Achtung, da telefoniert doch jemand oder: Die Mainstream- Wissenschaft wird anthroposophisch enttarnt


Die Initiative der Medizinischen Sektion am Goetheanum https://anthroposophie.org/de/nachrichten/dialog-veranstaltung-mobilfunk

Theorien zu den unbeschreiblichen Gefahren des Mobilfunks gibt es, seitdem tragbare Telefone, WLAN und das interne Festtelefon existieren. Ende der 70er raunte auch mein damaliger anthroposophischer Hausarzt, die homöopathischen Medikamente würden immer weniger wirken, da die Ätherleiber der Menschen wegen der allgegenwärtigen Strahlung verhärteten. Nun warten wir gespannt auf die schon von Vorstandsebene angekündigten neuen Arbeitsschwerpunkte der anthroposophisch- medizinischen Sektion. Die Thesen dazu und der medizinisch- alternativ- wissenschaftliche Forschungsstand wurde auf einer Dialog-Veranstaltung der Medizinischen Sektion am Goetheanum von Peter Hensinger vorgestellt.

Peter Hensinger, der von der Verbraucherschutzorganisation ‹diagnose:funk› (1) kommt, stellte auf der Veranstaltung am Goetheanum Thesen zu den physiologischen und psychologischen Auswirkungen nichtionisierender Strahlung, also von Smartphones und Tablets auf den Menschen auf.

Für Hensinger, den Anti- Funk- Lobbyisten, sind die physiologischen Wirkungen des Mobilfunks und WLANs auf das Gehirn klar. Die Strahlung beeinflusse Nervenzellen, ihren Stoffwechsel und ihre Rhythmen sowie die Zellkommunikation. Dies soll Lernen und Gedächtnisbildung beeinträchtigen, da Nervenverbindungen (durch Neurotransmitter) verändert würden. Angeblich soll Mobilfunkstrahlung die Blut-Hirn-Schranke durchlässiger machen, wodurch Giftstoffe leichter ins Gehirn gelangen könnten. Die auftretenden physischen Symptome bei Mobilfunknutzung sind Kopf- und Muskelschmerzen, Herzklopfen, Müdigkeit, Tinnitus, Schwindel und Schlafprobleme. Aber es gäbe auch kognitive Symptome wie Probleme mit Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit, Nervosität, Einsamkeit, Angst und Stress, Depressionen, Störungen des sozialen Lebens und Suchtverhalten.

Ich bin nicht sicher, ob mit Sucht ein inniges Verhältnis zu elektronischen Devices gemeint ist oder ob die Nutzung von WLAN und Smartphones auch direkt zur Nutzung von harten Drogen führt.

Die ehemalige Sektionsleiterin, Kinderfachbuch- Autorin und Guru der anthroposophischen Kindermedizin, Dr. Michaela Glöckler, hat seit jeher gewarnt, aber auch an Petitionen gegen den 5g- Ausbau teilgenommen und Vorträge zum Thema gehalten: „Für eine gesunde Entwicklung von Kindern gelten ähnliche Regeln wie für die Vorsorge von Altersdemenz. Viel Bewegung, soziale Kontakte, Einbeziehen von künstlerischen Elementen und schöne Sinneseindrücke“ aktivieren die Zellen im Gehirn und sorgen für neue Verschaltungen. „Chorsingen oder Tanzen sind für die Entwicklung des Gehirns besser als Kreuzworträtsel lösen“, ist Michaela Glöckler überzeugt.“ (3) Nun wissen wir Bescheid: Im Zweifel den Jugendlichen das Smartphone wegnehmen und sie zum Chorsingen schleifen. Das macht den Kopf frei!

Aber auch Herr Hensinger rät natürlich zu spezifischen Schutzmaßnahmen: Vor allem sollte man Abstand halten zum Smartphone, d.h. es bloß nicht direkt ans Ohr halten beim Telefonieren!  Technisch gesehen eine Herausforderung, aber machbar! Ansonsten gilt: LAN- Kabel statt WLAN nutzen, WLAN-Leistung minimieren. Natürlich sollten Smartphone-Verbote an Schulen unbedingt durchgesetzt werden.

Aber betrachten wir die anthroposophische Perspektive, auch wenn es schwer fällt. Heute hat man ja nicht mehr so den Strahlenberater mit braunem Anzug aus Stuttgart, der kleine Metallspiralen an die Stecker montiert und die Betten verstellt, damit den lieben Kunden nicht der Strahlensmog durch ihre schlafenden Ätherleiber zieht, und damit die ganze Zellkommunikation auf den Kopf gestellt wird. Die Medizinische Sektion am Goetheanum betrachten wir dabei als Königsdisziplin innerhalb der Anthroposophie Rudolf Steiners verbunden, der Eiskunstlauf unter den esoterischen Wissenschaftsgebieten. Aus dieser Perspektive wird der Mensch als ein Wesen aus mehreren "Wesensgliedern" betrachtet, nicht nur als physischer Körper. Die Bedenken gegenüber Mobilfunkstrahlung rühren oft aus der Annahme, dass diese Strahlung insbesondere den Ätherleib, den Träger der Lebenskräfte und Regenerationsprozesse, negativ beeinflussen könnte. Die genannten Symptome wie Müdigkeit, Konzentrationsprobleme oder Schlafstörungen werden in diesem Kontext oft als Ausdruck einer Disharmonie dieser feinstofflichen Lebensprozesse interpretiert. Die anthroposophische Sichtweise legt Wert auf qualitative Beobachtungen und eine ganzheitliche Betrachtung, die über rein physikalische Messwerte, die die Mainstream- Wissenschaft als einzige gelten läßt, hinausgeht.

