Magischer Traditionalismus und Anthroposophie. Evola, Dugin, Bannon und die Zärtlichkeit der jungen Faschisten

Man stolpert ja in mancher Hinsicht auch über Sätze- manche so, dass man in ihnen eine Nuance entdeckt, die man erst allmählich auskosten kann- manche so, dass sie eine ungeahnte Tiefe in einem selbst berühren, und manche in der Art, die etwas Abstossendes verbirgt. So geht es einem - vielleicht nicht nur mir- in der Beschäftigung mit Traditionalisten  wie Evola, Dugin oder Bannon und ihrem Einfluss auf heutige Staatstheorie, Politik und Destruktion im globalen und nationalen Maßstab. 

Schließlich handelt es sich beim Traditionalismus um den Einbruch des Spirituellen in die politische Vision, und die handelnden Personen sehen sich, so unterschiedlich individuelle Ausgangslage, Intentionen und Systeme sein mögen, durchweg selbst auch in spiritueller Hinsicht als Eingeweihte- nicht im mystischen, sondern in einem politisch -aktionistischem Sinn.

In dem Satz, über den ich stolperte, handelt es sich um ein Zitat aus einer Betrachtung von Lorenzo Ravagli zu Julius Evola, dem Traditionalisten. Es geht auch um junge Faschisten, die Evola später in Italien in die Praxis umzusetzen versuchten, nicht wenige davon im Rahmen des Terrorismus: „1971 sprach Evola mit Henri Hartung, einem Traditionalisten, der keinerlei Sympathie mit der politischen Rechten besaß, über die Studiengruppen in Genua, Palermo und Kalabrien, die seine Werke studierten. Laut Hartung sprach er mit »Zärtlichkeit« von jenen jungen Männern, die sich der weltlichen Erniedrigung durch das Errichten eines spirituellen Staates zu entziehen suchten. Gleichzeitig verurteilte er jedoch entschieden jeden »anachronistischen Aktivismus«, der nicht über die erforderliche theoretische Grundlage verfüge.“ (1)

Folgt man Ravagli, bezog sich bereits die zweite Generation von Rechten nach dem Zerfall des Faschismus in Mussolini Machart auf den Traditionalisten Evola. Die FAR versuchte schon ab 1946 den Faschismus in Italien zu  re- etablieren, wobei Evola in diese Aktivitäten auf unklare Weise verwickelt war: „Die FAR wurde 1946 gegründet und teilte sich bald in zwei Gruppen, eine revolutionäre und eine utopische. 1949 veröffentlichte Evola in »Imperium«, der Zeitschrift einer Jugendorganisation der MSI einen Artikel, der vermutlich an den utopischen Flügel der FAR gerichtet war und die Bedeutung der spirituellen Revolution hervorhob.“ (1) Während sich sein Freund und Gesinnungsgenosse Massimo Scaligero (2) mehr an einer anthroposophischen Variante inklusive christlicher Initiation und Saulus- Paulus- Wandlung versuchte, marschierte Evola, gelegentlich auch im Streit mit Scaligero, unbeirrt fort in seinen Versuchen, einen spirituellen Orden zu begründen, politisch Einfluss zu nehmen- wobei er Adel präferierte. 

Evola Traditionalismus wurde zwischen tantrischer Initiation, Drogen, Literatur, Philosophie und Futurismus geboren, eine in der Zeit des ersten Weltkrieges und im Rahmen sizilianischen Landadels äußerst schicke Kombination: „Baron Giulio Evola wurde 1898 in Rom geboren. Streng katholisch im sizilianischen Landdel geboren, brach er früh aus, indem er als Nihilist, Dadaist, Futurist künstlerisch tätig wurde. Mit 20 Jahren experimentierte er exzessiv mit Drogen, hatte einerseits „Offenbarungen“ dabei, geriet aber auch nahe an den „Wahnsinn“. In der Folge - also um 1918 herum - erlebte er eine Art dionysischer Erleuchtung, eine Art bis auf höchste gesteigerter Orgasmus“. Von nun an nahm er, seiner Darstellung nach, „eine transzendente Welt von Wesenheiten und Kraftfeldern“ wahr, auf die er durch "magische Akte Einfluss nahm.“ (3) Magie hin oder her, bereits 1925, nach einem Studium der Sexualmagie Aleister Crowleys in Sizilien, bestanden Verbindungen zur UR, in der sich um Mussolini herum eine Bewegung versammelte, die sich zwischen Cäsaren- Kult und Faschismus verortete. Das 1926 erschienene Buch „Der Machtmensch“ stellte die erste spirituell- faschistische Grundlegung Evola dar. Die zwischen antisemitisch geprägter Ablehnung der materialistischen Gegenwart und einem schwärmerischen Rückblick auf Ur- Königstum schwankende Argumentationslinie prägte zugleich die Muster, die im Traditionalismus bis heute einen Gegenentwurf zu Liberalismus und Demokratie bilden. 

In den 50ern und 60ern bildeten sich in Italien obskure Orden, von denen einige offenbar zeremonielle Magie praktizierten, aber auch Tieropfer darbrachten und zumindest teilweise terroristische Akte mit anstiessen: „Die meisten Aktivitäten des Ordine Nuovo waren zugleich geistig und politisch. Der italienische Soziologe Franco Ferraresi ist überzeugt, der Ordine Nuovo habe auch einer Reihe weiterer, lose verbundener Gruppen als Vorbild gedient, von denen einige bewaffnete Aktionen – Bombenattentate und einen Putschversuch – durchführten.“ (1) Andere Anhänger Evolas bedienten sich eindeutig selbst terroristischer Mittel, wobei diese nicht selten linken Gruppen zugeschrieben wurden. Die sich häufenden terroristischen Akte, deren Hintermänner immer häufiger enttarnt wurden und manchmal selbst Teil des staatlichen Sicherheits- Apparats und der politischen Kaste waren, führten zu einer Umorientierung der jungen Generation der 60er in Italien- eine unliebsame Umkehrung auch des Traditionalismus im Sinne von Evola und seinen Anhängern. Statt der dritten faschistischen Revolte erlebten diese Kreise eine Demaskierung wie in den den populären Theaterstücken Dario Fos: „Das Stück, ein vernichtender Angriff auf die Brutalität und Dummheit der Polizei, war in den folgenden Jahrzehnten äußerst erfolgreich, besonders an Universitäten, und förderte antiautoritäre Einstellungen in Generationen von Studenten in ganz Europa. Eine der wichtigsten Konsequenzen dieses Versuchs, den Traditionalismus in die Praxis umzusetzen, war also entschieden anti-traditionalistisch. Versuche, in einer bestimmten Epoche gegen den Strom zu schwimmen, laufen stets Gefahr, vom Strom mitgerissen zu werden.“ (1)

