Ist die Anthroposophische Gesellschaft ihren Aufgaben gewachsen? Helmut Zander und Monika Elbert zum Zustand und zu Perspektiven der Anthroposophischen Gesellschaft


Wie werden Zustand und Perspektiven der organisierten anthroposophischen Bewegung eingeschätzt?  Während die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft (AAG) in den Verlautbarungen ihrer Funktionäre aus einer Haltung des Aufbruchs und der inneren Erneuerung heraus agiert, beleuchtet die kritische Forschung fundamentale Herausforderungen, die das aktuelle anthroposophische Selbstverständnis ebenso wie die gesellschaftliche Positionierung maßgeblich prägen.

Aus interner Perspektive, wie sie etwa durch Monika Elbert, die Generalsekretärin der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland (AGID), artikuliert wird, steht die Bewegung an der Schwelle zu einem umfassenden „Gestaltungsauftrag“ für ihr „zweites Jahrhundert“. 

Dazu einige Stichworte:

* Gestaltungsauftrag: Die Anthroposophische Gesellschaft stehe am Beginn eines „2. Jahrhunderts der Anthroposophie“ und müsse sich den Fragen nach ihrem „Gestaltungsauftrag“ und der Wirksamkeit in der Welt zuwenden.

* Herausforderungen aus geistiger Perspektive: Die aktuellen „Herausforderungen“ müssten aus einer „geistigen Perspektive“ verstanden und mit „neuen inhaltlichen Zugängen“ bewältigt werden.

* Interne Dissonanzen: Es habe in den vergangenen Jahren „Dissonanzen“ gegeben, insbesondere im Umgang mit der Corona-Pandemie, deren Aufarbeitung für eine „stärkere Bewusstseinsbildung“ in Bezug auf zukünftige Herausforderungen notwendig sei.

* Strukturelle Anpassung: Die Statuten und die Gliederung der AAG müssten weiterentwickelt werden, um eine „zeitgemäße sozialkünstlerische Form“ zu finden, die eine bessere Zusammenarbeit bei anspruchsvollen Aufgaben ermögliche. Ein Vorschlag für ein externes Gremium zur Vorstandsfindung wurde jedoch abgelehnt, um die „Arbeitsfähigkeit“ des Vorstands zu schützen.

* Hohe Aufgabenfülle: Elbert selbst erwähnt, dass ihre Aufgabenfülle zu groß sei, um überall persönlich mitzuwirken.

* Perspektiven:

* Bereitschaft zum Wachstum: Entscheidend sei die Bereitschaft, an den gestellten Aufgaben zu wachsen und sich gegenseitig zu fördern, was nur geschehen könne, wenn man die Aufgaben „liebe“.

* Gemeinsames Engagement: Die Zukunft der Anthroposophie werde durch das gemeinsame Wachstum und die Berücksichtigung der Anliegen der weltweiten Mitgliedschaft gestaltet.

* Konvent zur Statuten- Entwicklung: Die Einsetzung eines „Konvents“ (Arbeitskreis) zur Fortschreibung der Statuten mit Vertretern aus verschiedenen Ländern zeige den Willen zur Klärung und Anpassung.

* Offener Gesprächsraum: „Dialogforen“ hätten einen offenen Gesprächsraum geschaffen, der es dem Vorstand ermögliche, die Probleme der Mitglieder besser zu erfassen und umgekehrt die Komplexität der Herausforderungen für die Verantwortlichen deutlicher zu machen. Elbert sieht darin einen wichtigen „Begegnungs- und Arbeitsraum“.

* Individuelle und kollektive Entwicklung: Das „Ich wächst ja bekanntermaßen am ehrlichen Ringen um wesentliche Fragen“, was sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Entwicklung fördere.