Ach ja, die Mainstream-Wissenschaft. Die von Peter Hensinger und ‹diagnose:funk› vorgebrachten Thesen stehen in wesentlichen Punkten im Widerspruch zum aktuellen wissenschaftlichen Konsens großer internationaler Gesundheitsorganisationen und nationaler Strahlenschutzbehörden. Die Behauptung, dass Mobilfunkstrahlung den Stoffwechsel von Nervenzellen, die Zellkommunikation, Lernen oder Gedächtnisbildung beeinträchtigt, ohne dass dies auf eine Erwärmung des Gewebes zurückzuführen ist (sogenannte "nicht-thermische Effekte"), wird von der überwiegenden Mehrheit der wissenschaftlichen Gemeinschaft nicht geteilt. Für solche Effekte, die angeblich zu anhaltenden Gesundheits- und psychischen Schäden führen sollen, fehlt es an konsistenter und reproduzierbarer wissenschaftlicher Evidenz.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO): "Eine große Anzahl von Studien wurde in den letzten zwei Jahrzehnten durchgeführt, um zu beurteilen, ob Mobiltelefone ein potenzielles Gesundheitsrisiko darstellen. Bislang wurden keine nachteiligen gesundheitlichen Auswirkungen festgestellt, die durch die Nutzung von Mobiltelefonen verursacht werden." Die WHO stuft hochfrequente elektromagnetische Felder (RF-EMF) als "möglicherweise krebserregend für den Menschen" (Gruppe 2B) ein, was bedeutet, dass ein Zusammenhang glaubwürdig ist, aber Zufall, Verzerrung oder Störfaktoren nicht ausgeschlossen werden können. Dies ist die gleiche Gefahren- Einstufung wie für Kaffee oder eingelegtes Gemüse (4)

Obwohl es einzelne Studien gibt, die eine vorübergehende und reversible Öffnung der Blut-Hirn-Schranke unter extrem hohen Strahlenbelastungen in Tiermodellen andeuten, konnte dies unter realen Expositionsbedingungen oder bei Menschen nicht konsistent und reproduzierbar nachgewiesen werden, insbesondere nicht in einem Ausmaß, das als gesundheitsschädlich eingestuft würde. Die meisten umfassenden Übersichtsstudien und Meta-Analysen kommen zu dem Schluss, dass es keine überzeugenden Beweise dafür gibt, dass Mobilfunkstrahlung unterhalb der geltenden Grenzwerte die Integrität der Blut-Hirn-Schranke beim Menschen dauerhaft oder schädlich beeinflusst.

Die genannten Symptome wie Kopfschmerzen, Müdigkeit etc als angebliche Folgen von WLAN oder Mobilfunk - Nutzung sind derartig unspezifisch und können eine Vielzahl von Ursachen haben, die nicht  mit Mobilfunkstrahlung zusammenhängen. Die direkte Kausalität zwischen Mobilfunk und diesen Symptomen ist wissenschaftlich nicht belegt. Viele Studien deuten darauf hin, dass die Angst vor Mobilfunkstrahlung selbst zu Symptomen führen kann. Dies wird als Nocebo-Effekt bezeichnet. In verblindeten Studien, in denen Probanden nicht wussten, ob sie tatsächlich Strahlung ausgesetzt waren, konnten "elektrosensible" Personen ihre Symptome nicht zuverlässig mit der tatsächlichen Exposition korrelieren: „Personen, die von Elektrosensibilität berichten, erleben reale Beschwerden, die jedoch in kontrollierten Studien nicht mit der tatsächlichen Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern in Verbindung gebracht werden konnten. Dies deutet auf psychosomatische Mechanismen hin, einschließlich des Nocebo-Effekts."

Die Forderung nach "Abstand halten" und Nutzung von LAN- Kabeln impliziert, dass die aktuellen Grenzwerte nicht ausreichend sind. Die ICNIRP-Richtlinien (5) , auf denen die meisten nationalen Grenzwerte basieren, sind so konzipiert, dass sie alle wissenschaftlich belegten Gesundheitsrisiken abdecken, die durch die Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern entstehen können. Sie enthalten erhebliche Sicherheitsfaktoren.