Obwohl sich Evola im anfangs geposteten Zitat gegen Exzesse politischer Gewalt ausgesprochen hatte, distanzierte er sich keinesfalls generell gegen Faschismus und Terrorismus. Letztlich waren dies Konsequenzen, die Evola ein Leben lang initiiert hatte. Er erwartete lediglich die in seinen Augen richtige, nämlich "spirituelle" Gesinnung dabei- wie er auch in seinem in den 60ern entstandenen Grundlagenbuch Cavalcare le Tigre ausführte, das er nach eigenem Bekunden für Traditionalisten geschrieben hatte.

Was aber sind Traditionalisten und wer hat, außer den spätestens mit den 80ern zurück gedrängten terroristischen Attentätern, das Erbe Evola - und das von Rene Guenon- angetreten? Guenon, der als der andere Patriarch des Traditionalismus gilt, ist 1951 in Cairo gestorben, als konvertierter Muslim. Bis heute gilt Christentum ja für viele Traditionalisten als Religion für Weichlinge, deren Begründer sich selbst auch noch ans Kreuz nageln ließ. Da bevorzugt ein heutiger prominenter Vertreter, Alexander Dugin, doch etwas wie den Zorastrismus (4) mit einem klaren Gut und Böse und einer Verehrung des Feuers in romantischen Tempeln. Die hinduistische Komponente wird in der Sicht der Traditionalisten bezüglich großer zeitlicher Kreise relevant: Hier wie dort wandelt die Menschheit von einem lange vergangenen goldenen Zeitalter, über das silberne und bronzene hin zu einer Phase der Finsternis, einem Kali Yuga, das für die Menschheit die denkbar größte Entwürdigung darstelle. In einer katastrophalen Entladung werde sich die Menschheit dieser Bürde entledigen, und in einen neuen Zirkel eintreten, und diese apokalyptische Wendung stehe gerade kurz vor uns. Die Sicht auf die Zeitgenossen als degenerierte „materialistische“ Masse in einem vor der Wende zu einer sechsten nachatlantischen Kulturepoche stehenden Zustand, der der Menschheit neue geistige und moralische Impulse geben werde, wenn sie denn dafür bereit wäre, teilen Anthroposophen dabei ebenso mit den Traditionalisten wie die nostalgische Sicht auf vergangene Höhen der geistigen Inspiration, sei es bei Grals- Rittern, Druiden- Priestern oder Stern- Deutern in Mesopotamien. Auch erdgeschichtlich führt die Deutung Rudolf Steiners zurück in ein sagenhaftes goldenes Zeitalter vor Eiszeit, vor den Vulkan- Zeitaltern, dem hyperboräischen Zeitalter (5).

Unter den Traditionalisten ist - insbesondere unter den extremen Rechten, wenn man Benjamin R. Teitelbaum (6) Glauben schenken darf, mit dem Zyklus der Zeitalter auch jeweils eine dominante Kaste verbunden, die ebenfalls in einem hierarchischen Niedergang zunächst Typen des Priesters und Kriegers hervor bringen, denen die verachteten Händler und schließlich die Sklaven folgen. Dabei gelten die Priesterkönige und Krieger als diejenigen, die höheren, immateriellen Idealen folgen, die ersten in ihrer reinsten spirituellen Form, die anderen in der Form der Ehre auf den Schlachtfeldern. Die materialistischen Händler- Dynastien erobern die Weltmeere auf der Suche nach Reichtum, während die degenerierten Sklaven unserer Gegenwart nur noch ihren blanken körperlichen Bedürfnissen folgen. Das ist der Niedergang der Menschheit im finsteren Zeitalter, im Kali Yuga: Der Materialismus einer Sklavenkaste. 

Auch Rudolf Steiner prophezeit ein neues, goldenes Zeitalter, wenn die Menschheit denn einmal das Kali Yuga überwunden haben wird: „Das Kali Yuga ist abgelaufen, und es beginnen die Menschenseelen jetzt neue Fähigkeiten zu entwickeln, jene Fähigkeiten, welche, weil eben das Zeitalter dafür da ist, wie von selber heraustreiben werden aus den Seelen gewisse hellseherische Kräfte, die während des Kali Yuga eben hinuntertauchen mußten ins Unbewußte. Da wird es eine Anzahl von Seelen geben, die das merkwürdige Ereignis erleben werden, daß sie das Ich- Bewusstsein haben werden, aber neben diesem wird es für sie so sein, wie wenn sie in einer Welt lebten, die eigentlich eine ganz andere Welt ist als diejenige ihres gewöhnlichen Bewusstseins: es wird sein wie schattenhaft, wie eine Ahnung, wie wenn ein Blindgeborener operiert wird. Durch dasjenige was wir esoterische Schulung nennen, werden diese hellseherischen Fähigkeiten noch viel besser erlangt werden.“ (7) Die Voraussetzung für einen gelungenen Übergang in das neue goldene Zeitalter, in dem die Blindheit der Finsternis endet, ist also die Teilhabe am anthroposophischen Übungsweg. Allerdings könnten die Zeitgenossen in ihrer Boshaftigkeit noch einen Strich durch die Rechnung machen und die neuen angehenden Könige psychiatrisieren: „Es könnte zum Beispiel so sein, daß die Bosheit, der Materialismus so groß wären auf Erden, daß die Mehrheit der Menschen nicht das geringste Verständnis zeigte, und jene Menschen, die dieses Hellsehen haben werden, als Narren betrachten und in die Irrenhäuser stecken würde unter die andern hinein, die in verworrener Weise ihre Seelen entwickeln.“ (7) Die Priester und Könige der Traditionalisten gehören sicherlich zu denen, die dieses „Hellsehen haben werden“ (Steiner), denn sie leben ihr Leben für immer höhere, un- materialistische Ziele, die im Fall der Priester sogar mit reiner Spiritualität (8) zu beschreiben wären. Auf die Idee der Eingeweihten und Auserwählten werden wir zurück kommen.

