch auch innerhalb des Lebens ist es fast unmöglich, derartig schwerwiegende Erlebnisse zu verarbeiten. Die Erfahrungen traumatisierter Missbrauchsopfer zeigen beispielhaft, wie stark die Tendenz zur Verdrängung, zum vollständigen innerlichen Vergessen-machen bei derartigen Ereignissen ist. Doch auch wenn die Erinnerung daran ausgelöscht wurde, wirken die unverarbeiteten Erlebnisse im Leib weiter. 
Es kommt deshalb vor, dass Menschen heute mit erheblichen körperlichen Beschwerden konfrontiert sind, deren Ursachen sich scheinbar nicht ergründen lassen und die vollständig resistent gegen die üblichen Arten der Behandlung sind."

Ein Baustein, nicht mehr. Eine Arbeitshypothese. Etwas, was insgesamt und in der Rundumschau erst einmal stimmig erscheint.