Wilfrid Jaensch: Gold machen oder: Die Enthüllung der Isis

"Die Enthüllung der Isis geschieht im Tod oder in der sog. Einweihung. Ich benütze im Folgenden die Steinersche Terminologie, um Ihnen den Nachvollzug zu erleichtern. Beim Tod löst sich der sog. Ätherleib los und dehnt sich aus (3 Tage). Seit der Geschlechter-Trennung (Lemuria) hat dieser Ätherleib das Gegen-Geschlecht zum physischen Leib, ein Mann wird sich also weiblich erleben. Dies geschieht auch bei der ordnungsgemäßen Einweihung, aber mit einem Unterschied. 

Zum Verständnis müssen Sie Steiners Angaben über das nachtodliche Leben einbeziehen. Der heutige Mensch erlebt sich notwendigerweise als Mann oder Frau. Dies gilt aber nur bis zur Mondensphäre. Die Arbeit in Merkur und Venus besteht in der Vervollkommnung, und die Sonne kennt nur den „eingeschlechtlichen“ Menschen, der Mann und Frau in sich selbst vereinigt, also: der sich selbst erzeugt. Das Symbol dafür ist „Gold“. 

Was der Tote erst nach langer Zeit erreicht, das muss die Einweihung sofort machen („Gold machen“). Der Ätherleib muss sich also ausdehnen, aber männlich-weiblich. Das heißt: Er muss den historischen Zustand erreichen, der vor der Geschlechter-Trennung bestanden hat. Er muss hyperboräisch werden. Denn was zeitlich vergangen ist, ist ätherisch dauernd, jederzeit erreichbar. Die Einweihung hat also zwei Aufgaben: den privaten, gegengeschlechtlichen Ätherleib dieser bestimmten Biografie loszulösen, und zweitens: diesen privaten Ätherleib hinzugeben (zu vereinigen mit) an den kosmischen Ätherleib („Sonne“)....

Es ist klar, dass ein heutiger Mensch diese Ausweitung schrittweise lernen muss. Wenn man den sog. Ätherleib zum ersten Mal loslöst (er ist an den physischen Leib wie festgenagelt, gekreuzigt), hat man noch nicht die Werkzeuge, die man sich erst bilden muss, wenn man sich im Ätherischen bewusst und frei bewegen will. Das kann man noch nicht. Man dehnt sich also aus, aber man sieht nichts. Man bekommt Angst. Aus Angst klammert man sich an das Bekannte, nämlich an das Bewusstsein des physischen Leibes. Da man aber zugleich sich ausdehnt, hat man den Eindruck: der physische Leib schrumpft und erkaltet („das Gehirn erfriert“ = es schrumpft, löst sich ab, fällt weg). Selbstverständlich ist es kein Schrumpfen, sondern ein plötzliches Ausdehnen, dem gegenüber die bisherige Größe des Leibes als winzig erscheint. Dies ist der Horror, von dem Schiller redet."

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in: Dietrich Spitta (Hrsg): Wilfrid Jaensch - ein moderner Geistesforscher, S. 238