Eugene Ionesco: Von innen her verklärt

Ich erinnere mich, es ist schon Jahre und Jahre her: Wir hatten gar kein Geld. Neben mir lag ein dicker Stoß von Briefumschlägen, in die ich Prospekte legen und auf die ich Adressen schreiben musste. Schon damals lebte ich von meiner Feder. Die Sonne war hinter Wolken versteckt. Ich wartete auf einen Lichtblick. Er kam. 

Der Tisch, der Teppich, das alte Sofa, das ganze Zimmer ist plötzlich lichtüberflutet. Im goldenen Licht wird der alte Teppich plötzlich schön. Die Möbel sind wieder neu. Die Sonne strahlt über dem Schloss, den Bäumen, dem Fluss und dem fadenscheinigen Gobelin, der an der Wand hängt. Metamorphose der Welt. Das Licht dringt tief in mich ein. Ich bin von innen her verklärt. Ich bin gleichzeitig in mir verwurzelt und von mir abgelöst, als wäre ich Handelnder und mein eigener Zuschauer auf einmal. Ich sehe mich in diesem Junilicht existieren. 

Wir sind sehr arm, mein Liebes, habe ich ihr gesagt, aber augenblicklich zählt nichts neben dieser Ausstrahlung des Seins, dieses Licht ist unser Brot und unser Wein. 

(Eugene Ionesco: Tagebuch, 1967)

Erläuterung: Ich sichte gerade auf einer verkratzten CD sehr alte Versionen dieser Homepage, in diesem Fall 16 Jahre alt. Damals habe ich diese Textstelle hier gepostet, da ich das gerade in Ionescos Tagebuch gelesen hatte. In der digitalen Wayback- Machine kann man inzwischen nur noch - und auch das ohne Grafiken- bis ins Jahr 2000 zurück blicken.