Hans Büchenbacher- Projekt

Foto Mayer Info3
Schon in Peter Staudenmaiers Dissertation und Forschungsarbeit über Anthroposophen in den Zeiten des Faschismus* nimmt der Anthroposoph Hans Büchenbacher eine heraus ragende, weil freie und kritische Position gegenüber dem Nationalsozialismus ein - ganz offensichtlich unter Anthroposophen dieser Zeit eine Ausnahmeerscheinung: "There were significant divisions within the mainstream Waldorf faction as well, which are explored extensively in the secondary literature; ex post facto anthroposophical accounts often view Maikowski and Klein, for example, as excessively willing to compromise with Nazi demands. A number of other important Waldorf figures, such as Eugen Kolisko or Ernst Weißert, appear to have taken a more consistently oppositional stance toward the regime. On the attitudes of Jewish Waldorf teachers who were forced to leave the schools in the early years of the Nazi era, see the excerpts from Hans Büchenbacher’s memoirs.." (S. 316 in einer Fußnote)
Während der anthroposophische Mainstream damals wie heute lieber Verschwörungstheorien folgt, und den "katholischen Ansturm wider den Okkultismus" (Karl Heise), Freimaurer und abstrakte ahrimanische Umtriebe geißelt (und damit ablenkt von internen Fehlentwicklungen), war Büchenbachers Blick klar und unbestechlich.

Er war nach nationalsozialistischen Kriterien "Halbjude", was ihn von vornherein Repressionen durch die deutsche Geheimpolizei ausgesetzt und ihn zur Emigration gezwungen hatte: "SD agents routinely emphasized the role of Jewish members in the anthroposophical leadership, pointing to two figures in particular, Hans Büchenbacher and Alexander Strakosch, who had served on a coordinating committee for the Anthroposophical Society in 1933 and 1934. Both men were considered Jews according to Nazi criteria and were eventually forced to emigrate to Switzerland. Büchenbacher (1887-1977), who counted as “half-Jewish” under the Nuremberg laws because his father was of Jewish origin, was raised Catholic and had fought for Germany as an officer on the front in WWI. Such niceties were lost on anthroposophy’s adversaries, who saw Jews in anthroposophist ranks even when they weren’t there. In May 1934 the SD alleged that the head of the Munich branch of the Anthroposophical Society, Heinrich Leiste, was Jewish. The Bavarian political police replied a few weeks later with information on Leiste, explaining that he was in fact ‘Aryan.’ Misinformed assertions such as these were common. An SD memorandum from October 1934 claimed that Guenther Wachsmuth and Hermann Poppelbaum, head of the Anthroposophical Society in Germany, were both Jews and lived in Stuttgart, a center of anthroposophical activity. Neither was in fact Jewish, but claims to the contrary persisted in SD documents for years, purporting to reveal the “Jewish influence in anthroposophy.”"*

Der Mayer Info3- Verlag bereitet momentan eine Herausgabe von Schriften Hans Büchenbachers vor; als Herausgeber dient Ansgar Martins vom Waldorfblog: "Hans Büchenbacher sah als Vorstandsmitglied der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland bewusster als die meisten anderen Anthroposophen die Machtergreifung Hitlers schon früh als Weg in den Untergang.
In seinen nach dem Krieg verfassten “Erinnerungen” kommentiert Büchenbacher schonungslos seine Beobachtungen und auch das Versagen der Anthroposophischen Gesellschaft einschließlich Teilen des Dornacher Vorstands angesichts des Nationalsozialismus. Hans Büchenbacher, Offizier im Ersten Weltkrieg, von Rudolf Steiner zum Redner berufen, war Philosoph, Buchautor, Lehrer für Anthroposophie und u.a. Freund des in Auschwitz ermordeten Komponisten Viktor Ullmann. Er starb 1977 in der Schweiz."

Auch Martins geht in seinem Blog auf das Buchprojekt ein: "Mit großer Verbitterung beschrieb der promovierte Philosoph und glühende Steiner-Anhänger, was er als ideologischen (Selbst-)”Verrat” seiner geliebten Anthroposophischen Gesellschaft im nationalsozialistischen Deutschland erlebte. Der als “Halbjude” ab 1933 sukzessive aus dem Vorstand der deutschen Anthroposophen Gedrängte hatte ironischerweise bereits im Mai 1922 einen deutschnational motivierten Anschlag auf Rudolf vereiteln können.
Seine bewegte Biographie führt tief in den Untergrund des alternativkulturell- okkultistischen Labyrinths von Kaiserreich und Weimarer Republik – und in die abgründigen Positionen deutscher Anthroposophen im Hitler-Fieber, von denen manche gar das Verbot der Anthroposophischen Gesellschaft durch die Nazis 1935 begrüßten, so Büchenbacher: “Dass die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland verboten worden sei, wäre ja schliesslich nicht schade, denn sie sei doch imgrunde nur ein Verein von alten Tanten gewesen. Aber jetzt würde eben eine richtige Anthroposophische Gesellschaft entstehen.” Aber Büchenbacher berichtet auch von antinazistischen Steiner-Schülern wie Johannes Hohlenberg, die sich, wie er selbst, 1933 oft nicht nur im Fadenkreuz des Judenhasses, sondern auch zunehmend im Konflikt mit ihren Glaubensgenossen wiederfanden."

Die Finanzierung des Buches ist noch nicht gesichert. Es ist für diejenigen interessant, denen es um eine realistische Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft geht, abseits von Romantisierung, Idealisierung und abstrusen Methoden der Selbsttäuschung und Verleugnung. Ich werde es sicher kaufen.
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P. Staudenmaier, "BETWEEN OCCULTISM AND FASCISM: ANTHROPOSOPHY AND THE POLITICS OF RACE AND NATION IN GERMANY AND ITALY, 1900-1945, Dissertation, 2010