Die gegenwärtige Generalversammlung der AAG hatte sich auf die essenzielle Frage konzentriert, ob man den anstehenden Aufgaben gewachsen sei – eine Frage, die Elbert (2)  beantwortet, indem sie die Bereitschaft zum inneren Wachstum, zur gegenseitigen Förderung und zur tiefen „Liebe zu den Aufgaben“ hervorhebt. Diese Formulierungen zeigen an, dass die Meisterung gegenwärtiger und zukünftiger Herausforderungen mit der kollektiven Anstrengung der Mitglieder verbunden ist: Die ganzen Formulierungen haben Appell- Charakter. Denn die konkreten Zeichen der eingeforderten neuen inneren Dynamik und der zukunftsorientierten Ausrichtung sollen keinesfalls zu mehr konkreten gesellschaftlichem Engagement oder neuen geistigen Erkenntnisformaten führen, sondern zur Lösung Jahrzehnte alter interner Konflikte. Das zeigen die geplante Einsetzung eines „Konvents“ zur Weiterentwicklung der Statuten der AAG. Dieses Gremium ist beauftragt, eine „zeitgemäße sozialkünstlerische Form“ zu gestalten, welche die Zusammenarbeit zwischen der Hochschule für Geisteswissenschaft, den unternehmerischen Aktivitäten und den initiativen Lebens- und Forschungsfeldern der Mitgliedschaft optimieren soll. „Zeitgemäß“ bedeutet in Anthroposophie- Speech eigentlich immer, dass etwas auf die ganz lange Bank geschoben werden soll. Des Weiteren wird die Aufarbeitung jüngster „Dissonanzen“, insbesondere im Kontext der Corona-Pandemie, als unerlässlicher Schritt zur Vertiefung der „Bewusstseinsbildung“ und zur Stärkung der Resilienz der Gesellschaft gegenüber zukünftigen Krisen gesehen. Die etablierten Dialogforen werden als produktive Räume für Verständigung und Begegnung hervorgehoben, die sowohl der Führungsebene ein besseres Verständnis der Mitgliederanliegen ermöglichen als auch die Komplexität der Verantwortungsbereiche transparent machen. Diese Bestrebungen zielen darauf ab, die interne Kohäsion zu festigen und die Wirksamkeit der Bewegung in der Welt zu erhöhen. All das ist gut und schön. Aber bei aller Entschlossenheit Frau Elberts scheinen die typischen anthroposophischen Standpunkte in Fragen wie Corona- Aufarbeitung unerschütterlich bis unverbesserlich, Man kann da ewig von „zeitgemäßer sozialkünstlerischer Form“ der Aufarbeitung schwadronieren. Wer sich gern im Kreis dreht, lässt sich kaum aufhalten. 

Der Blick von außen

So ist es auch nicht verwunderlich, dass Professor Helmut Zander (1) deutlich weniger optimistisch auf die anthroposophische Bewegung schaut. Kritisch sieht er:

* Akademische Isolation: Die Anthroposophie leidet unter einer geringen akademischen Vernetzung und einer „Interpretationsblase“, die den Anschluss an wissenschaftliche Debatten erschwert. Interne Publikationen genügten oft nicht wissenschaftlichen Standards, auch wenn sie wertvolle Quellen darstellten.

* Dogmatismus und Geschichtsklitterung: Zander kritisiert das Vorhandensein „hoch dogmatischer Anthroposophen“, die beispielsweise radikale Impfverweigerung und Verschwörungserzählungen (im Kontext der Corona-Krise) verbreiteten und Verbindungen zu rechtsextremen Kreisen aufwiesen. Er bemängelt die mangelnde Bereitschaft vieler Anthroposophen, Steiners rassistische Theorien zu historisieren und sich politisch davon zu distanzieren. Auch die „Gesamtausgabe“ von Steiners Werken wird als „Leseausgabe für Anthroposophinnen“ kritisiert, die „massive Eingriffe mit weltanschaulichen Interessen“ aufweise.

* Demokratiedefizit: Zander identifiziert ein von Steiner gewolltes „strukturelles Demokratiedefizit“, das auf dem theosophischen Prinzip der „nicht diskutierbaren ‚höheren‘ Einsicht“ basiere.

* Unaufgearbeitete Geschichte: Es fehle an umfassender Forschung zur Nachkriegsgeschichte der Anthroposophie, insbesondere zu ihrer Institutionalisierung, ihren Verstrickungen im Nationalsozialismus und ihren politischen Affiliationen nach 1945.