In der Sicht des Traditionalismus hat jedes Zeitalter mit seiner jeweils dominanten Kaste auch ein spezifisches gesellschaftliches System. Das neue Priester- Zeitalter bedarf natürlich einer herrschenden spirituellen Kaste und kann die demokratischen Umtriebe der Sklaven- Gesellschaften nicht dulden. Religiöse Autorität steht in einem goldenen Zeitalter der neuen Theokratie über allem, wobei untergeordnete Machtbereiche durchaus einen Militärstaat, Plutokraten und die Herrschaft der Superreichen (siehe 6) beinhalten könnten. Die Masse als Macht- Instrument jedenfalls muss überwunden werden, sei sie demokratisch oder kommunistisch legitimiert. Was dagegen, zumindest in den Augen des Ur- Traditionalisten Julius Evola, zählt, ist Spiritualität, Ahnentum, arische oder weiße Rasse, Männlichkeit, die nördliche Hemisphäre, Sonnenanbetung (9) und eben die klare Klassentrennung innerhalb der Gesellschaft- auch der heutigen. Das dunkle Zeitalter der Neuzeit muss überwunden werden, in der nicht nur Liberalismus, sondern auch Migration, Feminismus, Säkularismus und sogar widernatürlicher sexueller Hedonismus jegliche Moral untergraben haben. Auch bei Steve Bannon kann man, so Teitelbaum, schon auf Buchtiteln nachlesen, wie sich seine Variante des Traditionalismus anfühlt. Die Ziele Bannon, so schreibt er, bestünden in einer Dekonstruktion des nihilistischen Materialismus und des wurzellosen Rationalismus des modernen Westens (10). Das hört sich merkwürdig an aus dem Mund eines ehemaligen Elite- Marines, Wallstreet- Händlers und Facebook- Manipulators, der Wahlkampf- Manager für eine Figur wie Donald Trump gewesen ist. 

Aber Bannon hatte sich tatsächlich schon während seiner Zeit auf See als spirituell Suchender gesehen, mit besonderen Interessen für Transzendentale Meditation, Tao Te King (11) und vedisch- hinduistischen Texten. Außerdem verstand und praktizierte Bannon Meditation als Gegenpol zu seiner ausgeprägten Workaholic- Arbeitsweise. Er verstand sich dabei nicht als Ketzer oder Spiritualist, hatte aber auch Gründe, diese innere Neigung gegenüber der Navy wie auch gegenüber seinen traditionellen, aber auch liberalen Eltern zu verbergen. Aber die alternative Beatnik- Bewegung war für diesen jungen Konservativen, der sich auch gegenüber seinen eher linken Eltern absetzen wollte ebenso wenig passend wie Hare- Krishna oder gar die revolutionäre Linke. Bannon las Helena Blavatsky, bei der er erstmals auf Hinweise zu einer archaischen Religion vor der Abtrennung der arischen Rasse las. Theosophie konnte zu Bannons Überraschung also politisch gelesen und gedeutet werden- eine Entdeckung, die ihn in der Folge zu Rene Guenon und zum Meister der Traditionalisten, Evola, führte. Die politische Esoterik entwickelte er aber weiter im Stillen, während er nach der Armee 1983 in Harvard Wirtschaft studierte, unmittelbar nach seinem Examen zum Investment- Banking bei Goldman Sachs wechselte, und darin eine Goldgrube entdeckte. Bereits 1990 hatte er eine eigene Investment Bank gegründet und wurde, in einem turbulenten, wilden Leben mit Alkoholismus- Problemen, Scheidungen und mehreren Kindern immer wohlhabender. Bannon erfand sich in Phasen der Umorientierung auch durch intensiviertes okkultes Training immer wieder neu, vermutlich auch durch Techniken von George Gurdjieff. 

Aber erst 20 Jahre später tauchte er wieder in der Öffentlichkeit auf, diesmal als CEO des stramm rechten Media- Netzwerks Breitbart. Gleichzeitig agierte er als Vize- Präsident eines Unternehmens namens Cambridge Analytica, das bereit stand, soziale Netzwerke wie Facebook zu unterwandern und durch personalisierte politische Werbung rechte Wähler- nicht nur in den USA- zu aktivieren und zu manipulieren. Während die Breitbart-Medien offensiv und öffentlichkeits- wirksam agierten, funktionierte die Cambridge Analytica- Technik unbemerkt, gerne durch Ausspionieren von Millionen von Facebook- Profilen durch simple Frage- und Unterhaltungsspiele. Der reaktivierte Aktivist, Spiritualist und Traditionalist Bannon rief zum Krieg im Westen auf, wobei er dabei eine konservative, anti- islamische, elitäre und nationalistische Revolution erreichen wollte. Seine Adressaten und Kunden waren UKIP, National Front und Tea Party. Auf die Frage, ob zu den Kreisen, die er adressierte, auch Putin und die russische Interessen- Sphäre gehöre, antwortete Bannon: „I think it´s a little bit complicated. When Vladimir Putin - When you really look at some of the underpinnings of some of his beliefs today, a lot of those come from what I call Eurasianism; he is git an adviser who hearkens back to Julius Evola and different writers of the early twentieth century who are really the Supportes of what is called the Traditionalist movement, which really eventually metastasized into Italian fascism“ (12). Man sieht in diesen Interviews, die Teitelbaum mit Bannon führte, dass dieser sich nicht nur über die Ursprünge des Traditionalismus im Klaren war, sondern auch darüber, dass der hier gemeinte Berater Putins, Alexander Dugin, als moderner Repräsentant des Traditionalismus in russischer Interessenlage gelten kann. Dabei ist Putin für Bannon klar ein Kleptokrat, dessen Interessen abgesehen von seinen persönlichen Raubzügen in einer Erweiterung der Interessen- Sphäre Russlands liegt, und zwar weltweit (12). Trotz allem stellt der durch das russische Regime praktizierte Traditionalismus auch einen globalen „ideologischen Push“ (12) im Interesse des National- Staats und in Ablehnung „trans- nationale(r) Einheiten“ (12) wie der Europäischen Union dar.

