Mitten unter den Göttern

Dieses Ostererlebnis ist nicht gebunden an die Natur oder an das jeweilige Datum des christlichen Osterfestes- nicht einmal an den kulturellen und religiösen Rahmen: Das innere Ostern kann jeder Mensch in jedem Kontext aus sich heraus und auf seine ureigene Weise realisieren. Rudolf Steiner nannte es „das Mysterium der Zukunft“.*

Natürlich geht es um ein seelisch- geistiges Erleben, nicht etwas Traditionelles, Gegebenes, nicht nur um „eine Kunde von höheren Welten“* - also ein Hängen an Worten-, sondern um etwas, was der Mensch in sich realisieren kann, indem er wenigstens in Momenten frei geistig bestehen kann, ohne an irgend etwas anzulehnen: Eine „Tat des Lebens“.* Sich im Denken aus freiem Impuls ohne Bezug auf irgend etwas halten zu können kann im übenden Vollzug einen Bezug zum Göttlichen herstellen, der nicht bloß „Trost gewährt“, sondern ein inneres Vorbild ist für etwas, was der Mensch „selbst zu erleben hat in der Zukunft“, eine autonome Kraft, der er „nachlebt, indem er den Tod überwindet“.* Es ist dies die aufscheinende Erfahrung einer autonomen Entität, die sich am Körper, am Denken und Fühlen gespiegelt erlebt, aber zugleich als daran ungebunden. Das, was wir als Christus zu bezeichnen gewöhnt sind, wird zu einem Quell unseres ureigenen Wesens- als der, „der im tiefsten Sinne mit unserer tiefsten Wesenheit verwandt ist“*.

Natürlich kann dieser aus sich selbst entspringende Quell seelisch immer nur in Spurenelementen erfahrbar werden, aber die Seligkeit dieser tiefsten Verwandtschaft ist heute für jeden Menschen greifbar, wenn er den starken, aber zugleich empfangenden Willen in sich verwirklicht. Das Christentum hat in diesem Sinne nichts Traditionelles, sondern realisiert sich in jedem Menschen als Schöpfungsakt- als Christentum „der wahren Tat und des wahren Lebens“.* Zukünftig, wegweisend ist es in der Hinsicht, dass es einen Prozess einleitet, der eine unendliche Vertiefung und immer weiter reichende Realisation einleitet auf dem Weg, einen Platz zu finden „mitten unter den Göttern“:

Wenn die Menschen längst nicht mehr brauchen werden die religiösen Mitteilungen, die ihnen Kunde bringen von den Göttern der alten Zeiten, weil sie wieder leben werden unter den Göttern, dann wird ihnen Christus derjenige sein, der sie stark und kräftig machen wird, um den richtigen Standpunkt zu finden mitten unter den Göttern.“*
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*Rudolf Steiner, GA 102, Das Hereinwirken geistiger Wesenheiten in den Menschen, S. 134