* Verdrängte Wurzeln: Steiner habe theosophische Bezüge systematisch eliminiert, was die Forschung bis heute präge und zu einem „kontrafaktischen“ Verständnis seiner Entwicklung führe.

* Perspektiven:

* Potenzial der Forschung: Die Öffnung des Rudolf Steiner-Nachlassverwaltungs-Archivs sei eine „Zeitenwende“ für die Forschung.

* Konstruktiver Dialog: Zander plädiert für die Überwindung einer „Counter-Dependenz“ zwischen akademischer Forschung und Anthroposophie, um einen fruchtbaren, sachbezogenen Dialog zu ermöglichen, der von gegenseitigem Verständnis und der Akzeptanz unterschiedlicher Erkenntnismodelle geprägt sei.

* Historisierung und Kontextualisierung: Die Anthroposophie müsse in ihren komplexen historischen und kulturellen Kontexten betrachtet werden, um ihre Entwicklungen und Widersprüche zu verstehen.

* Globale Perspektive: Die zunehmende Globalisierung der Anthroposophie biete ein großes, aber noch weitgehend unerforschtes Feld.


Dies steht also als externe, akademische Perspektive, wie sie von Religionswissenschaftlern wie Helmut Zander formuliert wird, die eine kritischere Einschätzung der aktuellen Lage und der Zukunftsaussichten der anthroposophischen Bewegung vorlegen. Zander charakterisiert die Forschung zur Anthroposophie als ein „einsames Geschäft“, die unter unzureichender akademischer Vernetzung leide und deren interne Literatur oft nicht den anerkannten wissenschaftlichen Standards entspreche. 

Ein zentrales Problemfeld, das von der externen Kritik persistent beleuchtet wird, betrifft die wissenschaftlichen Ansprüche der Anthroposophie selbst. Der von Rudolf Steiner begründete Anspruch einer „Geisteswissenschaft“, die „verbindliche Aussagen über ,höhere Welten‘“ zu treffen vermag, kollidiert  mit dem Fehlen empirischer Überprüfbarkeit dieser Erkenntnisse. Dieser grundsätzliche Methodenkonflikt durchzieht die Rezeption der anthroposophischen Praxisfelder in der Gegenwart. So wird die Waldorfpädagogik, trotz ihrer globalen Verbreitung und ihres ganzheitlichen Erziehungsansatzes,  für die mangelnde wissenschaftliche Fundierung einiger ihrer Methoden und den mitunter intransparenten Einfluss anthroposophischer Inhalte auf den Schulalltag kritisiert. Auch die fortgesetzte Debatte um Rudolf Steiners teils problematische Äußerungen, die den Vorwurf des Rassismus nähren, wird hier als aktuelle ethische und pädagogische Herausforderung verstanden, ungeachtet der Distanzierungen von Seiten der Waldorfschulen. Ähnlich verhält es sich mit der biologisch-dynamischen Landwirtschaft (Demeter): Obwohl ihre positiven Effekte auf die Bodengesundheit und das ganzheitliche Prinzip des „Hofs als Organismus“ Anerkennung finden, bleibt die wissenschaftliche Skepsis hinsichtlich der Wirksamkeit spezifischer Präparate in der modernen Agrarwissenschaft bestehen. Die anthroposophische Medizin, die sich als ganzheitliche Ergänzung zur Schulmedizin versteht, muss sich ebenfalls der Kritik stellen, dass für  Therapien oft die evidenzbasierten Wirksamkeitsnachweise fehlen.