Der russische Berater Alexander Dugin hat eine schillernde Karriere hinter sich. Seine ersten Auftritte im Moskauer Yuzhinsky Kreis (13) sind legendär und oft berichtet worden. Sein Einstand mit Wodka, einer Gitarre und einem Repertoire von Liedern, die den Massenmord verherrlichten, müssen die Trinkgelage wie auch kultischen Handlungen der Gruppe ebenso beeinflusst wie den KGB beeindruckt haben, der schon ein Auge auf diese Nazis, Okkultisten und magisch tätigen Faschisten hatte. Aber die anti- sowjetische und anti- semitische Konnotation war selbst für hartgesottene Ermittler ebenso schwer einschätzbar wie die folgenden Karrieren der Agierenden - einer wanderte ins Gefängnis, Dugin wechselte die Seiten und arbeitete von nun an für den Geheimdienst. Von nun an gab er sich der Subversivität in staatlichen Diensten hin- als Dozent, Ausbilder und Berater für besondere Angelegenheiten in Aufgabengebieten wie: Umstürze, faschistische Massenaufmärsche, bizarre Propaganda, aber auch philosophische Schriften, esoterische Kontakte, Kollaboration mit Nationalisten, Faschisten und Brexiteers in Westeuropa, Inszenierung von Staatsstreichen, Beratung von Diktatoren, Schulung von KGB- Agenten und Offizieren. Je mehr man liest, desto mehr Seiten des persönlich umgänglichen, ja sanften Mannes lernt man kennen. Die esoterische innere Seite Dugins (im Interview mit Teitelbaum: „the communist Party owned all of us- owned the mind, the spirit, the emotion, the body.  Everything was under control, except one thing. The innermost part.“ (14)) hat offenbar einen nicht versiegenden Quell purer Destruktion aufgebrochen, den die russischen (und andere) Geheimdienste und politischen Juntas je nach Bedarf benutzten oder in der Versenkung verschwinden ließen. 

Dugin persönliche Variante des Traditionalismus war die Fusion mit der Orthodoxen Kirche (14), was er um 1990 mit einer Zeitschrift verband, die den angeblich arktischen Ursprung der Arier zum Thema hatte. Ob hierin auch Rudolf Steiners atlantische und lemurische Legenden verwendet wurden, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber auch in diesem Sujet finden sich starke Überschneidungen zur Anthroposophie, in der auch behauptet wird, dass eine weise Urbevölkerung in der Arktis beheimatet gewesen sei, während die Ur- Menschen, die sich um den Äquator angesiedelt hätten, viel primitiver gewesen wären (15), ja sogar „geringere Seelen“ besessen hätten, die „mehr in die physischen Leiber hinein gingen“ (15) Da wird der (nicht namentlich genannte) Gegensatz zwischen der arischen Superiorität und der Primitivität der südlichen „Äquator- Rassen“ schon in der Vor- Menschheit bei Steiner angelegt. Die nach Steiner damals tropische Welt um die heutige Arktis herum, die erst durch eine spätere Erddrehung erkaltet sein soll, war auch ein erstes „goldenes Zeitalter“ parallel zu den traditionalistischen Lehren, ja sogar ein „Paradies“ mit nahezu himmlisch- sphärischen Urmenschen, die sich allenfalls durch ein „Opfer“ dem annäherte, was die sich entwickelnde südliche Rest- Menschheit als Identität mit der körperlichen Erscheinung, also dem Ur- Materialismus, auslebte. Und damit ist ja auch die goldene, spirituelle Auserwähltheit jedes einzelnen Anthroposophen heute im Kontrast zur materialistischen Rest- Menschheit umschrieben. Und es wird immer schlimmer. In der kommenden Epoche, der 6. nachatlantischen Kulturepoche, wird der große Teil der Menschheit restlos dem Materialismus verfallen, und sich sogar mit den „Bazillen“ (16) verbünden. Einläuten wird die endgültige apokalyptische Scheidung aller Geister ein „Krieg aller gegen alle“ (17), in der ein kleiner, ausgesonderter Teil der Menschheit spirituell so weit Souveränität entwickelt haben wird, dass sie den „Grundstock“, sozusagen eine Arche bilden können für die kommende, wiederum „goldene“ Kultur der unbeschränkten Bruderliebe (allerdings auch der Bazillen- Affinität, nach Steiner). Der große Kreislauf führt, identisch zu den Traditionalisten, also vom ursprünglichen, goldenen Zeitalter der Geist- Könige der Arktis zu den brüderlichen Erleuchteten der 6. Epoche - ein auserwähltes Volk, das- so Steiners Suggestion- durch Anhängerschaft an den Erzengel Michael, d.h. durch Anthroposophie- auf diese Epoche vorbereitet wird. Heute kämpfen diese freien Geister für Querdenken, gegen die Corona- Diktatur und gegen Umvolkung

So sehr sich die Strategien der traditionalistischen Bewegungen unterscheiden mögen, bleibt das zirkuläre Denken doch ähnlich- auch die Vorstellung, chaotische, destruktive Zustände im Übergang nicht nur hinnehmen, sondern initiieren zu müssen. Dugin konzentrierte seine destruktiven Intentionen zunächst auf die USA - to „introduce geopolitical disorder into American activity, encouraging all kinds of separatism and ethnic, social and radial conflicts, actively supportjung all Dissident movements- extremist, racist, and sectarian groops, thus destabilizing the internal political processes in the U.S.“ (18) Diese Spaltung der Gesellschaft ist tatsächlich nicht nur in den USA gelungen, sondern hat auf nahezu alle Demokratien übergegriffen. Aber Dugin wäre nicht der Experte in Sachen Desinformation, hätte er nicht auch früh Diskurse geführt, hätte auch Begriffe geprägt, die wie „multipolar world order“ die Hegemonie der USA untergraben sollen, indem sie die russischen Interessen betonen, aber auch eine reale Verschiebung der Machtblöcke (Pazifik, China) vorweg nehmen. Dugin, mit dem offiziellen Status eines Philosophie-Professors (bis zu einer Entfernung aus dem Universitätsklinikum- Betrieb nach einigen Ausrastern), einem Erscheinungsbild wie von Rasputin und einem Bart, als wäre er ein orthodoxer Priester, bleibt immer einsetzbar in Fragen der Zersetzung und des (realen oder fingierten) Staatsstreichs wie in der Türkei. Ähnlich sein Einfluss auf das ungarische Machtsystem, das seit 2012 von Gabor Vona voran getrieben wurde, der sich ganz auf Dugins Traditionalismus beruft, aber auch einen spirituellen Berater namens Tibor Baranyi unterhält. Vona ist bereits 2013 von Dugin in Moskau über die Methoden unterrichtet worden, die EU zu unterlaufen, die „spirituelle Lehre“ (20) zu nutzen und die Chancen, die sich aus dem destruktiven Schritt ergeben könnten, Ungarn wie ein trojanisches Pferd in der EU zu platzieren- denn hierdurch würden sich Möglichkeiten ergeben, die Werte des Traditionalismus sich innerhalb des materialistischen Unrats des Westens entfalten zu lassen. Zum gleichen Zweck beeinflusste Dugin in Griechenland den faschistischen Golden Dawn. 

