Valentin Tomberg über das "Erscheinen des Christus im Ätherischen"

Man kann ja von Valentin Tomberg denken, was man möchte - auch er hat glühende Anhänger und Feinde, auch er ist an der Anthroposophischen Gesellschaft in schwierigsten Zeiten (Rotterdam, Holland, 1938, völlig verarmt und isoliert) gescheitert und hat sich später zurück gezogen, um sich auf der sicheren Seite des katholischen Glaubens zu bewegen und zu bewähren. Dennoch hat er in seiner anthroposophischen Ära einige der tatsächlich esoterischen Bücher geschrieben (bzw aus Vorträgen komprimiert); Bücher, die anthroposophische Esoterik selbständig auffassen, ohne dabei methodisch abzuschweifen oder zu irrlichtern. Selbst ein Thema wie das hier angesprochene hat bei Tomberg durchaus eine handfeste Note. Ich beziehe mich auf "Die vier Christusopfer und das Erscheinen des Christus im Ätherischen" (Schönach 1994/3)- wahrscheinlich sein Hauptwerk, wie auch Robert Powell nicht gerade zart andeutet, sondern eher posaunt, trommelt und trompetet: "One possible conclusion that may be drawn from the above is that both Rudolf Steiner and Valentin Tomberg received their inspiration – in talking about the return of Christ in the etheric – from the source indicated by Rudolf Steiner: the Bodhisattva who was incarnated in the century before Christ as the teacher of the Essenes and who will become the future Maitreya Buddha.." Ich denke nicht, dass es Tomberg verdient, in dieser Weise als Speerspitze esoterischer Spekulation zu dienen.

Denn was er eigentlich in seinem Buch aussagt ist das: Die ätherische Präsenz wird sich in persönlichen menschlichen Krisen zeigen, die eine jeweilige Spiegelung des Geschehens auf Golgatha sind. Das Richten über Christi wird gespiegelt wieder kehren als ein Aufbäumen des Gewissens - Gefühle, die "mit elementarischer Gewalt die Menschen ergreifen werden" (S. 113), in Form von "verzehrenden Schamgefühlen": "der Beginn der Erscheinung des Christus im Ätherischen wird die Röte der Scham sein" - existentielle Scham wird zum geistigen Wahrnehmungsorgan. Damit werden die bisherigen Werte von Menschen zerstört sein- das Bild von sich selbst und der Welt. Dieses Burn- Out- Phänomen als moralisches Ausgebranntsein, als Zweifel am eigenen Ich- ist das nicht heute etwas, was für viele Menschen zur Lebenserfahrung geworden ist?

Das Sich- Wiederaufrichten ist für Tomberg eine Spiegelung von Geißelung: Dadurch wird Christus verzweifelte Menschen berühren können in dem Sinne, dass sie wieder Mut fassen. Die Dornenkrönung wird so verwandelt auftreten, dass Menschen einen neuen Auftrag für sich entdecken - "Aufgaben als Liebesaufträge" (S. 120), erlebt als "ein Empfangen von Aufgaben von ihm". Die alten Pflichten werden zu Katastrophen führen- aber der nach der Krise im Neuanfang ergriffene Auftrag wird konstruktiv sein. Wie viele Menschen haben ganz erstaunliche Aufgaben vor allem in Krisengebieten der Welt übernommen, wie viele sind in diesem Sinne heute sozial engagiert! Nach Tomberg wird diese gelebte Annahme des individuellen Auftrags dazu führen (die Spiegelung des "Kreuztragens"), dass eine umfassende innere Heilung des Menschen statt findet- körperlich und seelisch (S. 115). Erst danach wird ("Kreuzigung") ein Wissen auftreten in dem Sinne, dass alle Folgen des eigenen Tuns vor dem Menschen hellsichtig klar sein werden; sie werden wissen, was sie tun. Auch die Vergangenheit, das eigene Gewordensein, wird klar vor dem inneren Auge stehen.

In diesem Sinne ist die Wiederkehr Christi im Verständnis von Valentin Tomberg nichts engherzig Mystisches, sondern eine innere moralisch- ethische Wiedergeburt des Individuums aus einer existentiellen Krise heraus- etwas, was handfest und konkret dazu führt, sich zu engagieren, tätig zu werden und eine Aufgabe zu finden, durch deren Verfolgung dann auch eine innere Heilung statt findet- Christus wandelt als Antwort "seiner Behandlung" um die Zeitenwende "das Negative ins Positive" (S. 116).