Darüber hinaus werden aktuelle soziale und politische Aspekte der Bewegung kritisch beleuchtet. Der intern hoch geschätzte „libertäre Individualismus“ geriet beispielsweise im Zuge der Corona-Pandemie in den Fokus, da er extern mit einer hohen Anfälligkeit für Verschwörungstheorien, Impfskepsis, Putinismus und Anti- Amerikanismus in Verbindung gebracht wurde. Es sind nicht nur die stramm rechten Schweizer Freunde, die sich in „Der Europäer“ artikulieren, die sich im Verlauf der Pandemie zu immer seltsameren Positionen durchgebohrt haben. 9/11- Verschwörungstheorien haben in der Szene seit jeher großen Zulauf- und vieles andere mehr. Dies wirft Fragen bezüglich der gesellschaftlichen Verantwortung und der Abgrenzungs- Fähigkeit des Milieus auf. Auch ein von außen wahrgenommenes „strukturelles Demokratiedefizit“ in den Governance-Strukturen der AAG und ein mögliches Potenzial für Autoritarismus, das die Bewegung trotz ihrer Betonung individueller Freiheit birgt, bleiben Gegenstand kritischer Auseinandersetzung und beeinflussen ihre aktuelle Funktionsweise. Zudem werden persistente externe Bedenken hinsichtlich potenzieller Überschneidungen und der Instrumentalisierung durch rechtsextreme Akteure geäußert, auch wenn die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland sich explizit von solchem Gedankengut distanziert.

Die globale Verbreitung der Anthroposophie, die sich in der Zunahme von Mitgliedern und Initiativen in Ländern wie Südkorea und afrikanischen Regionen manifestiert, stellt einerseits ein Zeichen der Vitalität und des Wachstums dar. Andererseits unterstreicht sie die Notwendigkeit einer differenzierten akademischen Betrachtung, wie sich anthroposophische Ansätze aktuell an vielfältige kulturelle Kontexte anpassen und dort wirken.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass der gegenwärtige Zustand und die zukünftige Entwicklung der anthroposophischen Bewegung von einem Spannungsfeld geprägt sind. Die interne Perspektive ist zumindest vordergründig von einem Impuls zur organisatorischen Erneuerung, zur Vertiefung der geistigen Grundlagen und zur Steigerung der gesellschaftlichen Wirksamkeit geprägt. Die akademische und kritische Außenansicht hingegen fordert eine transparente Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Basis ihrer Praxisfelder, den ethischen Implikationen ihrer Gründungslehren und ihrer Rolle in aktuellen gesellschaftlichen Debatten. Die Zukunftsfähigkeit der Anthroposophischen Gesellschaft wird maßgeblich davon abhängen, inwieweit es ihr gelingt, dieses Spannungsfeld produktiv zu gestalten, eine Balance zwischen der Bewahrung ihrer Identität und der notwendigen Anpassung zu finden sowie einen konstruktiven und transparenten Dialog mit der kritischen Öffentlichkeit zu pflegen. Letztlich zeigt sich in den Appellen von Frau Elbert aber eben auch, wie stark die anthroposophische Mitgliedschaft von lähmenden Konflikten geprägt ist, die zu einer andauernden Beschäftigung mit sich selbst führen.


Die Anthroposophische Gesellschaft: Zustand und historische Konflikte

Die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft (AAG) wurde 1923 gegründet, als Steiner die frühere Anthroposophische Gesellschaft aus theosophischen Wurzeln (gegründet 1912/13) in Dornach neu belebte. Nach Steiners Tod kam es zu teils heftigen internen Konflikten, etwa dem „Nachlassstreit“ zwischen Marie Steiner-von Sivers und Ita Wegman, sowie dem „Urnenstreit“ um Steiners Bestattungsort, die die Gesellschaft lange prägten und zu Ausschlüssen führten.

Über die Jahrzehnte hinweg durchlief die Gesellschaft einen Wandel, den Ansgar Martins (1) als Übergang von der „Herr-Doktor-Generation“ zu einer stärker sozial und politisch engagierten „Rudi-Generation“ beschreibt. Das frühere Verständnis, das die spirituelle Lehre vor der Öffentlichkeit schützte, wich einer stärkeren Hinwendung zur Gesellschaft durch die Etablierung zahlreicher Praxisfelder.