Es bedurfte langer strategischer Vorbereitungen und Vorüberlegungen - auch des Umstandes, dass Dugin die türkische Alleinherrschaft des neuen Sultans Erdogan und seine subversive Niederschlagung seiner Gegner, auch unter Zuhilfenahme eines falschen Staatsstreichs, unterstützte und die russische Armee, vor allem durch Luftangriffe, endlosen Terror in Syrien verbreitete, so dass genügend Druck für eine Massenflucht der Bevölkerung entstand-, dass Bannon und Dugin einen gemeinsamen Hebel für den Einsturz der Europäischen Union finden konnten. Die Immigrations- Wellen hatten nationalistische Stimmungen so weit angeheizt, dass Bannon Methoden der gezielten Manipulation durch Bots und Analyse- und Werbe- Techniken in den sozialen Netzwerken einsetzen konnte, um den Brexit technisch möglich zu machen. 

So begann die seltsame Partnerschaft zweier Anhänger des Traditionalismus aus Ost und West, die antraten, die EU ins Chaos zu stürzen. Bannons Verbindung zu UKIP, der englischen Nationalisten- Fraktion, mit amerikanischen Geldgeber- Milliardären wie den Mercers, erlaubte es Bannon ab 2014, via Cambridge Analytica „Data mining and behavioral science“ (21) praktisch so anzuwenden, dass die intimen Profile hunderttausender britischer Wähler in sozialen Netzwerken verfügbar wurden- die dann, durch gezielte Manipulation, durch Werbung und „Motivation“, ins Lager der EU- Gegner gedrängt werden konnten. Diese innovative Technik der Wahlbeeinflussung wird auch als Metapolitik bezeichnet- eine Strategie, die auch in kulturellem Kontext, unter anderem durch Kunst und Performance, praktiziert werden kann und soll, um wirksam zu werden. Wichtig für rechte Politik- Beeinflussung ist es, den herrschenden Konsens oder Common Sense zu erschüttern, auch durch perseverierendes Anlaufen gegen den angeblichen „Mainstream“. Die Dekonstruktion des Common Sense soll aber auch durch Schaffen von Parallel- Gesellschaften ausgeführt werden- mit gleich geschaltetem Glauben an „alternative Fakten“, die durch Radikalität, Lautstärke und Zulauf politische Relevanz erlangen, natürlich immer im Sinne der Bekämpfung liberaler Strukturen und gesellschaftlicher Trends. Ein enger Freund Bannons im Kampf gegen die europäische Idee war Nigel Farage. Bis zum britischen Referendum im Juni 2016 flossen illegale Geldströme in Organisationen um Bannon zur Manipulation der Wählervoten. Der News- Apparat Breitbart sollte im Zuge dieser politischen Aktionen ein europäisches Standbein erhalten, um die durch den zu erwartenden Brexit gerissene Wunde in Europa zu vertiefen. Nigel Farage war sich später bewusst, dass Bannons Aktivitäten „key to the victory“ (22) der Europa- Gegner waren. 

Nach dem Votum meinte auch Dugin, seinerseits in Ungarn aktiv, aber nur teilweise erfolgreich, in Moskau, der sonnige Teil des Wegs der Europäischen Union sei nun vorbei: It „has passed it´s noon. Sunset begins.“(23) Dies sei der Kollaps des Westens und ein Sieg der Menschlichkeit. Mit Dugin tauchte im TV Farage auf, während Dugin kommentierte, das englische Volk habe sich von seinen „Herren“ befreit und sein Joch abgeworfen: „People intuitive understand that today England was freed from the diktat of the European Union, Brüssel, and tomorrow the other European countries will follow ist way.“ (24). 

Die geplante „Desintegration“ der Welt, wie wir sie kennen, im Sinne des Abschütteln des Kali Yuga durch Terror, der die massenweise Migration erzeugte, durch Lügen und Manipulation, die den Brexit ermöglichten, waren Elemente des Traditionalismus, den zu dieser Zeit Bannon und Dugin parallel betrieben. Zeitweise bemühte Dugin besonders die russisch- italienische Freundschaft, zeitweise hofierte er insbesondere Marine Le Pen. Auch in Österreich trat er als Netzwerker reichlich und direkt politisch in Erscheinung. Beide Männer zusammen bemühten sich um einen politischen Umsturz und Aufruhr, indem europäischer Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit geschürt wurden, um den europäischen Integrationsprozess nicht nur zu stoppen, sondern zu zerstören. Nach dem erfolgten Schlag durch das kommende Ausscheiden Großbritannien aus dem EU- Lager zogen sich beide Männer zurück in ihre „home positions“ (24). Dugin begann sich auf den Iran und China zu konzentrieren. Bannon wurde CEO der Wahlkampf- Kampagne Donald Trumps- ein Mann, der während seiner kommenden Präsidentschaft alles tun würde, um die Integrität der westlichen Werte- Gemeinschaft und ihrer politischen, wirtschaftlichen und militärischen Ziele zu untergraben. 

