Albert Steffen und Rainer Maria Rilke

"Rilke mied, wie Steffen selbst schildert [6] , Personen, die okkulte Erfahrungen, „geschmacklos vorgetragen“ hatten. An anderer Stelle [7] wird deutlich, dass Steffen für Rilke wohl auch eher zu den Personen gehört haben muss, die dieser lieber mied. Steffen schildert in Rilke einen sympathischen, äußerst distinguierten und zurückhaltenden Fremden, den er im Verlauf des ersten Weltkrieges in einem Münchner Cafe kennengelernt hatte. Rilke liebte „das Inkognito“. „In solcher Hinsicht jedoch waren die beiden Einsamkeiten sehr verschieden“. Während Rilke still und introvertiert „nach innen sann“, war dem schildernden Steffen „von jung an ein aufmerksames Beobachten eigen“. Schon in den ersten Zeilen der Steffenschen Erinnerungen stellt er sich nicht nur auf eine Stufe mit Rilke, sondern tadelt schon dessen Haltung.

Er fühlt sich - wie gegenüber Thomas Mann - selbstverständlich überlegen. So schildert er auch detailliert, mit welcher - naturwissenschaftlich geschulten- Präzision er „Züge der Gesichter“ Anderer studierte: „Profil und Kopfform, Neigung des hauptes, haltung und Gebärde, dann erst gab ich mich der Stimmung hin und suchte daraus nach der Innerlichkeit..“.

Unversehens wird aus der „Erinnerung an Rainer Maria Rilke“ eine Steffensche Selbstbeschau. Rilke dagegen „haftete mit seinen Augen kaum an den Gestalten der Menschen“. Er ging - auch bei Begegnungen im Park- „mehr lauschend als schauend“. Kontakt mit dem offenbar nach Selbstoffenbarung hungernden Steffen suchte er nicht. Steffen war aber auch schon nur durch seine phänomenologischen Betrachtungen an Rilke („Diese Stirn ist wie ein Turm“) sicher, dass Rilke „nicht christliche Engelscharen, sondern islamitische“ hinter seiner Stirne erträumte. Dieser Rilke, schloss Steffen, war als Dichter und Mensch unsicher und hatte Angst, „dass er aus seinem Lebenselement gerissen würde“."

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