Die Mitgliederzahlen der AAG zeigten jedoch seit den späten 1980er Jahren einen Rückgang. Von über 50.000 Mitgliedern zur Jahrtausendwende sank die Zahl weltweit auf etwa 42.000 aktive Mitglieder im Jahr 2025, wobei die deutsche Landesgesellschaft 2019 rund 12.403 Mitglieder zählte. Monika Elbert, Generalsekretärin der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland (AGID), sieht die Gesellschaft im „2. Jahrhundert der Anthroposophie nach Rudolf Steiner“ vor der Aufgabe, sich den Fragen des „Gestaltungsauftrags“ und der Wirksamkeit in der Welt zuzuwenden. In der neuesten  Zeit scheinen die Mitgliederzahlen im deutschsprachigen Raum auch wieder zuzunehmen.


Kritische Stimmen und problematische Aspekte

Von außen, insbesondere aus wissenschaftlicher und journalistischer Perspektive, werden verschiedene kritische Punkte an der Anthroposophie und ihren Gründungslehren angeführt:

 * Rassismusvorwürfe: Rudolf Steiner formulierte in seinem umfangreichen Werk Äußerungen, die heute als rassistisch und diskriminierend gelten, wie etwa seine Aussagen über verschiedene „Menschenrassen“ und deren Eigenschaften. Auch wenn Anthroposophen wie der Bund der Freien Waldorfschulen betonen, dass Steiner keine „Rassenlehre“ im Sinne einer Überlegenheitsideologie vertrat und Rassismus in ihrer Pädagogik nicht geduldet wird, halten Kritiker wie Helmut Zander die interne Auseinandersetzung für unzureichend. Der Deutschlandfunk Nova berichtet, dass die Waldorfschulen sich von diskriminierenden Formulierungen Steiners ausdrücklich distanzieren.

 * Wissenschaftliche Fundierung und Esoterik: Anthroposophie beansprucht, eine „Geisteswissenschaft“ zu sein, die „verbindliche Aussagen über ,höhere Welten‘“ machen kann. Kritiker bemängeln jedoch, dass viele anthroposophische Methoden und Annahmen, insbesondere in den Praxisfeldern, nicht empirisch belegt sind und im Widerspruch zu modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen. Zander spricht von einer „Interpretationsblase“, die den wissenschaftlichen Diskurs erschwere.

 * Verschwörungstheorien und Querdenkertum: Insbesondere während der Corona-Pandemie wurde die Nähe des anthroposophischen Milieus zu Verschwörungstheorien und Impfskepsis thematisiert. Untersuchungen deuteten darauf hin, dass die Impfbereitschaft bei Anhängern alternativer Heilmethoden tendenziell geringer ist. Diese Verbindungen werden oft mit dem bereits erwähnten „libertären Individualismus“ erklärt, der zu einer kritischen Haltung gegenüber staatlichen Maßnahmen und einer Neigung zu eigenständigen Interpretationen führt.

 * Autoritarismus und Demokratiedefizit: Trotz der Betonung von Individualität und Freiheit wird der Anthroposophie auch ein „autoritäres Potential“ zugeschrieben. Zander spricht von einem „strukturellen Demokratiedefizit“, das in der Betonung einer „höheren Einsicht“ wurzele. Die Goetheanum-Statuten spiegeln beispielsweise eine vom Gründer festgelegte hierarchische Struktur wider.

 * Verbindungen zum Rechtsextremismus: Während die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland sich ausdrücklich von rechtsradikalen, rassistischen und antisemitischen Gruppierungen distanziert, wird von Verfassungsschützern und kritischen Forschenden darauf hingewiesen, dass Rechtsextremisten gezielt esoterische Milieus, einschließlich des anthroposophischen, für ihre Zwecke zu erreichen versuchen.


Globale Verbreitung und regionale Anpassungen

Die Anthroposophie hat sich global verbreitet, und die AAG verzeichnet Mitglieder in über 60 Ländern. Die Generalversammlung 2025 begrüßte die Vertreterin der neu gebildeten südkoreanischen Landesgesellschaft sowie eine mehrere Länder umfassende Gruppe aus Afrika.

