Das Bleiben im Geiste

Michael Eggert:

Zen- Buddhismus, Anthroposophie, Sprach- und Erkenntnistheorie mit meditativem Anhang; in einer ganz eigenständigen Systematik- all das ist Georg Kühlewind. Aber auch, was manche Leser lieber umgehen, eine eigenständige und umfängliche Beschäftigung mit ur- christlichen Themen wie in „Das Gewahrwerden des Logos- die Wissenschaft des Evangelisten Johannes“. Er hat darüber im Grunde selbständiger geistiger Forschung stehend geschrieben- also nicht im Sinne einer chronologischen Übersicht. Kühlewind streift meditierend durch das Evangelium- in oft bekundeter innerer Nähe gerade zu Johannes. Man möchte sagen, dass dieser Evangelist Kühlewind die Substanz bietet, um sich in einer ganz zeitgenössischen Denk- Gebärde dem Logos zu nähern. Dem zu folgen, erfordert vom Leser Geduld - und Zeit. Es ist kein Buch, dem man „Informationen“ im engeren Sinn entnehmen möchte- es ist ein Meditations- Buch, in das man wiederholt und kontinuierlich hinein sieht. Manchmal kommt man ein paar Seiten, manchmal einen Satz weit. Wie sollte man schnell an solchen Sätzen hinweg gehen wie

Den Logos als Wahrnehmung erfahren, ist der Sohn. Den Logos als innere Kraft erfahren, ist der Geist. Wenn die Aufmerksamkeit sich dem Logos, dem Erkennen zuwendet, ist die Kraft, ihn zu erblicken, der Geist.“ (S. 71)

In Kühlewinds Büchern geht man meist mit bei einem Spaziergang durch dessen Denkwerkstatt. Kühlewind lotet nach allen möglichen Seiten aus, und gelangt hier und da auf durchaus für ihn typische Nebengleise der Betrachtung. So erlaubt er sich, Blicke auf die geistige Verfassung seiner Zeitgenossenschaft zu werfen:

Durch das Gewahrwerden des Logos könnte der Geist in seine eigentliche Funktion treten: in das Erforschen der Hindernisse, die der Verwirklichung eines Gegenwartsbewusstseins im Wege stehen, und Erarbeitung der Methoden, die Hindernisse zu beseitigen. Denn der Tröstergeist *wohnt* noch nicht im Menschen.“ (S. 74) Unter Gegenwartsbewusstsein versteht Kühlewind geistige Präsenz und Gewahrsein im Alltagsbewusstsein. Aus dieser Perspektive nähert sich Kühlewind dem Logos, dem Uranfang in immer weiter gehendem Verstehen. Er weist auf die Wege im reifen „Bleiben oder Wohnen des Geistes..“, das bedeutete „eine auch in der Zeit andauernde Erfahrung..“, „unser Bleiben in ihm“, „im Überwörtlichen zu leben“, „im lebenden Denken, d.h. im Leben zu sein“. (S. 74) Ansonsten - im Alltagsleben mit seinen Herausforderungen- ist der „Blitz“ des Erkennens ja auch erkennbar, aber eben ist „im modernen Menschen (..) der Geist gewissermaßen „besuchsweise“ tätig"- um den Ausbau genau dieser Kern- Kompetenz geht es.

Bei Kühlewind geht es also um den Akt des normalen Erkennens, den „Blitz“ der Intuition, der selbst meist unbemerkt bleibt, aber als Erfahrung der anhaltenden Vertiefung ein zentraler Aspekt der meditativen Praxis Kühlewinds ist. Es ist dieser „Blitz“ auch der Schlüssel zum Logos- Verständnis Kühlewinds.

Im Verlauf des ganzen Buchs verläuft sich meinem Empfinden nach die genaue Spur, die bis zu einem gewissen Punkt messerscharf und genau nachvollziehbar verlaufen war. Es folgen immer mehr, teilweise ausschweifende Umwege des Buchs. Manches wirkt dann doch schon etwas antiquiert. Insgesamt ein Buch für den, der das christliche Thema nicht scheut, aber ein meditativ anregendes Buch sucht.