Anthroposophische Kulminationen

Kulmination einer anthroposophischen Veranstaltung
Dem einen kommt es so vor, als bestünde die Entwicklung der anthroposophischen Bewegung in einer Art Kulmination galoppierender Irrelevanzen, die in trüben Zweigversammlungen ältlicher und griesgrämiger Mitglieder, einiger Impfgegner und Anhänger bizarrer Verschwörungstheorien ihr spirituelles Dasein hoch halten, aber den Beseelten und Beflügelten erscheint das natürlich ganz anders. Schließlich hatte Herr Doktor für das Ende des letzten Jahrtausend eben diese anthroposophische Kulmination voraus gesagt, für die diejenigen, die Anfang des 20. Jahrtausend ihn persönlich erlebt hätten, extra eine Zwischeninkarnation einschieben würden, um in einem Gemeinsam - sind- wir- stark Anthroposophie zum fulminanten Durchbruch zu verhelfen: „Diejenigen Persönlichkeiten, die jetzt durch ihr Karma in ihrer Verbundenheit mit der Michael -Herrschaft in die anthroposophische Bewegung herein treten, werden unter Durchbrechung von mancherlei Wiederverkörperungsgesetzen mit der Wende des 20., 21. Jahrhunderts wieder erscheinen, um dann dasjenige, was sie jetzt tun können im anthroposophischen Dienst der Michael-Herrschaft, zur Kulmination, zum vollen Ausdruck zu bringen." (GA 240.234) In dieser Hinsicht ist es ein bißchen wie mit den Weltuntergangs- Prophezeiungen der Zeugen Jehovas - was macht man, wenn von eben dieser Kulmination so gar nichts zu bemerken ist - dümpelt doch die wirtschaftliche, soziale und politische Bedeutung dieser Bewegung - von den Tochtergesellschaften abgesehen- eher im Untergeschoss hinter pfirsichblütfarben angestrichenen Zweigwänden vor sich hin?

Natürlich deutet man es um. In öffentlichen Diskussionen wird von Anthroposophen behauptet, dass man nicht das halbleere, sondern das halmvolle Glas beachten müsse, denn ohne die fulminante spirituelle Arbeit zahlreicher reinkarnierter Anthroposophen sei die gesamte Zivilisation längst ausgerottet, wir hätten es nur nicht gemerkt- getreu den Visionen Steiners: „Diejenigen Menschen die mit völliger Intensität drinnen stehen in der anthroposophischen Bewegung, werden am Ende des Jahrhunderts wieder kommen. Es werden sich dann andere mit ihnen vereinigen, weil dadurch eben jene Rettung der Erdenzivilisation vor dem Verfall letztgültig entschieden werden muß.“ (GA 237.147)

Nun sei laut Rudolf Steiner in derselben zeitlichen Epoche (3 x 666 Jahre) auch eine Kulmination des Bösen, nämlich eine körperliche Inkarnation des Antichristen Ahriman selbst zu erwarten. Die komplizierten Erklärungen, warum Steiner in diesem Zusammenhang 1933 völlig übersehen haben mag, überspringen wir an dieser Stelle. Stattdessen konzentrieren wir uns auf einige Kennzeichen der ahrimanischen Attacke, wie sie Steiner dargestellt hat. Für die „Vorbereitung für die Inkarnation des Ahriman“ sei nämlich unabdingbar, „alles zu schüren, was die Menschen heute in kleine Gruppen zerteilt, die sich gegenseitig befehden.“ (GA 193.171) Das allerdings scheint, seit Facebook, Twitter und der Infantilisierung von Politik und Öffentlichkeit, eine nicht so üble Charakterisierung gegenwärtiger Kulmination- allerdings auch eine, die den Zustand der anthroposophischen Bewegung selbst treffend beschreibt. Die Kulmination intellektueller Raffinesse durch spezifische Nahrungsmittel (McDonald? Pommes rot- weiß?) - eine weitere Charakterisierung Steiners- allerdings lässt sich heute, zum von Steiner angegebenen Zeitpunkt nach der Jahrtausendwende, ebenso wenig erkennen wie eine „Zauberschule“, die die Massen zu spontaner Hellsichtigkeit treiben würde, auch wenn sich Alexander Dugin einige Mühe geben mag: „Ahriman würde den Menschen durch die grandiosesten Künste alles das bringen, was bis dahin nur mit großer Mühe und Anstrengung erworben werden kann an hellseherischem Wissen, wie es hier gemeint ist. Denken Sie sich wie unendlich bequem das sein würde. Die Menschen würden gar nichts zu tun brauchen. Sie würden materialistisch hinleben können und würden sich nicht zu kümmern brauchen um irgendein Geistesstreben. Wenn im richtigen Zeitpunkt Ahriman in der westlichen Welt inkarniert wird, würde er eine große Geheimschule gründen, darin würden die grandiosesten Zauberkünste getrieben werden. Er würde die Menschen in großen Mengen durch Zauberkünste zu Hellsehern machen können.“

Es ist auch unwahrscheinlich, dass Hellsichtigkeit das Ziel des frisch gekürten Twitter- Meisters Donald Trump sein wird. Nichtsdestotrotz sehen Anthroposophen wie die australische Bestseller- Autorin Adriana Koulias in Trump zumindest einen ahrimanischen Vorläufer: „Trump has put people to sleep. Time to wake up and see the damage...but of course many will not want to face up to what they have done - but the important thing is this: he will bring about the right conditions for Ahriman. Ahriman must come. The important thing now is consciousness of who he is, and he will not come from outside of Anthroposophy.

In den Augen der Autorin ist die anthroposophische Kulmination also immerhin zur ahrimanischen verrutscht; der Antichrist muss, wenn schon, denn schon, doch wenigstens Anthroposoph sein. Ob Mr. Trump das weiß? Ob Mr. Antichrist sich an die Anweisungen aus Australien hält? Wir machen für alle Fälle eine Kerze an und meditieren ein paar Mantren.

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Dank an Wolfgang Hier das Video zum oberen Screenshot. Gerhard Schuster, Daniel Schily und Michaela Glöckner zum Thema Europa- Zeitenschicksal und Kulturaufgabe