Helmut Zander über anthroposophische Identität im Wandel

Helmut Zander betrachtete in einem Vortrag an der Alanus- Hochschule in Alfter in religionssoziologischer Perspektive "Transformationstendenzen in der anthroposophischen Szene" und anthroposophische Identitäten in der Vergangenheit bis heute- und wagt auch Ausblicke in die Zukunft. Sein Resümee: "Braucht man für sein Leben als Anthroposoph und Anthroposophin noch die Anthroposophische Gesellschaft oder die anthroposophische Bewegung? Wie gesagt, in vielerlei Hinsicht eigentlich nicht."

Das liege auch daran, dass die "nicht-anthroposophische Gesellschaft (..) inzwischen viele alternativkulturelle Erfindungen übernommen" habe. Intern schlage die überall um sich greifende Individualisierung hinein, die wenig Freude an Institutionalisierung und Traditionen habe: "Die Individualisierung verändert die Rolle von Institutionen, die man in mancherlei Hinsicht einfach nicht mehr braucht; vielfach gibt es längst eine Anthroposophie ohne Anthroposophische Gesellschaft."

Dazu käme die Pluralisierung, d.h. eine "immer stärkere Konkurrenz auf einem Markt weltanschaulicher Anbieter", aber auch eine wachsende innere Differenzierung zwischen diversen anthroposophischen Strömungen: "Dies wird etwa deutlich, wenn man sich den Abstand zwischen „Dornach“ und einer Zeitschrift wie Info3 ansieht – Ken Wilber neben Rudolf Steiner zu präsentieren, wird das normal? So wie es heute Chi-Gong oder Yoga auch in manchen katholischen Klöstern gibt? Die interne Pluralität der Anthroposophie dürfte jedenfalls zunehmen."

Schließlich komme noch die Internationalisierung dazu, die Zander ebenfalls als Ursache für ein Zerstäuben traditioneller anthroposophischer Identität ansieht: "Die zentrifugalen Kräfte werden dann, dazu braucht man kein Prophet zu sein, zunehmen."

Entscheidend ist aber vielleicht die Haltung zu Rudolf Steiner selbst, die sich im Sinn einer Emanzipation großer Teile der anthroposophischen Bewegung gewandelt habe: "Zu den Innovationen gehört vor allem eine Neudefinition der Rolle Rudolf Steiners: Vielen gilt er heute weniger als der Guru oder der Eingeweihte, der ein System letzter Wahrheiten eröffnet hat, sondern als ein Schlüssel zur Ermöglichung individueller Sinnsuche."