Die Substanz der Stille

Wenn die Stille sprechend wird, spricht es von allen Seiten. Das Feld, die Wolken, das Blau des Himmels, das Rascheln der Pappeln bekommen auf einmal eine Stimme. Aber der Stimmen sind viele. Nicht zuletzt beginnt aus dem Inneren eine zarte Regung, die sich Raum schafft, wie eine aufbrechende Quelle, wie ein Küken, das schlüpft. Es ist eine Stimme, die in vielen Sprachen spricht, aber doch sprachlos bleibt.

Sie spricht in der Wärme, die sich aufmacht, nicht nur sich selbst zu wärmen, sondern sich in der Selbstaufgabe zu entzünden. Es ist ein Denken, das nicht in den Floskeln und festen Schritten hängt, sondern sich wie ein unberechenbarer Bach ständig neue Wege schafft, noch ohne Form, doch Spuren hinterlassend. Es ist ein Licht, das nichts bescheint, sondern in sich wirkend neue Räume sucht.

Wenn die Stille sprechend wird, wird die Ruhe zu einem Punkt der Erwartung. Absichtslos beginnt es an den Rändern zu dämmern und Wellen branden aus einem Umkreis heran, der bislang völlig unbekannt war. Welle für Welle brandet ans Herzinnere heran, belebendes, warmes Anderes und zugleich Vertrautes. Innen und Außen sprechen die gleiche Sprache. Inneres und äußeres Leben jenseits des bloß Vegetativen begegnen sich und konstituieren eine Mitte, die bislang nichts von sich wusste.

In dieser Mitte steht das Haus, das alle Stürme übersteht, auch wenn es nicht aus Stein, Holz oder Rohr errichtet wurde, sondern nur aus der reinen Substanz der Stille.