Aber dennoch. Woher diese Bemühungen, ein politisches Glaubenssystem wie den magischen Traditionalismus zu installieren? Alexander Dugin steht ja in Diensten einer Dynastie, einer Junta von KGB- Offizieren, die angeblich den Zerfall der alten Sowjetunion immer noch rückgängig machen wollen, von Stalin träumen und sich selbst an den Bodenschätzen des Landes bereichern, auf Kosten einer adäquaten Entwicklung der weiten, ländlichen Regionen. Aber Steve Bannon? Was treibt ihn, eine lächerliche, amoralische Figur wie Trump zu installieren, indem er betrügerische Mittel der Manipulation einsetzt und mit Rechtsradikalen und verlogenen Nationalisten wie Farage paktiert? Was treibt ihn nur, diesen umgänglichen, erfolgreichen Banker? Bannon versucht offenbar etwas „Authentisches“ gegen eine Moderne einzusetzen, die er als künstliche Existenzform einschätzt: „Ours is a world of simulations“ (25) - eine Welt des Kali Yuga ohne Werte, in der Priester nicht mehr religiös seien, Offiziere keine Ehre und keinen Patriotismus kennen würden und Händler in Schranken verwiesen werden. Das mediale System würde keine echten Nachrichten senden, Wissenschaftler würden nicht wissenschaftlich arbeiten, Universitäten würden nichts Reales lehren und seien eine Verschwendung von Zeit. Die Moderne sei von „Inversion“ bestimmt, einer Umkehrung der Werte. Selbst Fortschritt sei in Wahrheit eine Form der Regression, ja jeder Anschein von Gerechtigkeit führe nur zu Unterdrückung. Diesen Pessimismus, der sich gegen das ganze Zeitalter der Aufklärung richtet, teilt Steve Bannon gänzlich mit dem Traditionalisten Julius Evola. Danach stellten alle emanzipatorischen Bewegungen wie Demokratisierung, Säkularisierung, Feminismus und Multikulturismus lediglich Stufen eines andauernden Verfalls dar. Bannon sehnt dabei keine Stände- oder Klassen- Gesellschaft wie in mittelalterlichen Zeiten herbei, aber ein klare Werte- Struktur, um dem „Chaos and nihilism" (25) entgegen zu wirken: "His ideal society is not one where certain human is lord over others, but where considerations for spirituality and cultural essence guide social and political life- even geopolitics“ (25). Er sieht sein Hauptziel darin - als Variation zum klassischen Traditionalismus-, dass „spirituellen Werte“ wieder als gesellschaftlich strukturierende und determinierende Prinzipien eingesetzt werden sollten, in einem Wettkampf von Gesellschaften und Individuen. 

Die moralisch Integren werden, in Bannons Vision, zugleich die Führer darstellen, die Eliten bilden und die führenden globalen Nationen. Bannon sieht, statt der Separierung von hintereinander geschalteten Rollen im Modell des klassischen Traditionalismus (Priester- König, Krieger, Kaufmann, Bürger) die Spiritualisierung jedes einzelnen Individuums („My Point is, every person ought to be a priest“ (25)) als Ziel, wobei Bannon offensichtlich den uralten amerikanischen Traum vom Self-made man, den er selbst in seiner Biografie erfolgreich realisiert hatte, in seinen visionären Gesellschafts- Entwürfen zum spirituellen Ideal erhebt. Der erfolgreiche Bürger (bzw die siegreiche Nation) ist nicht mehr nur Verhandlungspartner und im militärisch- kriegerischen Sinne ehrenhafter Sieger, sondern auch noch spirituell erhoben und durchdrungen. 

Umgekehrt wird noch deutlicher, was Bannon eigentlich umtreibt: Die Sieger- Pose eines Donald Trump, dem Bannon durchaus ja auch mit unlauteren, manipulativen Methoden zum Wahlsieg verhalf, wurde für viele Amerikaner zum „spirituellen“ Vorbild- eine Figur, die so polarisierte, dass weite Teile der emotionalisierten Anhängerschaft bereit war, für ihn in den Krieg zu ziehen, und das im Sinne der „großen“ Nation: "We will Make America Great Again!“. Die „metaphysische Arbeit“ (26), die ein Faschist wie Evola noch den arischen Priestern und Gott- Königen vorbehalten hatte, bezog ein manipulativer Geist wie Bannon auf die Arbeiterklasse, die untere Kaste, die „Sklaven“: Sie sollten betört werden vom Glanz ihres strahlenden, erfolgreichen Präsidenten, eines Helden der Nation, eines in Gold, Erfolg und Reichtum getauchten metaphysischen Ideals, den keine Affäre beschmutzen konnte; ganz im Gegenteil. Teitelbaum nennt dies eine Politik der Metaphysik für Bürger, die Bannon mit der Erschaffung dieser exotischen Kunstfigur vollzog. Bannon war sich klar, dass man die Massen mobilisieren musste, einbinden, ansprechen, radikalisieren. Die Arroganz der Hohepriester wie bei Evola stammte aus einem vergangenen Jahrhundert. Tatsächlich sieht Bannon sich als Anwalt der spirituellen Interessen der amerikanischen Arbeiterklasse. Bei ihm, in seiner „Alles- steht- auf- dem- Kopf“- Sichtweise, stellt das eigentlich vollkommen orthodoxe Kastensystem des Traditionalismus sogar eine völlige Abkehr vom Rassismus dar - denn es geht ja nur um spirituell unterlegten Erfolg, nicht um DNA. Tatsächlich gehörten die zuverlässigsten Wähler Trumps aber zu finanziell und gesellschaftlich gefährdeten Gruppen, die ländlich und in stark rassisch isolierten Gegenden wohnten und Immigration am meisten fürchteten- der denkbar größte Gegensatz zu ihrem Idol, dem Goldjungen Trump in seinem goldenen Appartement im Trump- Tower. 

