Die Macht der Meme - Von den Identitären über Dugin bis zu Ganser

Als Meme gelten Ideen, die sich viral verbreiten und haften bleiben - ein vom und durch das Internet geprägter Begriff. Das Haften hat wohl damit zu tun, dass mit der Idee Empfindungen mitschwingen, die ein gewisses Erregungspotential enthalten. Anthroposophisch ausgedrückt, haben diese Ideen eine luziferische Konnotation, wirken ansteckend im Sinne einer geistigen Infektion. Man denkt an Elias Canettis „Masse und Macht“ und natürlich an die verheerenden Auswirkungen von Propaganda und Gerüchten.

Aber heute wird immer augenfälliger wieder offen mit Meme, aber auch mit offensichtlichen Lügen operiert- sei es im Wahlkampf Donald Trumps oder sei es bei der Neuen Rechten im europäischen Raum. Offenbar verfängt heute seit der Flüchtlingskrise, momentan durch die österreichischen „Identitären“, Björn Höcke und die ostdeutsche „Denkfabrik“ Kubitscheks die Angst vor dem Verlust der Identität durch Multikulti und „Völkeraustausch“: „Kubitschek, Sellner und Höcke eint die Angst vor dem „großen Austausch“ oder wie Höckes es nennt, vor der „Multikulturalisierung“. Kubitschek verbreitet seine Thesen im Kampf gegen den „Verlust der eigenen Identität durch Überfremdung“ über seinen Verlag, den Antaios-Verlag. Die Titel heißen etwa: „Zurüstung zum Bürgerkrieg. Notizen zur Überfremdung Deutschlands“, „Die große Gleichschaltung“ oder „Revolte gegen den Großen Austausch”.

Die luziferische Konnotation dabei beruht - ebenso wie beim Brexit- Hass gegenüber der Europäischen Union - offenbar auf einer postmodernen Angst vor Identitätsverlust, der man nationale oder auch rassistische Instinkte entgegen setzen möchte. Da diese Ängste unerkannt bleiben, haben sie eine erhebliche Persistenz. Eine Untersuchung der Universität von Michigan aus den Jahren 2005 - 2006 ging der Frage nach, wie schlecht informierte Menschen - vor allem aus den Milieus politischen Partisanentums, auf die Konfrontation mit belegten Fakten reagieren, die ihre kruden Ideen widerlegen würden: Tatsachen ändern nicht nur nicht die Einstellungen, sondern verstärken sogar den Glauben an die Meme: „Like an underpowered antibiotic, facts could actually make misinformation even stronger“. Was aber könnte denn da noch überzeugen? Gerät die demokratische Diskussion hier nicht an die Grenzen ihrer Kraft, wenn Überzeugung und Argumentation nicht mehr greifen?

Es kommt noch schlimmer. In einem gerade erschienenen Buch des Russland - Insiders Charles Clover,  „Black Wind, White Snow: The Rise of Russia's New Nationalism“ geht dieser auf Putins Denkfabrik ein- vor allem in Person von Russland trans- nationalistischem Ideologen Alexander Dugin, den Clover als langjähriger Mitarbeiter bei der Financial Times Moskau gut persönlich kennt. Dessen faschistisches Gedankengut kleidet sich in den Begriff des Eurasianismus, der nichts anderes beinhaltet als ein neues russisches Großreich - etwas, was Putin seit geraumer Zeit aktiv- politisch, ideologisch und kriegerisch umsetzt. Die Blüte des demokratischen Liberalismus soll gebrochen, zentralistische, autokratische Machtstrukturen etabliert werden, um ein multinationales Imperium unter russischer Führung zu etablieren („turning back the tide of democratic liberalism, re-establishing repressive central control, and bringing to power a regime of patriots, beholden to an imperial concept of Russia, a multinational, multi-ethnic, multi-confessional, but distinctly Russian and distinctly non-Western geopolitical space – ‘Eurasia’“).