Die Bewegung hat sich in verschiedenen Kulturen unterschiedlich entwickelt. In Rumänien konnte sich die Anthroposophie während des Kommunismus behaupten und adaptierte Elemente der orthodoxen Spiritualität, um ihre Existenz zu sichern und neue Mitglieder zu gewinnen. In Bulgarien überlebte die Anthroposophie unter schwierigen politischen Bedingungen und fand in den 1990er Jahren neuen Aufschwung. Dort kam es auch zu einem intensiven Austausch mit der theosophisch beeinflussten „Weißen Bruderschaft“. Diese regionalen Studien zeigen die Fähigkeit der Anthroposophie, sich an lokale Gegebenheiten anzupassen, stellen aber aus akademischer Sicht auch noch Forschungsdefizite dar.


Perspektiven und zukünftige Herausforderungen

Die Anthroposophische Gesellschaft steht an einem Scheideweg, der von internen Reformbestrebungen und externen kritischen Fragen geprägt ist.

Aus interner Sicht (Monika Elbert) liegt der Fokus auf dem „gemeinsamen Wachsen in die Zukunft“ und der Stärkung der „Arbeitsfähigkeit“ des Vorstands. Die Statutenreform und die Aufarbeitung vergangener Dissonanzen sollen die Gesellschaft resilienter machen. Der offene Dialog in „Dialogforen“ wird als wichtiger Schritt zur Überwindung von Problemen und zur Förderung des Verständnisses zwischen Mitgliedern und Führungsebene gesehen.

Aus akademischer Perspektive (Helmut Zander) sind die Perspektiven für die Anthroposophieforschung eng an die Bereitschaft der Gesellschaft geknüpft, sich einer kritisch-historischen Auseinandersetzung zu stellen. Zander plädiert für die Überwindung einer „Counter-Dependence“ zwischen Forschenden und Anthroposophen, um eine sachbezogene Debatte zu ermöglichen und die Bewegung in ihren komplexen historischen und kulturellen Kontexten zu verstehen. Die Öffnung von Archiven bietet hierbei neue Möglichkeiten für die Forschung.

Insgesamt bewegt sich die Anthroposophische Gesellschaft in einem Spannungsfeld zwischen der Bewahrung ihrer einzigartigen esoterischen Tradition und der Notwendigkeit, sich den Herausforderungen der modernen Welt – wissenschaftlicher Skepsis, gesellschaftlichen Vorwürfen und dem Wunsch nach Transparenz – zu stellen. Die zukünftige Entwicklung wird davon abhängen, inwieweit es ihr gelingt, diese Spannungen produktiv zu gestalten und sowohl ihre innere Kohärenz zu wahren als auch einen konstruktiven Dialog mit der Außenwelt zu führen.


Quellen:

Hintergrund- Recherche:

 * Die Stufen der Höheren Erkenntnis - Rudolf Steiner Online Archiv. (http://anthroposophie.byu.edu/schriften/012.pdf)

 * Der eigenwillige Blick des Anthroposophie-Gründers Rudolf Steiner auf Jesus Christus - reformiert.info. (https://reformiert.info/de/glaube/der-eigenwillige-blick-des-anthroposophie-gruenders-rudolf-steiner-auf-jesus-christus-24558.html)

 * Anzahl der Anthroposophen weltweit - AnthroWiki. (https://anthrowiki.at Anzahl_der_Anthroposophen_weltweit)

 * Anthroposophische Gesellschaft - Wikipedia. (https://de.wikipedia.org/wiki/Anthroposophische_Gesellschaft)

 Statuten der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft - Goetheanum. (https://www.goetheanum.org/mitglieder/statuten)

 Gründungs-Statut der Anthroposophischen Gesellschaft von 1923 - Goetheanum. (https://www.goetheanum.org/mitglieder/gruendungs-statut-1923)

 *Frankfurter Memorandum: Rudolf Steiner und das Thema Rassismus - Bund der Freien Waldorfschulen. (https://www.waldorfschule.de/fileadmin/downloads/Erklaerungen/Frankfurter_Memorandum_Deutsch.pdf)

 * The Presence of Anthroposophy in Romania and Its Interaction with Orthodox Spirituality - Academia.edu. (https://www.ih-acad.ro/wp-content/uploads/2016/11/The-Presence-of-Anthroposophy-in-Romania-and-Its-Interaction-with-Orthodox-Spirituality.pdf)