Und überhaupt, das Blutleere, das Unauthentische der Zeit, der Materialismus. So vernimmt man allerorten das Gejammer der Traditionalisten. Die Art von „Spiritualität“, die diese Goldjungen ersehnen, wird in den Texten Julius Evolas gut sichtbar, der damit Faschisten wie auch Terroristen ein zuverlässiger Bundesgenosse, ja Wegbegleiter war. Evolas Heroisierung der „Tathandlung“  bezieht sich stets in der höchsten Form auf den magischen Tod auf dem Schlachtfeld, die Selbsterhebung im Sieg, die narzisstische Selbstvergottung durch das Opfer des Anderen, aber auch seiner selbst: Die „mystische Lehre von Kampf und Sieg“ (27), die Evola in seiner Phantastik von den „Ideale(n) des alt-arischen Menschen“ beschwört, überstrahlt die Versuche von liberalen Demokratien, einen gemeinsamen Kompromiss, eine Politik des Ausgleichs zu finden. Evola betreibt die Heroisierung des spirituell überhöhten Kriegers, die er sich aus allen möglichen Kulturen zusammen reimt, von Römern über Hindus bis zu den Templern. Seine esoterische Umdeutung besteht darin, im Kampf die spirituelle Vollendung zu sehen, die Erlösung, ja die Einweihung- er überwindet das kontemplative Ideal, das die alte Spiritualität umgab. 

Für Bannon, Trump und die anderen Goldjungen gilt, dass die Esoterik im Schlachtfeld des wirtschaftlichen und politischen Erfolgs liegt: Der Kapitalismus selbst wird esoterisch aufgeladen. Die Krieger, die hier gewinnen, sind die mit quasi- priesterlicher Stellung, eine Kaste über den Kasten, die durch diese Sonderstellung in der Aura unerschütterlichen Erfolgs tatsächlich auch die Mittelklasse, die Bürger, die Arbeiter, die Verlierer, faszinieren. Ein Goldjunge wie Donald Trump wird in der von Bannon weiter entwickelten Esoterik Julius Evolas zum unerreichbaren Sonnenkönig. Zumindest bis zu dem Augenblick, an dem die Krieger- Fassade zu bröckeln beginnt. Der Goldjunge darf sich keine offensichtlichen Misserfolge leisten, denn das Gottgleiche setzt eine gewisse Unfehlbarkeit voraus. Jeder Guru weiß ein Lied davon zu singen, wie schnell eine Horde von Anhängern in der Stimmung kippen kann. Plötzlich werden sie, einmal enttäuscht, zu Anklägern und sehen Makel über Makel in ihrem vormaligen Idol. 

Dagegen ist Evolas „Revolte gegen die Zeit“ eine bequeme Haltung, die man jederzeit einnehmen kann, ohne die Behaglichkeit darin jemals aufgeben zu müssen. Der Traditionalismus in seinen amerikanischen und russischen Varianten, aber auch in den anthroposophischen Sonderformen, kennt die anti- materialistische Attitüde und die Ablehnung der Moderne. Immigration und Multikulturalismus werden ebenso abgelehnt wie Gleichheit und die Perspektive von Gleichberechtigung und Aufklärung. Stattdessen besteht die Aussicht, durch eine Phase von Umsturz und Chaos alte, sonnenhafte Zustände wieder herzustellen, mit klaren Hierarchien, Kasten oder Klassen von Menschen. Auch Steve Bannon und Evola geht es nicht um einen klassischen Rassismus, sondern um eine Aufladung des Siegers in der politischen Arena, in den Grenzen seiner Zeit; Evola schreibt daher vom „race of the spirit“ (28) der Sieger, die aus der Dunkelheit des Kali Yuga heraus fliegen und ihre Zeitgenossen überragen, in einer herrischen Geste wie von Mussolini. Die Mittel zum Zweck sind, wie Bannon betont, zweitrangig; Hauptsache, „Authentizität“ bestimmt die Führungselite. Allenfalls, konfrontiert mit Trumps peinlichen Ausfällen, verfällt Bannon auf die Chaos- Theorie der Traditionalisten; „To Make America Great Again, you´ve got to.. you´ve got to disrupt, before you rebuild.“ (29)

Tatsächlich hat der Traditionalismus als quasi- religiöses Fundament einer reaktionären, anti- liberalen Politik seitdem viele Erfolge gefeiert. Er hat in Brasilien zur Ablösung einer politischen Elite geführt, und ist in den USA wie in europäischen Staaten allgegenwärtig. Überhaupt ist der politische Diskurs in ein Fahrwasser geraten, in dem über Jahre Twitter- Nachrichten des US- Präsidenten in den von ihnen erregten Meinungswellen jeden realen Austausch von Meinungen überlagerten- kein Wunder, da der Präsident Chaos, Desinformation und Gewaltandrohungen verbreitete. Es ist bezeichnend, dass in Augen solcher Goldjungen gerade Experten- Kompetenz suspekt erscheinen muss. Die „Authentizität“ der Straße ist Argument genug. Der Populismus in seinem Schwanken zwischen Chaos und Autorität ist ein Auswuchs der gegenwärtigen Renaissance des Traditionalismus. Er stellt eine Aufladung der Politik dar, die durch Trump direkt und indirekt quasi- religiösen Charakter angenommen hat: Das, was früher Diskurs war, verkommt zum Glauben an in sich widersprüchliche Statements des narzisstischen Präsidenten, zu pausenlosen Fake- News und offensichtlichen Verschwörungstheorien. Der Gläubige verteidigt das ihm gegebene Sakrament bis aufs Messer. 

So sehen sich die gläubig- apokalyptischen Anthroposophen auch vor Zeiten, in denen es vor allem gilt, auf der richtigen Seite zu stehen. Nach Steiner wird nicht nur eine bis ins Individuelle gehende chaotische Phase des „Krieges aller gegen alle“ kommen, das danach folgende - traditionalistisch goldene- Zeitalter sei auch vollkommen polarisiert. Statt Kasten oder Rassen sei nur noch eine Zweiteilung der Menschheit gegeben, wobei der böse Teil bis ins Physische entstellt sein werde: „Und zweierlei Menschen werden nach dem großen Kriege aller gegen alle vorhanden sein. Diejenigen, die sich vorher bemüht haben, dem Ruf zu folgen, der zum spirituellen Leben aufrief, die der Spiritualisierung, der Veredlung des seelisch-geistigen Lebens folgten, sie werden dieses seelisch-geistige Leben auf ihren Antlitzen tragen und in ihren Gesten, in ihren Handbewegungen zum Ausdruck bringen. Und jene, die sich abgekehrt haben von dem spirituellen Leben, wie sie uns repräsentiert sind durch die Gemeinde von Laodizea, die da lau waren, nicht warm nicht kalt, die werden hinüber leben in das andere nächste Zeitalter als solche, die die Menschheitsevolution verzögern, die die rückständigen Kräfte der Entwickelung bewahren. Sie werden die bösen, die dem Geistigen feindlichen Leidenschaften und Triebe und Instinkte auf dem häßlichen, unintelligenten, auf dem böse blickenden Antlitz tragen. Sie werden in ihren Gesten und der Handhabung von allem, was sie tun, ein äußeres Abbild bilden dessen, was an Häßlichem in ihrer Seele lebt. Wie sich die Menschen (früher) auseinander getrennt haben in Rassen, in Kulturgemeinschaften, so werden sie sich in zwei große Strömungen scheiden, in die gute und in die böse. Und man wird es ihnen ansehen. Nicht mehr werden sie es verleugnen können die einzelnen Menschen, wozu sie ihre Seele gebracht haben.“ (30) 