Ideologisch wird - nicht zuletzt durch konspirative Medien wie „Russia Today“ in den verachteten demokratischen Staaten- aufgerüstet und subversiv die Öffentlichkeit bearbeitet und möglichst gleichgeschaltet. Putin hat dazu - sowohl im In- wie im Ausland- eine Reihe von Memes etabliert, ja seine ganze Sprachwahl seit 2012 verändert. Intern in Russland ist ein zentraler Begriff das unübersetzbare „passionarnost“, das Gorbatschows Glasnost abgelöst hat: „Putin’s mention of passionarnost in 2012 was part of a pattern of lacing his speeches and writings with a new vocabulary.“ Es bedeutet ein Durchhalten durch eine Leidenszeit - bis zum endgültigen Sieg. Für den Russen schwingen Geschichte, Steppenweiten und jahrelange Gulag- Haft in diesem Begriff mit- ein Leiden, das er gern auf sich nimmt und das an seine nationale Identität rührt. Aber das Leiden kann, wie nicht nur die Ukraine und Syrien zeigen, auch gern und weitflächig exportiert werden.  

In diesem Zusammenhang kommt Clover auch auf die Meme, und zwar im Zusammenhang mit biologischer Infektion, die in diesem Fall exemplarisch ist für die geistige Infektion durch die ideologisierten Begriffe: „British evolutionary biologist Richard Dawkins has put forward a similar theory of ‘memes’ – which he describes as simple units of cultural information whose primary characteristic is the ability to replicate and spread virally through their interaction with other memes through a version of natural selection. As Dawkins puts it: ‘When you plant a fertile meme in my mind you literally parasitize my brain.’“ Für Clover ist vor allem der Nationalismus das Zündende im geistigen Infekt, denn das darin Mitschwingende hat eine instinktive, verborgene Eigendynamik, der man kaum etwas entgegen setzen könne: „Nationalism wins out not because nationalists are better, or stronger, or more capable, but because nationalism itself appears to possess inherent characteristics that allow it to vanquish other memes in a fair fight.

Für die Anthroposophen kann man die bei ihnen grassierende Meme anhand der hier im Blog beschriebenen, immer wieder vorgetragenen Thesen eines Daniele Ganser studieren. Die irritierte Identität reagiert luziferisch- empfindlich auf angebliche Verschwörungen von Seiten „der da oben“, der Europäischen Union und den USA. Dass derlei überall in der Rechten - ob bei den „Identitären“, UKIP oder der AfD grassiert und denkbar banal daher kommt, ist dabei völlig nebensächlich, solange die entsprechenden Emotionen bedient werden. Wenn die Meme grassiert, kann sie durch Argumente nicht mehr widerlegt werden, sondern verbreitet sich als „öffentliche Meinung“ in den Köpfen, die nicht widerstehen. „Öffentliche Meinung“ ist in der spezifisch okkulten Sicht Rudolf Steiners ein quasi- dämonisches Massenphänomen:

Es sind von diesen Wesenheiten der höheren Hierarchien welche zurückgeblieben, haben luziferischen Charakter angenommen. Und zu dem, was einzelne von ihnen ausleben, gehört zum Beispiel das, was wir heute öffentliche Meinung nennen. Öffentliche Meinung wird nicht bloß von Menschen gemacht, sondern auch von einer gewissen Art auf der untersten Stufe stehender luziferischer Geister, zurückgebliebener Angeloi, Archangeloi. Diese beginnen erst ihre luziferische Laufbahn, sind noch nicht sehr hoch gestiegen in der Rangordnung der luziferischen Geister; aber luziferische Geister sind es. Man kann mit Seherblick verfolgen, wie gewisse Geister der höheren Hierarchien die Entwickelung nach dem Mysterium von Golgatha nicht mitmachen, wie sie sich verhärten in der alten Art der Führung und daher nicht unmittelbar an die Menschen herankommen können. Die, welche die Entwickelung mitgemacht haben, können in einer regulären Weise an den Menschen herankommen; die sie nicht mitgemacht haben, können nicht heran, und sie wirken in einer verschwommenen, durcheinanderflutenden Gedankenmacht der öffentlichen Meinung.“ (GA 141.128f)