Über das Licht






















Manchmal stolpert man in Gesprächen über eine einzige Formulierung, manchmal über Bücher, manchmal über einen Tweet, bei dem man aufhorcht, manchmal über ein einziges Komma in einem Satz. Daran schließt sich eine Erhellung im Sinne einer Intuition an, in einer ganz wesentlichen, eigenen Art, meditatives Leben oder ein Leben in Kontemplation und in der Natur, zu pflegen.

Heute war es ein Satz aus Karsten Masseis „Zwiegespräche mit der Erde“, in dem er über spezifische Bewegungsmuster bei von ihm beobachteten Bienenschwärmen berichtet. In den schwänzelnden Bewegungen der Bienen sieht Massei etwas Ausgleichendes, Heilsames, als Reaktion auf die Erlebnisse des Schwarms in der Außenwelt, bei seinen Flügen. Dazu gehört, was das „Ausgleichen“ betrifft, eine Art Tanz der Bienen mit ihrer Königin, die in korrespondierenden Gesten die Schwarmbewegung ausgleicht. Dieser Tanz der Bienen ist für Massei eine Reaktion auf die „gegensätzlichen Lichtqualitäten, von Wärmeverhältnissen, von drängenden und saugenden Einflüssen, von verdunkelnden und aufbauenden Kräften.“

So spricht Massei, was das innere Miterleben von Lichtqualitäten angeht, eines der wesentlichen meditativen Erfahrungsfelder überhaupt an: das Licht dieses spezifischen Augenblicks, das man in der Natur erlebt, das, was in ihm mitschwingt, in seiner Qualität zu erleben oder sich dieser Qualität überhaupt anzunähern.

Möglich ist das nur, wenn man nicht mehr völlig festhängt an den in Sprache gefassten Inhalten des Gesehenen, an den Gedankenschwärmen, die das essentielle Bewusstsein in seine Grübeleien ziehen, sondern das Einfach- bei- sich- Sein kennt- und zugleich erfasst, dass das bewusste Selbst selbst „Licht“ ist. Nur das Lichthafte in sich, das nicht gebunden und reflektiert ist, kann die Qualitäten des Lichts in diesem Augenblick erfassen. Das erste Komma im oben zitierten Satz Masseis leitet also keine Aufzählung ein, sondern die Dimensionen, in denen sich das Licht zum Ausdruck bringt: In Wärme, Druck, Kraft - oder auch in bedrängender Indifferenz. Das Licht des Tages erscheint uns als Ausdruck- als etwas, das die Natur (nach Steiner den „Weltenäther“) durchdringt, aber, im Willen mitschwingend, auch (so Steiner) als „moralisches Wesen“ empfunden werden kann:

Der Weltenäther, aus dem unser Ätherleib genommen ist, hat zwei Glieder. Das eine Glied dieses Äthers ist Wärme, Licht, chemischer Äther, Lebensäther. Aber all diesem Ätherischen, das in der Wärme, im Lichte, in den chemischen Vorgängen und im Leben existiert, alldem liegt zugrunde ein moralisches Wesen des Weltenäthers. Dieses moralische Wesen des Weltenäthers ist aber nur vorhanden in der Nähe der Gestirne und Planeten. Also wenn Sie auf Erden leben, dann sind Sie, obwohl Sie es bei Tage nicht wissen, auch in dem Weltenäther als moralische Essenz drinnen.“

Das „moralische Wesen“ in den Lichtverhältnissen zu ahnen ist ein Anspruch, der nur auf einer Ebene verwirklicht werden kann, in der die vollkommene Korrespondenz dieses Lichts mit der Natur, einschließlich des eigenen Körpers, wahrgenommen kann- das ist dem systemischen, flüssigen Denkwillen deshalb selbstverständlich, weil man als Leib eben „auch in dem Weltenäther“ mitschwingt.

Aber erlebt wird es als Augenblick des Empfindens vollkommener Schönheit und Vollendung. „Moralisch“ ist die Licht- Erfahrung auch deshalb, weil dieser Einklang aller Erscheinung auch in Bezug auf sich selbst erlebt wird: Man wird der Güte zuteil, denn man geht - so darf man Steiner verstehen- über die passiv erfahrene, vertraute Erscheinung hinaus über auf eine essentielle Ebene - auf der in der Erfahrung des moralischen Wesens im Licht auch das eigene, innerste moralische Wesen wahrnehmbar wird; es gibt auf dieser Ebene darin keinen Unterschied. Es ist etwas, was der Mensch „bei Tage nicht wissen“ kann: Dass seine „Essenz“ moralischer und lichthafter Natur ist.