Nun, da weiß man doch, auf welcher Seite man stehen möchte. Nach der Apokalypse bitte nicht falsch abbiegen und im Lager der Freaks landen.



----------------------Verweise

1 https://anthroblog.anthroweb.info/2013/julius-evola-und-der-italienische-faschismus-nach-dem-ii-weltkrieg/

2 https://egoistenblog.blogspot.com/p/siehe-auch-massimo-scaligero-politik.html

3 So jedenfalls die nicht immer seriösen Quellen Victor und Victoria Trimondi, „Hitler, Buddha, Krishna“, S. 228ff

4 https://www.deutschlandfunk.de/zoroastrische-glaubensgemeinschaft-zarathustra-hat-uns.886.de.html?dram:article_id=439475

5 https://anthrowiki.at/Weltentwicklungsstufen

6 Benjamin R. Teitelbaum, War for Eternity, The Return of Traditionalism and the Rise of the Populist Right, Penguin 2020, S. 11ff

7 Rudolf Steiner, GA 118.25ff

8 „Priests and warriors live their lives striving towards higher, immaterial ideals, in the case of priests, pure spirituality..“ Teitelbaum, S. 11

9 Siehe Teitelbaum, S. 13

10 frei übersetzt nach Teitelbaum, S. 15

11 https://de.wikipedia.org/wiki/Daodejing

12 Teitelbaum, S. 35ff

13 Teitelbaum, S. 41ff

14 Teitelbaum, S. 42ff

15 „Also im denkbar höchsten Grade standen die Bewohner derjenigen Gegenden, die wir heute um den Nordpol herum sehen, in der lemurischen Zeit im Zeichen der Gruppenseelenhaftigkeit. Und wenn wir diese Gruppenseelen als Seelen betrachten, so waren sie viel höher entwickelt als die Seelen, die in der lemurischen Zeit in den Äquatorgegenden hineinzogen in die physischen Leiber. Wir können sagen: Um den Nordpol wohnte eine Bevölkerung, die wir eigentlich, wie in einer Art Paradies, in den Luftregionen zu suchen haben, die noch nicht heruntergestiegen war bis zur Erde. In der theosophischen Literatur tritt einem da oder dort entgegen: daß jene höheren Wesenheiten, die einst die Lehrer der Menschheit waren, hinuntergestiegen sind aus einer kalten nördlichen Region. Wollten sie Lehrer werden derer, die geringere Seelen waren und mehr in die physischen Leiber hineingingen, so mußten sie auch mehr hinuntersteigen und in ihrem Ätherleibe dem hellseherischen Vermögen der lemurischen Zeit entgegentreten, oder sie mußten eben durch ein Opfer die physische Menschengestalt der lemurischen Bevölkerung annehmen.“ Rudolf Steiner, GA 107, S. 282

16 „Denn es ist durchaus die Gefahr vorhanden, daß die Menschen festhalten dieses Verharren im Materialismus, in der materialistisch-ahrimanischen Denkweise, und sie hinaustragen in Zeiten, in denen sie eigentlich bestimmt ist, überwunden zu sein. Dann würden die Menschen, die bei ihr verbleiben wollen, ein Bündnis eingehen auf der Erde mit alldem, was in ähnlicher Weise durch den Sieg des Michael über den Drachen entstanden ist, das heißt, sie würden sich nicht mit dem geistigen Fortschritt der Erdentwickelung verbinden, sondern mit dem materiellen Fortschritt. Sie würden in einem gewissen Zeitraume der 6. nachatlantischen Zeit ausschließlich Gefallen daran finden, in dem zu leben, was dann kommen wird durch Bazillen, durch die kleinen mikroskopischen Feinde der Menschen.“ Rudolf Steiner, GA 177, S.153f

17 „Dieser Zeitraum, den bereitet der jetzige auch mittelbar vor. So daß wir sagen können: Nach und nach wird sich unsere Kultur hineinleben in eine Kultur der Bruderliebe, wo ein verhältnismäßig kleiner Teil der Menschheit verstanden haben wird das spirituelle Leben, vorbereitet haben wird den Geist und die Gesinnung der Bruderliebe. – Diese Kultur wird dann wiederum einen kleinen Teil von Menschen aussondern, und der wird hinüber leben über jenes Ereignis, das so zerstörend auf unseren Kreislauf wirken wird, über den «Krieg aller gegen alle». Bei diesem allgemein zerstörenden Elemente werden überall einzelne sein, die sich herausheben aus der übrigen, sich gegenseitig bekriegenden Menschheit, einzelne, die das spirituelle Leben verstanden haben und die den Grundstock bilden werden für eine neue, andere Epoche, die Epoche des 6. Zeitraumes.“ Rudolf Steiner, GA 104, S. 88

18 Teitelbaum, S. 46f

19 Teitelbaum, S. 48

20 nach Teitelbaum, S. 59

21 Teitelbaum, S. 60

22 Teitelbaum, S. 63

23 Teitelbaum, S. 68

24 Teitelbaum, S. 69f

25 Teitelbaum, S. 78f

26 nach Teitelbaum, S 81f

27 https://velesova-sloboda.info/archiv/pdf/siegling-evola-die-arische-lehre-edition-und-nachwort.pdf

28 Teitelbaum, S. 103

29 Teitelbaum, S. 117

30 Rudolf Steiner, GA 104, S. 91f