 *Die Anthroposophische Gesellschaft in Bulgarien. - uni-regensburg.de. (https://www.uni-regensburg.de/assets/philosophie-kunst-geschichte-gesellschaft/religionswissenschaft/schlesischer_theosophie-blog/Anthr_Bulgarien.pdf)

 * Bulgaria's 'White Brotherhood' - Radio Free Europe/Radio Liberty. (https://www.rferl.org/a/bulgarias-white-brotherhood/25078516.html)

 * Anthroposophie und Corona-Proteste - Deutscher Bundestag. (https://www.bundestag.de/resource/blob/922376/a9712a4aca2c5e401f49a2649d29bb3a/WD-1-024-22-pdf-data.pdf)

 * Fake-News-Expertin Nocun: "Gefahr von Homöopathie unterschätzt" | BR24. (https://www.br.de/nachrichten/wissen/fake-news-expertin-nocun-gefahr-von-homoeopathie-unterschaetzt,SqXZl1S)

 * Anthroposophie und Corona-Proteste - Deutscher Bundestag (doppelt, gleiche Quelle wie 8.1). (https://www.bundestag.de/resource/blob/922376/a9712a4aca2c5e401f49a2649d29bb3a/WD-1-024-22-pdf-data.pdf)

 * Vom spirituellen Umweltschutz zum Rechtsextremismus - Zentrum Liberale Moderne. (https://libmod.de/nc-esoterik-farn-radikalisierung-im-umweltschutz/)

 * Die Anthroposophie - Rudolf Steiners Ideen zwischen Esoterik, Weleda, Demeter und Waldorfpädagogik Ferdinand Schöningh. (https://www.unifr.ch/screl/fr/assets/public/Zander%20-%20Die%20Anthroposophie%20(2019)%20Leseprobe.pdf)

 * Erziehung zur Anthroposophie. Darstellung und Kritik der Waldorfpädagogik. Neu herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von - peDOCS. (https://www.pedocs.de/volltexte/2025/33109/pdf/Prange_Buck_2025_Erziehung_zur_Anthroposophie.pdf)

 * Was ist Waldorfpädagogik - die Grundprinzipien - Freie Waldorfschule Saar-Hunsrück. (https://www.waldorfschule-saar-hunsrueck.de/was-ist-waldorfpaedagogik/)

 * Biodynamische Präparate - Demeter. (https://www.demeter.de/biodynamische-praeparate)

 * Ratgeber Anthroposophische Medizin - WALA Arzneimittel. (https://www.walaarzneimittel.de/ratgeber-gesundheit/anthroposophische-medizin)

 * Anthroposophische Heilpädagogik und Sozialtherapie - Anthrosocial. (https://www.anthrosocial.ch/files/anthrosocial/content/Dokumente_Deutsche%20Seite/PDFs/Angebote/Publikationen/Brosch%C3%BCren/Broschuere_1_Anthr._Heilpaedagogik_und_Sozialtherapie.pdf)

 * Heilpädagogik & Sozialtherapie – Wegweiser Anthroposophie – Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft. (https://www.anthroposophie.or.at/anthroposophie/heilpaedagogik-sozialtherapie/)

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 * 1) Aus dem vom Nutzer bereitgestellten Dokument "Viktoria Vitanova-Kerber, Helmut Zander (Hrsg.) ANTHROPOSOPHIE - FORSCHUNGFORSCHUNGSSTAND - PERSPEKTIVEN - LEERSTELLEN. 2023 bei den Autorinnen und Autoren, Zusammenstellung © 2023 Viktoria Vitanova-Kerber und

Helmut Zander, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Buch ist als Open-Access-Publikation verfügbar über www.degruyter.com

* 2) „Sind wir unseren Aufgaben gewachsen?“.pdf] Aus dem vom Nutzer bereitgestellten Dokument https://www.anthroposophische-gesellschaft.de/blog/sind-wir-unseren-aufgaben-gewachsen