Trotz fehlender wissenschaftlicher Beweise für Schäden unterhalb der Grenzwerte empfehlen Behörden wie das BfS aus Gründen der Vorsorge Maßnahmen zur Reduzierung der Exposition. Diese Empfehlungen sind jedoch nicht als Hinweis auf eine bestehende Gefahr zu verstehen, sondern als zusätzliche Schutzmaßnahme.: „Auch wenn nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft keine gesundheitlichen Auswirkungen unterhalb der Grenzwerte nachgewiesen sind, empfiehlt das BfS, die persönliche Exposition gegenüber hochfrequenten Feldern so gering wie möglich zu halten."

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die von Peter Hensinger am Goetheanum vorgestellten Thesen zu den physiologischen und psychologischen Auswirkungen des Mobilfunks auf Annahmen basieren, die nicht durch den wissenschaftlichen Konsens der etablierten Forschungsgemeinschaften gestützt werden. Während die anthroposophische Sichtweise eine erweiterte Perspektive auf den Menschen einnimmt, fordert die „Mainstream“ Wissenschaft für die Anerkennung von Gesundheitsrisiken reproduzierbare und konsistente empirische Beweise, die im Falle der behaupteten nicht-thermischen Effekte durch Mobilfunkstrahlung unterhalb der Grenzwerte bisher nicht erbracht wurden. Die geltenden Grenzwerte und Vorsorgeempfehlungen basieren auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Schutz der Bevölkerung. „Alternative“ Wissenschaft ist nun also das, was die Anthroposophische Gesellschaft und die Medizinische Sektion sich auf die Fahne schreiben, wieder einmal und wieder mit dem populären Grusel- Thema „Strahlen“. Wer will schon seinen Ätherleib zerlöchert  und die Zellkommunikation auf Null gefahren wissen? Niemand. Und so telefonieren wir mit mindestens 3 Meter Abstand zu dem Teufelsding Smartphone und hqben es zusätzlich in Alufolie gepackt. Nur für alle Fälle! Es lebe der Ätherleib!


_______________________________Anmerkungen und Verweise

1 „diagnose:funk e.V." ist eine gemeinnützige Umwelt- und Verbraucherorganisation mit Sitz in Stuttgart, gegründet 2009. Zu ihren wichtigen Verbindungen gehören:

diagnose:funk Schweiz: Eine namensgleiche, aber juristisch und finanziell eigenständige Partnerorganisation.

ElektrosmogReport: Seit 2019 ist diagnose:funk der Herausgeber dieses Magazins.

Europeans for Safe Connections (ESC): diagnose:funk ist Gründungsmitglied dieses Vereins und unterstützt dessen Aktivitäten, wie z.B. Konferenzen zum Thema Elektrohypersensibilität.

Bündnis für humane Bildung: diagnose:funk ist ideelles Mitglied in diesem Bündnis.

Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung: diagnose:funk ist Fördermitglied dieser Allianz.

Initiative Transparente Zivilgesellschaft: diagnose:funk ist Unterzeichner dieser Initiative und veröffentlicht regelmäßig Transparenzberichte.

Lobbyregister beim Deutschen Bundestag: diagnose:funk ist dort registriert und legt seine Finanzierungsquellen (hauptsächlich Mitgliedsbeiträge und Spenden) sowie finanzielle Aufwendungen im Bereich der Interessenvertretung offen.

Kooperationen mit externen Experten und anderen Verbänden/Organisationen: diagnose:funk strebt eine Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, Gesundheitsexperten und anderen Organisationen an, um ihre Ziele zu verfolgen.

Insgesamt konzentriert sich diagnose:funk darauf, wissenschaftliche Erkenntnisse über die Risiken elektromagnetischer Strahlung zu verbreiten, Verbraucher über Schutzmaßnahmen zu informieren und politische Maßnahmen für eine strahlungsärmere Umgebung zu fordern.

2 https://anthroposophie.org/de/nachrichten/dialog-veranstaltung-mobilfunk

3 https://www.mobilfunk-oberfranken.de/2022/04/eigenaktivitaet-foerdern-anstatt-unbegrenzten-medienkonsum-hinnehmen/

4.  WHO Fact Sheet on Electromagnetic Fields and Public Health: Mobile Phones (Bitte beachten: WHO Fact Sheets werden regelmäßig aktualisiert, die Kernaussage zur fehlenden etablierten Gesundheitsschädigung bleibt jedoch konsistent.)

   * Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) Deutschland: Das BfS stellt klar: "Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft gibt es keine Hinweise darauf, dass die hochfrequenten Felder des Mobilfunks unterhalb der Grenzwerte gesundheitliche Auswirkungen haben."

     * Quelle: BfS - Mobilfunk und Gesundheit

     * Zitat: "Bisher konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Strahlung einer Mobilfunkanlage die Gesundheit beeinträchtigt." (BfS Broschüre "Strahlenschutz Konkret: Mobilfunk")

5 Internationale Strahlenschutzkommission (ICNIRP) Quelle: ICNIRP Guidelines 2020